Sri Lanka: Die Linke und die Präsidentschaftswahlen 2024

Über die politischen Verhältnisse und eine sozialistische Alternative

Einleitung: Am 21. September fanden die Präsidentschaftswahl in Sri Lanka statt. Wir veröffentlichen hier die Übersetzung eines Artikels, der vor den Wahlen am 23. August auf www.socialistworld.net veröffentlicht. Der Kandidat der JVP/NPP, Anura Kumara Dissanayake, konnte sich durchsetzen. Entgegen der internationalen Berichterstattung kann man ihn und seine Partei aber nicht als „marxistisch“ bezeichnen.

Die Vereinigte Sozialistische Partei (USP), die srilankische Sektion des Komitees für eine Arbeiterinternationale (CWI), trat bei den Präsidentschaftswahlen mit Siritunga Jayasuriya an, um eine marxistische Alternative zur Bewältigung der akuten Krise, mit der die Insel derzeit konfrontiert ist, aufzuzeigen. Sie erhielt 8.954 Stimmen.

Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte aus dem Wahlprogramm der USP vorgestellt. Der Artikel gibt auch einen Überblick über die Programme anderer linker Kräfte und erklärt, warum die USP unabhängig antrat.

Die bevorstehenden Wahlen in Sri Lanka sind zu einem entscheidenden Schlachtfeld geworden. Es ist die erste wichtige Wahl seit dem Aragalaya – der Massenbewegung von 2022, die den ehemaligen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa stürzte. Seitdem wird das Präsidentenamt von Ranil Wickremesinghe ausgeübt, einem “Platzhalter”, der nicht einmal direkt ins Parlament gewählt wurde, sondern seine Position als einziges United National Party (UNP)-Mitglied über die nationale Liste erlangte. Er hat die Ausrufung der Wahlen so lange wie möglich hinausgezögert, um genügend Zeit zu haben, sich neu zu formieren und Unterstützung für die fortgesetzte Herrschaft der Elite und der kapitalistischen Vertreter*innen zu gewinnen. Der Ruf des gesamten kapitalistischen Establishments ist durch die Bewegung erschüttert worden.

von TU Senan, Mitglied des Internationalen Sekretariats des CWI

Die so genannte Umschuldung und die weitere Kreditaufnahme beim IWF haben die kapitalistische Propaganda beherrscht, während zusätzliche Kredite und Hilfen verschiedener Länder vorübergehend dazu beigetragen haben, die drohende wirtschaftliche Katastrophe abzuwenden. Doch auch wenn diese Maßnahmen die Krise hinausgezögert haben, wurde keiner der Faktoren, die zum Bankrott des Landes geführt haben, in angemessener Weise angegangen oder gelöst.

Die Wirtschaft Sri Lankas ist eine abhängige Wirtschaft, die stark von ihren wichtigsten kapitalistischen Kreditgebern abhängig ist: China, den Vereinigten Staaten und Indien. Nach dem Ausfall der Rückzahlungen im Mai 2022 ist die Inlandsverschuldung weiter angestiegen. Trotz der Behauptungen von Ranil Wickremesinghe, er sei derjenige, der das Problem lösen wird, ist keine wirkliche Lösung in Sicht – es wurde nichts Neues vorgeschlagen. Die so genannten Umstrukturierungsgespräche laufen in Wirklichkeit auf die Umsetzung weiterer Sparmaßnahmen hinaus – ein neoliberales Programm in Aktion. In Wirklichkeit nimmt die Armut zu: Mehr als 30 Prozent der Bevölkerung, d. h. mehr als sieben Millionen Menschen, sind inzwischen von bitterer Armut betroffen.

Der starke Anstieg der Armut begann vor allem im Jahr 2019 und neue Untersuchungen der Denkfabrik LIRNEasia zeigen, dass fast die Hälfte der Bevölkerung ihre Ernährungsgewohnheiten geändert hat und weniger isst, um ihre Kinder zu versorgen und Geld für den Energiebedarf zu sparen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten keine Ersparnisse, und erschreckende 6 Prozent der Haushalte haben ihre Kinder nicht mehr zur Schule geschickt. Dies ist besonders alarmierend in einem Land, in dem die Bildung der Kinder früher einen hohen Stellenwert hatte und als oberste Priorität galt.

Selbst Wohlfahrtsprogramme wie Samurdhi/Aswesuma, mit denen die Ärmsten unterstützt werden sollen, haben die Bedürftigen nicht erreicht. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich dieser Abwärtstrend umkehren wird. Die von Ranil vorgeschlagene sogenannte “Vision 2025” ist eine von Blindheit umhüllte Vision, die weite Teile der Bevölkerung weiter in die Verzweiflung stürzen wird. In der Zwischenzeit werden die Kreditgeber ihre Zusammenarbeit mit einer kleinen Elite von Kapitalist*innen fortsetzen und dem Schutz ihrer Investitionen und Gewinne Vorrang vor dem Wohlergehen der vielen Menschen einräumen.

Aus Angst vor einem möglichen Wiederaufleben von Massenbewegungen hat die Regierung ihre Repressionen gegen Proteste und Streiks verschärft. Jede Demonstration, die von Student*innen oder Aktivist*innen angeführt wird, wird häufig von der Polizei angefeindet und zuweilen gewaltsam aufgelöst. Nichtsdestotrotz finden im ganzen Land weiterhin verschiedene Proteste und Streikaktionen statt.

Parteien und Kandidaten

Obwohl die etablierten Parteien der Vergangenheit erheblich an Unterstützung verloren haben, bleiben sie an der Macht. Da sie jedoch nicht mehr über die volle Unterstützung verfügen, hat im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen eine Reihe von politischen Manövern begonnen. Von den rekordverdächtigen 39 Kandidat*innen, die ihre Nominierungen eingereicht haben, werden viele als Erfüllungsgehilfen anderer betrachtet, so der ehemalige Wahlkommissar.

Sajith Premadasa, der Kandidat der größten Oppositionspartei, der Samagi Jana Balawegaya (SJB), positioniert sich als zuverlässiger Vertreter der Kapitalist*innenklasse und behauptet gleichzeitig, die Aragalaya-Bewegung zu unterstützen. Als Sohn eines ehemaligen UNP-Präsidenten hat Premadasa zusätzlichen Rückhalt im Muslimkongress und in Teilen der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) gefunden. Die SLFP, die sich in verschiedene Fraktionen aufgespalten hat, ist hin- und hergerissen zwischen der Unterstützung von Premadasa, Rajapaksa oder Wickremesinghe. Inmitten dieser Spaltung verhandelt Premadasa auch mit tamilischen Parteien, um sich deren Unterstützung zu sichern. Angesichts der beträchtlichen Unbeliebtheit sowohl von Ranil Wickremesinghe als auch von Gotabaya Rajapaksa hat sich der Kandidat der SJB als wahrscheinlicher Anwärter auf den Sieg bei den kommenden Wahlen positioniert.

Die ‘Tamil*innenstimme’

Die rechtsgerichteten tamilischen politischen Vertreter*innen sind ebenfalls zersplittert, wobei sich einige Fraktionen zum ersten Mal zusammengeschlossen haben, um einen gemeinsamen tamilischen Kandidaten aufzustellen. In der Vergangenheit haben sich die Tamil National Alliance (TNA) und andere tamilische Führer des rechten Flügels aus dem Norden für eine Annäherung an ihre Gegenstücke im Süden, insbesondere die United National Party (UNP), eingesetzt. Angesichts der weit verbreiteten Unzufriedenheit mit allen etablierten Parteien im Süden hat sich jedoch eine Stimmung für einen Boykott und die Aufstellung eines tamilischen Kandidaten entwickelt.

Trotz dieser Bewegung hat der vorgeschlagene gemeinsame tamilische Kandidat noch kein klares Programm zu wirtschaftlichen Fragen, demokratischen Rechten oder der tamilischen nationalen Frage formuliert. Darüber hinaus bleibt ungewiss, wen sie für die zweite Präferenz nominieren werden, eine zentrale Entscheidung, da keiner der Präsidentschaftskandidaten die für einen Gesamtsieg erforderlichen 50 Prozent + 1 der Stimmen erhalten wird.

Einige Fraktionen innerhalb der TNA könnten immer noch Stimmen für Ranil oder Sajith fordern, während die Sumanthiran-Fraktion den Wunsch geäußert hat, mit tamilischen Parteien im Süden zu verhandeln, um tamilische Stimmen auf sie zu übertragen.

Bei der letzten Wahl hatte Gotabaya Rajapaksa triumphierend erklärt, er brauche keine tamilischen Stimmen, um gewählt zu werden. Dies ist dieses Mal nicht der Fall. Daher könnten die tamilischen Stimmen das Wahlergebnis erheblich beeinflussen. Im Süden findet nun ein unausgesprochener Kampf um die Stimmen der Tamil*innen statt, doch keine der rechtsgerichteten Parteien ist auf die zentralen Forderungen der tamilischen Gemeinschaft eingegangen, geschweige denn hat eine tragfähige Lösung für die nationale Frage angeboten.

Die JVP und die NPP-Koalition

In der Zwischenzeit hat sich die von der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) geführte Koalition der Nationalen Volksmacht (NPP) als Alternative herauskristallisiert, obwohl sie im Massenkampf keine führende Rolle spielt. Ihr Kandidat, Anura Kumara Dissanayake (AKD), lag in den Meinungsumfragen vor Juni in Führung. Es begann jedoch eine Abkehr von der NPP, als die SJB Absprachen mit kleineren Parteien traf und ihre Kampagne als “verlässliche Kraft” intensivierte, die sich für die Fortsetzung der kapitalistischen Politik einsetzt, während sie in ihrem Wahlprogramm auch populistische Maßnahmen ankündigte. Zu diesen Maßnahmen gehörten unter anderem die Annahme der seit langem bestehenden Lohnforderung der Arbeiter*innen in den Bergregionen, die vollständige Umsetzung des 13. Verfassungszusatzes, um die Tamil*innen anzusprechen, und die Einschränkung der Exekutivbefugnisse des Präsidenten.

Obwohl die NPP sich selbst als marxistisch und links bezeichnet, ist es wichtig zu hinterfragen, inwiefern sich ihre Politik tatsächlich in Inhalt und Wirkung von der der rechtsgerichteten SJB unterscheidet. Aufgrund ihres historischen Erbes und ihrer anhaltenden linken Rhetorik hat die JVP/NPP aus den Kämpfen und der Wut der Vergangenheit Kapital geschlagen. Insbesondere die Anti-Korruptionsstimmung hat die Unterstützung für die NPP erhöht, da sie sich als “sauber” präsentiert. Ihr Programm bietet jedoch wenig mehr als “sauberen Kapitalismus”. Die NPP verwendet zwar typische, von kapitalistischen Politiker*innen häufig verwendete Phrasen wie “Chancen für alle Bürger” und “Einführung neuer Technologien, neuer Methoden”, doch fehlen ihr konkrete Lösungen zur Verbesserung der Wirtschaft.

In entscheidenden Fragen wie dem Schuldenmanagement schlägt sie vor, “diplomatisch mit der Gegenseite zusammenzuarbeiten, um die Rückzahlung der Schulden umzustrukturieren und einen Schuldenerlass zu erwirken” – eine ähnliche Position wie die von Ranil, Sajith und anderen kapitalistischen Politikern in Sri Lanka. Die “Gegenseite”, die sie erwähnen, ist der IWF, der auf eine so genannte Umstrukturierung drängt, die faktisch zu einer vorübergehenden Senkung der Zinsen auf die Schulden führt, während die neoliberale Politik umgesetzt wird. Sogar Sajith hat die Umstrukturierung als weniger vorteilhaft im Vergleich zu den Vereinbarungen anderer Länder kritisiert. AKD hat deutlich gemacht, dass er beabsichtigt, mit dem IWF und Ambani zusammenzuarbeiten. Obwohl sie früher Aktivisten als Unterstützer Indiens ins Visier genommen und sogar getötet haben, sind sie jetzt bereit, die Interessen indischer Milliardäre in Sri Lanka zu schützen.

Dieser Wandel zeigt, wie weit sich die JVP von ihrer linken Politik entfernt hat. Der altgediente Kommentator Kumar David hat vorgeschlagen, dass die JVP/NPP nicht als marxistische, sondern als sozialdemokratische Partei bezeichnet werden sollte. Doch selbst diese Charakterisierung könnte angesichts ihres Wahlprogramms eine Übertreibung sein. Sie haben wenig Ähnlichkeit mit den Programmen früherer sozialdemokratischer Parteien. Die NPP sollte nicht mit neuen linken Formationen gleichgesetzt werden, die in Europa und anderswo entstanden sind, wie Syriza und Podemos. Das Programm von Jeremy Corbyn in Großbritannien beispielsweise war wesentlich linker als das der NPP. Das 16-Punkte-Programm der von der LSSP und der SLFP geführten linken Einheitsfront von 1964 war ebenfalls weitaus fortschrittlicher als die leeren Vorschläge, die derzeit angeboten werden, auch wenn sie innerhalb des Kapitalismus arbeiten. Die JVP, die einst für einen “Aufstand” gegen eine frühere sogenannte linke Regierung verantwortlich war, der zur brutalen Unterdrückung und zum Tod Zehntausender Jugendlicher führte, hat seitdem ihre linken Ideale zugunsten einer eher patriotischen, singhalesisch-nationalistischen Haltung aufgegeben.

Die NPP geht nicht auf die Verstaatlichung oder den Schutz des verstaatlichten Gesundheits- und Bildungswesens ein. Statt sich gegen die Privatisierung auszusprechen, schlägt sie vor, “die Qualität und die Gebühren der privaten Bildung zu regulieren”. Sie bleiben sogar hinter den von früheren kapitalistischen Führern wie Premadasa festgelegten Haushaltszuweisungen für das Bildungswesen zurück, indem sie nur eine „schrittweise“ Erhöhung auf 6 Prozent des BIP für das Bildungswesen und lediglich 5 Prozent für das Gesundheitswesen anbieten. Es wird nicht erwähnt, dass die jüngste Gesetzgebung, die Arbeits- und demokratische Rechte untergräbt, rückgängig gemacht werden soll. Zur nationalen Frage der Tamil*innen erklärt die NPP lediglich, sie werde “die srilankische Identität aller Nationalitäten bekräftigen und die Provinzräte zu formellen und effizienten Institutionen machen” sowie einen “Mechanismus zum Schutz der Freiheit und Sicherheit der Bürger, der Unabhängigkeit, territorialen Integrität, Souveränität und Würde des Landes” einführen. Ihre Haltung hat sich seit der Gründung der Patriotischen Bewaffneten Volkstruppen, die für ihre Gewalttaten gegen Gewerkschafter*innen, Sozialist*innen und Tamil*innen bekannt sind, kaum verändert.

Schwache Rechtfertigungen

Trotz der pro-chinesischen Ausrichtung der NPP, die potenziell die kapitalistischen Interessen indischer, westlicher und bestimmter lokaler Kapitalist*innen herausfordert, würde ein Sieg der NPP und ihres Führers AKD keinen Sieg für die Linke bedeuten. Stattdessen könnte er die demokratischen Rechte weiter aushöhlen. Die Vorstellung, dass sich “Sri Lanka rot färbt”, wie es die JVP-Publikationen verkündeten, als die Popularität der NPP stieg, ist irreführend. Die Unterstützung für die NPP deutet nicht auf einen Anstieg marxistischer Ideen hin; vielmehr zieht sie die nationalistische Basis der Rajapaksa-Familie an, die mit der Korruption und den wirtschaftlichen Bedingungen unzufrieden ist. Das Misstrauen gegenüber kapitalistischen Institutionen und Politiker*innen ist weit verbreitet und es herrscht Skepsis gegenüber dem Westen, dem IWF, China und Indien. Einige Jugendliche und kämpferische Arbeiter*innen fühlen sich zu sozialistischen Alternativen hingezogen und sozialistische Ideen sind nicht unpopulär.

Das allgemeine Bewusstsein bleibt jedoch verwirrt, und es ist unwahrscheinlich, dass der Sieg der AKD das sozialistische Bewusstsein stärkt, da die Kapitalist*innen die Unzulänglichkeiten der NPP wahrscheinlich ausnutzen werden, um eine Anti-Links-Stimmung zu verbreiten.

Diejenigen, die die NPP aus der Perspektive des “kleineren Übels” unterstützen, argumentieren, dass eine Niederlage von AKD einen Sieg für Sajith bedeutet, und plädieren daher dafür, die NPP zu wählen, da dies die praktische Wahl sei. Dies spiegelt die kapitalistischen Demokratien weltweit wider, in denen die Wähler*innen innerhalb des kapitalistischen Rahmens nur eine begrenzte Auswahl haben, ähnlich wie bei der Wahl zwischen der Demokratischen Partei in den USA oder der Labour Party in Großbritannien als “kleineres Übel”. Das Problem mit dem “kleineren Übel” ist die Akzeptanz der kapitalistischen Vertretung als einzige Lösung, die den Status quo aufrechterhält und die Stimmen der Arbeiter*innen unterdrückt. Marxist*innen setzen sich dafür ein, mit allen kapitalistischen Fraktionen zu brechen und eine unabhängige Massenpartei für Arbeiter*innen aufzubauen. Obwohl die Verfolgung unmittelbarer, im Kapitalismus erreichbarer Forderungen von entscheidender Bedeutung ist, müssen sich Marxist*innen auch auf die Stärkung der unabhängigen Macht der Arbeiter*innenklasse konzentrieren. Sich auf Abkürzungen zu verlassen, verzögert nur den Fortschritt, während die Arbeiter*innenklasse die aktuelle Situation verändern könnte, wenn sie eine führende Rolle in den Kämpfen übernimmt,.

Frontline Socialist Party

Die Frontline Socialist Party (FSP), die von denjenigen gegründet wurde, die sich von der JVP abgespalten haben, hat eine kleine Koalition namens People’s Struggle Alliance (PSA) gebildet und nimmt an den Wahlen teil. Ihre Kritik an der JVP als singhalesische nationalistische Kraft und ihre Bemühungen, für sozialistische Ideen einzutreten, sind positive Entwicklungen. Obwohl ihr Manifest Einzelheiten dessen enthält, was sie sich als sozialistische Politik vorstellen, wie z.B. die Einrichtung einer verfassungsgebenden Versammlung, die Einführung des Rechts auf Abberufung von Abgeordneten und die Aufhebung drakonischer Gesetze, kommt es in zwei wichtigen Fragen zu kurz: der Wirtschaftspolitik und der nationalen Frage.

Die PSA stimmt zwar darin überein, dass die vom IWF betriebene Politik abgelehnt werden sollte, hält sich aber mit der Forderung nach der vollständigen Nichtbezahlung oder Streichung aller Schulden zurück. Stattdessen schlagen sie vor, mit den Kreditgeber*innen zu verhandeln und die Rückzahlung der Schulden aufzuschieben, bis sich die Wirtschaft erholt hat, wobei ein Teil der Einnahmen schließlich für die Rückzahlung der Schulden verwendet werden soll. Diese Position ähnelt der anderer Kapitalist*innen und der NPP und unterscheidet sich nur geringfügig in Nuancen und Absicht. Die Angst vor internationalen Auswirkungen beeinflusst diese Haltung. Marxist*innen wissen, dass eine radikale Politik, die den Interessen der Arbeiter*innen entspricht, auf den Widerstand der internationalen und regionalen Kapitalist*innen und ihrer lokalen Verbündeten stoßen wird.

Daher ist eine klare Strategie zur Umsetzung dieser Politik von entscheidender Bedeutung. Ein Wirtschaftswachstum auf der Grundlage des Kapitalismus wäre instabil und würde die Bedingungen für Arbeiter*innen, Landwirt*innen, Student*innen und die Armen wahrscheinlich noch verschlechtern. Marxist*innen plädieren für eine alternative Strategie, die die Nichtzahlung oder den vollständigen Erlass von Schulden, Kapitalkontrollen zur Verhinderung des Kapitalabflusses, von den Arbeiter*innen kontrollierte Mechanismen zur Preiskontrolle und Verteilung lebenswichtiger Güter sowie die Verstaatlichung wichtiger Wirtschaftssektoren umfasst. Bildung, Gesundheit, Energie, Verkehr und andere Schlüsselsektoren sollten von von Arbeiter*innen kontrollierten Einrichtungen verwaltet werden, wobei die Subventionen für die Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft erhöht werden sollten.

Diese Vision kann nur durch eine Arbeiter*innenregierung und durch die Solidarität der regionalen und internationalen Arbeiter*innenbewegungen verwirklicht werden. Marxistische Organisationen müssen starke Verbindungen zu internationalen Arbeiter*innengruppen aufbauen, nicht nur passive Verbindungen oder Verbindungen zu pro-kapitalistischen Einrichtungen, sondern eine zentralisierte internationale Arbeiter*innenkoalition, die in jedem Land Einfluss gewinnt. Ein einfaches Bitten um Unterstützung – obwohl auch das wichtig ist – an die Arbeiter*innen wird nicht ausreichen. Auch eine lose Basisverbindung, wie sie die JVP mit der Kommunistischen Partei Indiens (KPI[M]) in Indien hat, wird nicht effektiv sein. Die KPI(M) wird das “nationale Interesse” Indiens nicht in Frage stellen, und die JVP, die verspricht, das “nationale Interesse” Sri Lankas zu verteidigen, wird in Wirklichkeit direkt oder indirekt den Interessen der lokalen Kapitalisten dienen.

Nationale Frage

Die von der FSP geführte People’s Struggle Alliance vertritt ebenfalls eine verworrene Position in der nationalen Frage. Seit ihrer Abspaltung von der JVP hat die FSP ihren Standpunkt in dieser Frage nicht klar formuliert. Zwar hat sie sich von früheren patriotischen Positionen entfernt, aber ihre historische und materialistische Analyse der tamilischen Forderungen nach Abspaltung ist immer noch unzureichend. Sie setzen tamilischen und singhalesischen Nationalismus als Spiegelbilder gleich, ohne den spezifischen Kontext der tamilischen Forderungen in Bezug auf die staatliche Unterdrückung anzuerkennen. Gleichzeitig wird der bewaffnete Kampf der Vergangenheit als Zerstörung von öffentlichem Eigentum und Tötung von Singhales*innen, Tamil*innen und Muslim*innen karikiert. Die abscheulichen Verbrechen des kapitalistischen Staates, die von ihm verursachten Zerstörungen und die chauvinistische Basis, auf die er sich stützte, um das völkermörderische Gemetzel durchzusetzen, werden in keiner Weise erwähnt. Die Forderung der Tamil*innen nach Abspaltung sollte nicht isoliert von der staatlichen Unterdrückung betrachtet oder mit der des singhalesischen Nationalismus gleichgesetzt werden. Marxist*innen, die das Recht auf Selbstbestimmung unterstützen, verteidigen sowohl die Rechte von Minderheiten innerhalb neuer Einheiten, die geschaffen werden, als auch das Argument, dass sie auf einer sozialistischen Grundlage mit einer internationalistischen Perspektive gebildet werden sollten.

Obwohl Marxist*innen den Terrorismus nicht unterstützen, verstehen sie die Ursprünge bewaffneter Kämpfe durch eine objektive Klassenanalyse und erkennen an, dass die Bedingungen, die zu solchen Kämpfen führen, fortbestehen.

Marxist*innen haben sich immer gegen die verschiedenen Fehler und Abenteuer der bewaffneten Gruppen (einschließlich der JVP) gewandt, gegen ihr Fehlen einer weitsichtigen Perspektive und Strategie zur Gewinnung von Massenunterstützung für sozialistische Veränderungen, die die Grundlage für eine Revolution sind. Nationale Bestrebungen erstrecken sich aufgrund der gemeinsamen Unterdrückung über alle Klassen. Selbst wenn pro-kapitalistische oder kleinbürgerliche Teile die Bewegung anführen, müssen Marxist*innen ihre Wurzeln verstehen und die Einheit der Arbeiter*innen gegen alle Formen der Unterdrückung, einschließlich der nationalen Unterdrückung, fördern. Die Anerkennung von Forderungen wie dem Recht der Tamil*innen auf Selbstbestimmung ist entscheidend. Marxist*innen sollten den Aufbau einer unabhängigen Arbeiter*innenbewegung unter den unterdrückten Nationalitäten und die Einheit zur Zerschlagung der unterdrückerischen kapitalistischen Systeme unterstützen. Die Unterstützung der Forderung der unterdrückten Nationen nach Selbstbestimmung wird in der Tat genau die Kapitalist*innen schwächen, gegen die sie kämpfen – und kann mit einem internationalistischen Ansatz die arbeitenden und armen Massen in beiden Nationen (Nationalitäten) im Kampf gegen den Kapitalismus näher zusammenbringen. Ohne diesen Ansatz wird die Losung “Arbeiter der Welt, vereinigt euch” (oder “Arbeiterklassen aller Länder, vereinigt euch”) eine “schändliche Lüge auf unseren Lippen” sein, wie Lenin sagte.

Stattdessen schlägt die People’s Struggle Alliance eine Art “Autonomie” (auf Tamilisch fälschlicherweise “Selbstverwaltung”) vor, die verschiedenen Regionen des Landes besondere Rechte einräumen soll und der Kontrolle der Nationalversammlung unterliegt. Inwiefern unterscheidet sich dieser Vorschlag von dem bereits bestehenden 13. Verfassungszusatz, die den Regionen einige Sonderrechte einräumt, während die wichtigsten Befugnisse (Land, Polizei usw.) beim zentralen Parlament verbleiben? Die Bedeutung der Frage, warum marxistische Parteien die nationalen Gruppen und ihre Probleme anerkennen sollten, wird zwar anerkannt, aber nicht angemessen behandelt. Einige linke Gruppen haben ein Programm, das marxistisch zu sein scheint, bis man sieht, dass sie sich im Namen der Einheit der Arbeiter*innen weigern, das Recht auf Selbstbestimmung zu unterstützen, und somit nicht erkennen, dass diese Forderung ein wesentlicher Bestandteil der Vereinigung von Arbeiter*innen und Jugendlichen im gemeinsamen Kampf ist.

Prinzipielle Einigkeit

Den meisten linken Gruppen in Sri Lanka, mit Ausnahme der United Socialist Party (USP), ist es nach wie vor fremd, eine klassenbezogene Position einzunehmen. Dies mag erklären, warum die People’s Struggle Alliance nicht auf die USP zugegangen ist oder mit ihr verhandelt hat, um ihrer Koalition beizutreten. Trotz der Differenzen unterhält die USP ein freundschaftliches Verhältnis zur FSP und arbeitet in verschiedenen Kämpfen und Foren gegen die anhaltende Unterdrückung zusammen. Die USP und das Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI), mit dem sie verbunden ist, haben sich stets für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen linken Gruppen und die Bildung eines prinzipienfesten Bündnisses auf der Grundlage eines marxistischen Programms und einer marxistischen Strategie eingesetzt. Die USP hat von Anfang an die Parole der Nichtbezahlung von Schulden ausgegeben und setzt sich weiterhin dafür ein. Sie hat für die Einrichtung von betrieblichen und landesweiten Komitees gekämpft, um die Dynamik der Bewegung von 2022 zu nutzen und die Widerstandsbemühungen zu unterstützen. Die Mitglieder der USP haben sich aktiv an dieser Arbeit beteiligt, ohne dabei eine sektiererische Haltung einzunehmen. Viele Mitglieder der People’s Struggle Alliance haben an dieser Arbeit mitgewirkt und hoffen, dass diese Bemühungen auch nach den Präsidentschaftswahlen fortgesetzt werden. Die marxistische Beteiligung an den Wahlen sollte jedoch opportunistische oder “das kleinere Übel”-Positionen vermeiden.

Angesichts der schweren Wirtschaftskrise und der verschärften nationalen Spannungen sollten Marxist*innen keine Kompromisse eingehen, wenn es darum geht, ihre Positionen zu diesen beiden Schlüsselthemen zu formulieren. In verschiedenen Diskussionen ist deutlich geworden, dass es schwierig ist, linke Gruppen um ein wirtschaftliches Sofortprogramm oder die nationale Frage zu vereinen. Die USP hat sich stets für die Rechte der Arbeiter*innen, Bäuer*innen, Armen und Tamil*innen eingesetzt. Als die JVP und ein Großteil der Linken das Rajapaksa-Regime während der Massaker an den Tamil*innen unterstützten, weigerten sich die USP-Mitglieder, dies zu tun und stellten sich stattdessen gegen das Gemetzel und den Krieg. Die USP sieht sich oft isoliert und ist nicht in der Lage, Bündnisse mit der “Linken” in Sri Lanka zu schmieden, weil solche Bündnisse Kompromisse bei den Prinzipien erfordern würden, die sie seit langem hochhält. Diese Situation hat sich nicht verändert.

Siritunga Jayasuriya, eine bekannte Persönlichkeit der Linken, die in der Vergangenheit bei Wahlen für marxistische Programme kandidiert hat, wurde erneut für die kommenden Wahlen nominiert. Trotz begrenzter Mittel will die USP die Wahlplattform nutzen, um für marxistische Positionen zu werben. Dabei geht es nicht nur darum, Stimmen zu gewinnen, sondern auch darum, eine unabhängige Arbeiter*innenorganisation aufzubauen, die bereit ist, sich jeder Offensive gegen die Arbeiter*innenklasse nach den Wahlen zu widersetzen. Die USP ermutigt alle, ihren Protest zu bekunden, indem sie für Siritunga Jayasuriya stimmen und, was noch wichtiger ist, sich am Aufbau einer revolutionären marxistischen Partei und einer Massenpartei der Arbeiter*innen zu beteiligen.