Sri Lanka: Nachruf auf Wickramabahu Karunaratne (1943-2024)

Bild: Wickramabahu Karunaratne (links)

Ein Gigant der linken Bewegung in Sri Lanka

Wickramabahu Karunaratne, ein Gigant der linken Bewegung in Sri Lanka, hat am 25. Juli seinen Lebensweg beendet. Ich traf Wickramabahu zum ersten Mal in der zweiten Hälfte des Jahres 1970, als ich einen Vortrag von Leslie Gunawardena im Büro der Lanka Sama Samaja Party1 besuchte. Während des Treffens kritisierte ich die Politik der von der Sama Samaja Party geführten sogenannten „Einheitsfront“-Regierung, an der auch die Sri Lanka Freedom Party beteiligt war. Am Ende des offiziellen Treffens kam es zu einer langen politischen Diskussion zwischen Wickramabahu und mir. Diese Diskussion ging über meine radikale Kritik hinaus und Wickramabahu erläuterte den theoretischen Fehler der Koalitionspolitik. Seitdem dauerte unsere politische Beziehung mehr als zwei Jahrzehnte an.

von Siritunga Jayasuriya, Generalsekretär der United Socialist Party (Schwesterpartei der Sol und Sektion des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale in Sri Lanka)

Die Bezeichnung der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) als “progressive kapitalistische Partei” wurde erstmals von der Kommunistischen Partei Sri Lankas verwendet. Die Lanka Sama Samaja Party setzte diese Idee in ein praktisches politisches Programm um, indem sie zunächst 1964 und dann erneut 1970 eine Koalitionsregierung bildete und damit die theoretische Idee rechtfertigte, dass ein fortschrittlicher Weg mit der SLFP beschritten werden kann. Damit wurde der unabhängige Kurs der Arbeiter*innenklasse, den die alte linke Bewegung verfolgt hatte, aufgegeben.

Vor diesem Hintergrund begannen Wickramabahu, Sumanasiri, ich (Siritunga) und andere in der Sama Samaja Partei eine Diskussion gegen die Koalitionspolitik. D.G. William, der damals ein mächtiger Gewerkschaftsführer war, legte eine zweite politische Resolution gegen den Vorschlag vor, den die von N.M. Pereira, Colvin da Silva, Leslie Gunawardene und Barnard Soysa geführte Koalitionsregierung für den Kongress der Sama Samaja Partei im November 1972 unterbreitete. Leute wie Osmond Jayaratne arbeiteten unter der Führung von William. Ich habe zusammen mit Wickramabahu an dieser Diskussion teilgenommen und ihrer Perspektive nicht zugestimmt. Die Meinung dieser Gruppe war, dass die Führer der Samaja-Partei die Ministerposten in der Regierung sofort verlassen sollten, aber sie sollten in der Koalitionsregierung bleiben. Vor diesem Hintergrund legte eine Gruppe von uns, zu der auch Wickramabahu gehörte, ein drittes politisches Perspektivpapier vor, das im Namen von C.A.S. Vikrama und mir selbst eingebracht wurde. Wickramabahus theoretisches Dokument mit dem Titel “Verstaatlichung und Sozialismus” war die Grundposition dieses politischen Dokuments.

Im Februar 1973 erkannte die Führung der Sama-Samaja-Partei, dass unsere politischen Ansichten im Widerspruch zum Bündnis der Partei mit der Regierung standen, und schloss Wickramabahu, Sumanasiri und mich (Siritunga) aus der Partei aus, da sie befürchteten, dass wir Unterstützung bekommen würden. Danach spielte Wickramabahu eine führende Rolle als Sekretär der linken Sama-Samaja-Gruppe. Wickramabahu spielte auch eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, dem Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI) im Jahr 1974 beizutreten, und seine theoretischen Interventionen erstrecken sich über die nationale Ebene hinaus auf die Internationale.

1976 geriet die Sama-Samaja-Partei in eine große Krise, als eine Gruppe, darunter Vasudeva, aus der Partei ausgeschlossen wurde. Nach Vasudeva wurden auch Edwin Kothalawala und Reginald Mendis aus der Sama-Samaja-Partei ausgeschlossen und schlossen sich der linken Sama-Samaja-Gruppe an, die von Wickramabahu geleitet wurde. Im Dezember 1977 fand in der New Town Hall in Colombo eine gemeinsame Konferenz statt, die in eine Partei umgewandelt wurde, die bald den Namen New Sama Samaja Party (NSSP) trug, die sri-lankische Mitgliedsorganisation des CWI.

1978 arbeitete Premierminister J.R. Jayawardene an der Ausarbeitung einer neuen Verfassung mit diktatorischen Befugnissen und die Regierung verhaftete Lalith Abeysinghe zusammen mit Wickramabahu, weil er schwarze Flaggen organisiert und gehisst hatte. Mit seiner Verhaftung wurde Wickramabahu von seiner Professur an der Universität von Peradeniya enthoben und von da an wurde er ein Hauptamtlicher der New Sama Samaja Party, um die Arbeiter*innenbewegung aufzubauen.

Von Anfang an setzte sich Wickramabahu für das Selbstbestimmungsrecht der Nationen auf der Grundlage der marxistischen Theorie in Bezug auf die nationale Frage ein. Er arbeitete am Aufbau der unabhängigen Macht der Arbeiter*innenklasse und sah sich mit der Niederlage des Generalstreiks im Jahr 1980 einem ideologischen Abschwung gegenüber. Im Juli 1983 verbot die Regierung von J. R. Jayawardena die Janata Vimukti Peramuna und die New Sama Samaja Party. Die JVP-Führer Wijeweera und Gamanayake sowie die NSSP-Führer Vasudeva, Wickramabahu, ich (Siritunga) und Linus widersetzten sich dem Verbot durch die UNP-Regierung und dem Befehl, uns – tot oder lebendig – zu verhaften und führten die politischen Aktivitäten im Verborgenen fort.

1987 Indo-Lanka Abkommen

Danach begann für Wickramabahu, der in der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung in Sri Lanka eine sehr wichtige Rolle spielte, der politische Niedergang. Mit der Unterzeichnung des indisch – sri-lankischen Abkommens von 1987, an dem der indische Premierminister Rajiv Gandhi beteiligt war, machte JR Wickramabahu einen großen politischen Fehler. Er tat sich mit der Sama Samaja Partei, der Kommunistischen Partei und der Volkspartei zusammen, um das Abkommen zu verteidigen und gleichzeitig die Intervention der indischen “Friedenstruppen” (IPKP) als “taktischen Schachzug” zu akzeptieren. Diese Position ergab sich aus Wickramabahus Meinung, dass die indische Kapitalist*innenklasse “fortschrittlicher” sei, da sie säkular sei; eine Einschätzung, die das CWI stets ablehnte. Das CWI lehnte die Unterstützung der NSSP für das Abkommen und die IPKP ab und nach einer langen Debatte wurde die NSSP 1989 von der Mitgliedschaft im CWI ausgeschlossen. Gleichzeitig wurde die Gruppe ehemaliger NSSP-Mitglieder, die sich Wickramabahus Politik widersetzt hatten und später die Vereinigte Sozialistische Partei gründeten, die Mitgliedsorganisation des CWI in Sri Lanka.

Es ist eine Tragödie, dass Wickramabahu sich mit Ranil Wickramasinghe zusammentat, um Kandidat der United National Party zu werden. Wickramabahu präsentierte Ranil Wickramasinghe als einen liberalen kapitalistischen Führer, der die kapitalistische Demokratie schützen würde. In seinem späteren Leben vertrat Wickramabahu andere, nicht-marxistische, “pragmatische” Positionen, die zu einem immer weiteren politischen Niedergang führten. Dennoch sollte die Mission des Genossen Wickramabahu, der in den kostbaren ersten Jahren seines politischen Lebens große Opfer für den Aufbau der linken Bewegung gebracht hat, gewürdigt werden.

Dieser Artikel erschien zuerst am 27. Juli 2024 in englischer Sprache auf www.socialistworld.net

1Dt: Lanka-Partei für gleichberechtigte Gesellschaft, LSSP – Mehr zur Geschichte der LSSP u.a. in diesem Artikel: https://solidaritaet.info/2023/09/sri-lanka-ein-jahr-nach-dem-aufstand/