Kulturindustrie im neuen Gewand

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Wie Netflix & Co. die Kultur zerstören

“Serien mit Binge-Faktor!”, “Filme mit Starbesetzung”, “Unbegrenzt Filme, Serien und mehr!” – So lauten Werbesprüche der derzeit populären Streaming-Dienste. Dass die Kulturindustrie ihre Inhaltslosigkeit nicht versteckt, sondern auch ganz offen mit ihr wirbt, ist nicht neu. Neu ist allerdings sowohl das Ausmaß, mit dem die Kulturindustrie in das alltägliche Leben hineinlangt, als auch die mittlerweile weit verbreitete, latente Unzufriedenheit über die Qualität ihrer Erzeugnisse.

Von Oliver Zech, Dresden

In der Fachpresse ist seit Langem von den sogenannten “streaming wars” die Rede. Damit ist das Buhlen der Streaming-Anbieter um die größtmögliche Kund*innenbindung gemeint. Schaut man sich die profitgetriebenen Praktiken dieser Dienste an, wird schnell erkennbar, dass die “streaming wars” nicht für uns, sondern gegen uns Kund*innen geführt werden. In den letzten Monaten wurden die Preise aller Anbieter sprunghaft erhöht, bei Prime Video muss man plötzlich mit Werbung leben und bei WOW (ehemals Sky) soll für die eigentlich standardisierte HD-Auflösung nun auch ein Aufpreis bezahlt werden. Wem hier der Gedanke an das überwunden geglaubte Zeitalter des Kabelfernsehens kommt, liegt leider richtig.

Das neue Kabelfernsehen

Die monatliche Zahlung an Streaming-Dienste ist mittlerweile so normal wie die Stromrechnung – schließlich nutzen 86 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland mindestens einen solchen Dienst. Wobei es oft nicht bei einem Anbieter bleibt, da die neue Serie, über die alle sprechen, natürlich beim jeweils nicht gebuchten Dienst ist. So entscheidet sich wieder einmal die Frage von kultureller und sozialer Teilhabe anhand des eigenen Geldbeutels.

Kunst ist nicht Gedöns

In unserer kapitalistischen Arbeitswelt voller psychisch und physisch belastender – oftmals auch sinnloser – Arbeit, ist es nach einem langen Arbeitstag absolut nachvollziehbar, sich auf die Couch zu setzen und mit der eigenen Lieblingsserie zu entspannen. Jedoch sind auch im Film die herrschenden Gedanken die Gedanken der herrschenden Klasse, also der herrschenden Industrie (siehe James Bond). Wenn Filme, Romane oder Musik nur dazu da sind, eine Kundschaft gedankenlos zu binden, so wird Kunst zu einem Mittel zum Zweck, einer Ware, wie ein Schokoeis mit Streuseln. Kreativität, Originalität und Selbstausdruck finden keinen Platz – was Profit bringt, wird verfilmt. Bei Netflix & Co. verkommt die Filmauswahl so zu einer Eistheke; Genres werden zu Geschmacksrichtungen, oft noch durch Algorithmen vorsortiert, damit Sehgewohnheiten auch ja nicht gebrochen werden.

Echte Kunst hat das Potenzial, herrschende Verhältnisse infrage zu stellen, Gegenwelten aufzumachen und das Bewusstsein von Menschen zu verändern. Das ist das wahre Bedürfnis – nicht ohne Grund ist ein latentes Unbehagen angesichts der abnehmenden Qualität von Filmen und Serien immer mehr zu spüren. Wenn wir endlich gute Medien und Kunst haben wollen, so muss die Profitorientierung gebrochen werden und die Entscheidungsgewalt über sie nicht mehr in den Händen von autoritären Medien-Giganten liegen, sondern den der Künstler*innen und der Fans.