Wie die Angriffe des israelischen Staats Sisis Regime schwächen
Die ägyptische Bevölkerung ist aktuell nicht nur der enormen Sommerhitze ausgesetzt, sondern auch täglichen dreistündigen Stromausfällen. Kühlschränke, Klimaanlagen, Wasserpumpen, Beleuchtung und elektrische Geräte fielen aus, als die Innentemperaturen stiegen.
von David Johnson
Den Menschen wurde geraten, auf die Uhrzeit zu achten, bevor sie in einen Aufzug stiegen. Mindestens vier Menschen sind in diesem Jahr bereits gestorben, nachdem sie stecken geblieben waren. Babys wurden in Krankenhäusern bei Taschenlampenlicht von Mobiltelefonen geboren. Der Verlust der Straßenbeleuchtung machte es für Frauen weniger sicher. Im Süden, wo die Temperaturen im Schatten 50 °C erreichten, starben Dutzende von Menschen an der Hitze.
Die Stromknappheit ist zum Teil auf die unzureichenden Erzeugungskapazitäten zurückzuführen. Wind- und Solarenergie trugen im Jahr 2023 weniger als 6 Prozent zur Gesamtversorgung bei, obwohl die Sonne fast jeden Tag schien.
Energie- und Wirtschaftskrise
Die Angriffe der IDF auf den Gazastreifen seit dem 7. Oktober haben die Energiekrise in Ägypten verschärft. Das aus dem israelischen Offshore-Gasfeld Tamar nach Ägypten geleitete Gas wird zur Stromerzeugung verwendet, aber auch zu 90 Prozent als Flüssigerdgas (LNG) exportiert, das wichtige Devisen einbringt. Am 9. Oktober schaltete die israelische Regierung die Produktion für mehrere Wochen ab. Die Stromausfälle verlängerten sich von einer auf zwei Stunden pro Tag, und es musste LNG importiert werden. Obwohl die Gaslieferungen nach Ägypten im November wieder aufgenommen wurden, gingen die Stromausfälle weiter.
Die Schuldenkrise verschärfte sich nach Angriffen der Houthi auf die Schifffahrt, die daraufhin den Suezkanal mied. Die Einnahmen gingen im ersten Quartal 2024 um 50 Prozent zurück. Auch der Tourismus ging um 25 Prozent zurück, vor allem in den Urlaubsorten am Roten Meer.
Trotz der Versuche der Regierung, den Kurs des ägyptischen Pfunds bei einem Wert von etwa 30 Dollar zu halten, wurde es im Januar auf dem Schwarzmarkt mit 70 pro Dollar gehandelt. Der offizielle jährliche Verbraucherpreisindex stieg im Februar um 36 Prozent, womit der tatsächliche Anstieg der Lebenshaltungskosten unterschätzt wird.
Häufige Stromausfälle waren einer der Gründe für die massiven Proteste gegen den ehemaligen Präsidenten der Muslimbruderschaft, Mohamed Morsi, im Jahr 2013. Da sich die Arbeiter*innenklasse damals nicht organisierte, um die Macht zu übernehmen, führte Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi eine militärische Machtübernahme durch und füllte das Vakuum. Im Jahr 2014 wurde er selbst Präsident.
Die Stabilisierung der Stromversorgung half Sisis Regierung, eine gewisse Unterstützung aufrechtzuerhalten, aber diese schwächt sich nun ab, da die Lichter wieder ausgehen. Stark steigende Preise und ein sinkender Lebensstandard untergraben ebenfalls seine Unterstützung. Am 3. Juli nahm Sisi eine Kabinettsumbildung vor und ernannte einen neuen Finanzminister, Ahmed Kouchouk, einen ehemaligen Wirtschaftswissenschaftler der Weltbank. Er sagte: „Ägypten hat sich zu Haushaltsdisziplin und Schuldenabbau verpflichtet und verfolgt Strukturreformen, um das Wachstum des Privatsektors zu ermöglichen.“
Der neue Minister für Investitionen, Hassan El Khatib, war zuvor bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung tätig. Es ist klar, dass diese Regierung ihren Beziehungen zu internationalen Finanzinstituten Priorität einräumt.
Ein 90 Jahre altes, vierstöckiges Gebäude in Assiut stürzte am 1. Juli plötzlich ein und tötete 14 Menschen, darunter auch Kinder, vermutlich durch auslaufende Abwässer, die das Fundament schwächten. Dies war ein weiterer Beweis dafür, dass sich das Leben der Arbeiter*innen und Armen nicht wirklich verändert hat. Ähnliche schreckliche Vorfälle ereigneten sich regelmäßig unter dem früheren Präsidenten Hosni Mubarak.
Gaza-Konflikt
Der Gaza-Konflikt hat diese Widersprüche noch einmal deutlich verschärft. In der Vergangenheit hat die Regierung Sisi die aus der Muslimbruderschaft hervorgegangene Hamas stark bekämpft. Gemeinsam mit der israelischen Regierung verhinderte die strenge ägyptische Kontrolle der Grenze und des Grenzübergangs Rafah den freien Verkehr von Palästinensern und Waren.
Einer der vom Regime bevorzugten Kapitalisten, Ibrahim al-Organi, kontrolliert ein riesiges Bau- und Gesundheitsunternehmen. Seit Jahren muss jeder, der Waren über die ägyptische Grenze nach Gaza bringen will, mit seinen Unternehmen zusammenarbeiten. Seine Verbindungen zu hochrangigen Militärs und Sicherheitsbeamten haben ihm besonderen Einfluss auf dem Sinai und in Gaza verschafft. In der gesamten ägyptischen Wirtschaft muss sich das Großkapital mit den Militärspitzen abstimmen und mit ihnen zusammenarbeiten, was zu Reibereien mit den Kapitalist*innen und internationalen Unternehmen außerhalb dieses „magischen Kreises“ führt.
Im Sinai kommt es seit Jahren zu sporadischen Konflikten zwischen islamistischen Gruppierungen, die mit dem IS in Verbindung stehen (aber gegen die Hamas sind), und dem ägyptischen Staat. Das Regime von Sisi befürchtet eine weitere Destabilisierung infolge der Massaker im Gazastreifen, was ein Grund für seine Weigerung ist, die Grenze zu öffnen, damit die Palästinenser*innen der Belagerung entkommen können.
Das Regime befürchtet außerdem, dass ein Zustrom von Flüchtlingen zu Raketenangriffen auf Israel von ägyptischem Boden aus, zu Vergeltungsschlägen aus der Luft und zur erneuten Schließung der Gaspipeline führen würde.
Repression und Angst
Die Solidarität mit den unterdrückten Palästinenser*innen ist in der ägyptischen Bevölkerung sehr groß, aber das Regime hat Proteste gegen das Abschlachten und die Belagerung eingeschränkt. Sechs Aktivist*innen wurden in Alexandria verhaftet, weil sie ein pro-palästinensisches Transparent hochhielten. Sie wurden 15 Tage lang festgehalten und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, der Verbreitung falscher Nachrichten und Aussagen sowie der Teilnahme an einer Versammlung beschuldigt.
Sisi befürchtet, dass der Widerstand gegen die israelischen Bombenangriffe und die Besatzung schnell in den Widerstand gegen den sinkenden Lebensstandard, die Stromausfälle und die Zusammenarbeit des Regimes mit dem israelischen Staat übergehen könnte, wie im vergangenen Oktober geschehen.
Diese Befürchtung wird auch von Regierungen und Kapitalisten außerhalb Ägyptens geteilt. Die herrschenden Klassen des Nahen Ostens, der Golfstaaten und des Maghreb erinnern sich ängstlich an die Massenproteste von 2011, die immer größer wurden, bis Ben Ali in Tunesien, Hosni Mubarak, Gadaffi in Libyen und Saleh im Jemen gestürzt wurden. Hätte es revolutionäre, in der Arbeiter*innenklasse verwurzelte Parteien mit sozialistischen Programmen gegeben, hätte der Kapitalismus gestürzt werden können und die sozialistische Revolution hätte sich im gesamten Nahen Osten, Nordafrika und darüber hinaus ausbreiten können.
Die imperialistischen Unterstützer*innen der Herrscher*innen des Nahen Ostens teilen denselben Albtraum und haben die Forderungen, die sie zuvor an Sisis Regime gestellt hatten, aufgeweicht. Die EU-Kommission stimmte einem Darlehen an Ägypten ohne Bedingungen zu, „aus Angst vor Instabilität“, wie ein europäischer Diplomat erklärte. Auch die US-Regierung erkannte die „veränderten Umstände und das Umfeld“ Ägyptens an und unterstützte ein IWF-Darlehen, das an weniger Bedingungen geknüpft war als zuvor.
Die Vereinigten Arabischen Emirate haben ein massives 35-Milliarden-Dollar-Entwicklungsprogramm vereinbart, aber kein Darlehen. In Ras el-Hekma, einem erstklassigen Standort an der Mittelmeerküste, sollen neue Resorts, Hotels, Jachthäfen, Wohnungen und Infrastrukturen gebaut werden. Mit 170 Quadratkilometern ist das Gebiet fünfmal so groß wie Ägyptens bisher größter städtischer Landverkauf. Der Staatsfonds der VAE wird den Löwenanteil kontrollieren.
Ägyptens kranke Wirtschaft bedeutet, dass das Land als dominierende Macht in der Region an Bedeutung verliert. Dennoch behält das Land mit seiner großen Arbeiter*innenklasse und seiner Kampftradition eine Schlüsselrolle im Klassenkampf zwischen der Arbeiter*innenklasse, den städtischen Armen und den armen Bäuerinnen und Bauern gegen Kapitalismus und Großgrundbesitz im gesamten Nahen Osten.
Instabilität und Perspektiven
Obwohl in den letzten Monaten nur sehr wenige Streiks gemeldet wurden, kann die Instabilität des Regimes plötzlich einen Kipppunkt erreichen, so wie das Gebäude in Assiut mit seinem schwächelnden Fundament. Die Hälfte der ägyptischen Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt und kann sich daher kaum noch an die Euphorie nach dem Sturz Mubaraks oder die Demoralisierung nach den Erfahrungen mit den Regimen von Morsi und Sisi erinnern.
Neue Bewegungen von Arbeiter*innen und Jugendlichen werden entstehen. Es ist notwendig, die Lehren aus dem Jahr 2011 zu ziehen und damit zu beginnen, die Grundlagen für eine zukünftige revolutionäre Partei mit einem sozialistischen Programm zu schaffen. Nur die Arbeiter*innenklasse kann einen Weg aus der anhaltenden Not, den Umweltkatastrophen und den schrecklichen Kriegen des Kapitalismus weisen und eine Gesellschaft mit demokratischen Rechten für alle aufbauen, in der die Ressourcen demokratisch und bedarfsgerecht geplant werden.
Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache am 13. August auf www.socialistworld.net