Instabilität und Klassenkämpfe stehen an
Donald Trump wurde erneut gewählt, diesmal als Kandidat mit den meisten Stimmen. Millionen von Menschen in den USA und weltweit sehen mit Besorgnis zu, wie er eine Reihe ultrarechter, ultraloyaler Kandidaten für Schlüsselpositionen in der Regierung ernennt.
von der Redaktion des “The Socialist”, Wochenzeitung der Socialist Party England und Wales
Vor seiner Wahl scherzte Trump darüber, „einen Tag lang Diktator“ zu sein, und viele befürchten, dass seine Präsidentschaft äußerst autoritär und repressiv sein wird.
Und das nicht ohne Grund. Trumps reaktionäre, autoritäre Absichten sind klar. Und mit seiner zunehmenden Dominanz in der Republikanischen Partei, der Kontrolle über den Senat und das Repräsentantenhaus und einem Obersten Gerichtshof, den er während seiner letzten Präsidentschaft in seine Richtung verschoben hat, hat er weniger offizielle Einschränkungen als bei seiner ersten Wahl im Jahr 2016.
Es ist offensichtlich, dass es massiven Widerstand gegen sein Programm geben muss – auch gegen seine Drohungen, Migrant*innen massenhaft abzuschieben. Es wäre jedoch ein schwerer Fehler zu glauben, dass Trump sein Programm vollständig umsetzen kann.
Im Gegenteil, seine Präsidentschaft wird von Krisen im Inland und auf internationaler Ebene geprägt sein. Die anfänglichen Proteste zum Zeitpunkt seiner Amtseinführung werden sicherlich nicht das gleiche Ausmaß wie 2016 erreichen. Aber der Widerstand, dem er sich im Amt gegenübersehen wird, wird weitaus größer sein. Vor allem wird er auf massiven Widerstand der US-amerikanischen Arbeiter*innenklasse stoßen, darunter nicht wenige Arbeiter*innen, die bei dieser Wahl für ihn gestimmt haben.
Zahlreiche Kommentator*innen in der liberalen kapitalistischen Presse haben ihre Verzweiflung darüber zum Ausdruck gebracht, dass Trumps Sieg bedeutet, dass er nun allmächtig sein wird. Doch ein Blick auf Javier Milei, den vor einem Jahr gewählten ultrarechten argentinischen Präsidenten, genügt. Bekannt als „el loco“ – der Verrückte – sahen sich er und seine Regierung mit Generalstreiks und ständiger Massenopposition konfrontiert. Ereignisse dieser Größenordnung stehen auch Trump bevor.
Hier in Großbritannien haben wir bereits Erfahrungen mit einem rechtspopulistischen „Großmaul“ gemacht, der bereit war, kapitalistische Institutionen zu untergraben, eine Wahl gewann, als allmächtig gefeiert wurde, dann aber abstürzte und zerschellte.
Im Jahr 2019 errang der Tory-Vorsitzende Boris Johnson einen erdrutschartigen Sieg bei den Parlamentswahlen und erzielte das beste Wahlergebnis einer Partei seit 1979. Er sicherte der Tory-Partei eine Mehrheit von 80 Sitzen. Aber wir alle wissen, wie diese Geschichte endete.
Johnsons Versprechen, den Brexit zu vollziehen, konnte eine Schicht von Arbeiter*innen in Großbritannien davon überzeugen, den Tories 2019 ihre Stimme zu geben. Aber nur sehr wenige von ihnen wählten bei den diesjährigen Parlamentswahlen die Tories, als die Partei ihr schlechtestes Ergebnis seit zwei Jahrhunderten erzielte. Dies spiegelte eher den Hass auf die Tories wider als die geringste Begeisterung für Keir Starmer und die Labour-Partei. Tatsächlich stimmten 2019, als Jeremy Corbyn Parteivorsitzender war, mehr Menschen für Labour als bei den diesjährigen Parlamentswahlen.
Die Amtsinhaber rausschmeißen
Großbritannien und die USA sind beide Teil eines globalen Trends. In wirtschaftlich entwickelten Ländern, in denen 2024 Parlamentswahlen stattfanden, konnten sich die Amtsinhaber*innen nur in einem von sieben Wahlkämpfen behaupten.
Der Kapitalismus ist ein zunehmend angeschlagenes System, und kapitalistische Regierungen haben sinkende Lebensstandards zugelassen, wofür sie an der Wahlurne abgestraft werden. Dies war der wichtigste Faktor bei dieser Wahl. Die Stimmenauszählung ist noch nicht abgeschlossen, aber aktuell, da dieser Artikel geschrieben wird, ist die Stimmenzahl der Demokraten im Vergleich zu 2020 um etwa 7,2 Millionen gesunken, während die Stimmenzahl von Trump nur um etwa 2,4 Millionen gestiegen ist.
Es war die teuerste Wahl in der Geschichte, bei der Trump und die demokratische Kandidatin Kamala Harris zusammen über 14 Milliarden Dollar ausgaben. Aber die meisten Amerikaner*innen aus der Arbeiter*innenklasse fühlten sich von diesen beiden Kandidat*innen der Wall Street zutiefst entfremdet. Das „Election Lab“ (Wahllabor) an der „University of Florida“ hat berechnet, dass die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2020 zurückgegangen ist und nur 58 Prozent der Erwachsenen im wahlberechtigten Alter an der Wahl teilnahmen.
Dennoch gab es viele Wählende, die – verängstigt durch die Aussicht auf weitere Angriffe auf die reproduktiven Rechte und durch Trumps rassistische Anti-Migrations-Propaganda – ihre Nase rümpften und für Harris stimmten, um Trump zu stoppen.
Auf der anderen Seite hat Trump in seinem Wahlkampf weiter reaktionäre Ideen verbreitet, was er auch im Amt weiterhin tun wird. Sein Sieg bedeutet jedoch nicht, dass seine spaltende rechte Rhetorik von der Mehrheit unterstützt wird. Im Gegenteil: Am selben Tag wie die Präsidentschaftswahlen stimmte in acht Bundesstaaten – fünf davon republikanisch – eine Mehrheit für die Verankerung des Rechts auf Abtreibung im bundesstaatlichen Recht.
Das Hauptmotiv für die meisten Wählenden bei dieser Wahl war die Wirtschaft. Derzeit boomen die US-Aktienmärkte, aber der reale Stundenlohn ist seit 25 Monaten in Folge gesunken.
Während einige sich zweifellos weigerten, Harris zu wählen, um gegen das Massaker in Gaza zu protestieren, war es für die meisten der Rückgang ihres Lebensstandards, der sie dazu trieb, die Demokraten zu bestrafen, indem sie zu Hause blieben oder in einigen Fällen sogar für Trump stimmten. Hätte es eine*n „dritte*n Kandidaten oder Kandidatin“ gegeben, der oder die für ein echtes Programm zugunsten der Arbeiter*innenklasse gestanden hätte, hätte dies die Situation verändert.
Um ein Beispiel zu nennen: Im New Yorker Distrikt 14 stieg die Zahl der Trump-Wählenden von 22 Prozent im Jahr 2020 auf jetzt 33 Prozent. Alexandria Ocasio-Cortez (AOC), die am 5. November wiedergewählte Kongressabgeordnete des Distrikts und Mitglied des „Squad“ auf der linken Seite der Demokraten, fragte die Wählenden, die sie und Trump unterstützt hatten, warum sie dies getan haben. Zu den typischen Antworten gehörten: „Es ist ganz einfach … Trump und Sie kümmern sich um die Arbeiter*innenklasse“ und „Ich habe Trump gewählt, aber ich mag Sie und Bernie [Sanders]. Ich traue den Politiker*innen des Parteiestablishments nicht.“
In Wirklichkeit standen bei dieser Wahl natürlich nur „Establishment-Politiker*innen“ zur Verfügung, und AOC und Sanders setzten sich für Harris ein. Doch obwohl Harris die Präsidentschaftswahl verlor, gewann sie tatsächlich das „Milliardärsrennen“, da 83 von ihnen sie unterstützten, im Vergleich zu nur 52 für Trump. Dies spiegelt die Spaltungen in der US-Kapitalist*innenklasse wider, wobei verschiedene Teile – je nach ihren materiellen Interessen – den/die jeweilige/n Kandidaten/Kandidatin unterstützten.
Dennoch wollten die meisten Mitglieder der herrschenden Klasse der USA, dass Harris gewinnt, da sie die zuverlässigste Vertreterin ihrer Interessen ist. Sie sind beunruhigt über Trumps rücksichtslose Bereitschaft, die bestehenden Institutionen des US-Kapitalismus zu untergraben – sowohl im Inland als auch weltweit. Die endlose Reihe von „Establishment-Persönlichkeiten“, die Harris unterstützten, war ein Faktor, der es Trump ermöglichte, sich lächerlicherweise als Kandidat zu präsentieren, der die „kleinen Leute“ gegen die Eliten verteidigt.
Als er das letzte Mal an der Macht war, senkte Trump die Steuern für die Reichen jedoch so drastisch, dass die 400 reichsten Familien weniger Steuern zahlten als ihre Bediensteten! Seine Absichten sind dieses Mal nicht anders. Gleichzeitig ist Trumps Politik weit davon entfernt, die US-Wirtschaft zu verbessern, und wird die nächste Rezession in den USA und weltweit noch verschärfen.
Zwar hat seine Wahl die Aktien der US-Technologieunternehmen vorübergehend in die Höhe getrieben, da die Märkte bei der Aussicht auf noch höhere Gewinne durch die Abschaffung von Vorschriften in Verzückung geraten. Aber irgendwann wird die Tech-Blase an den US-Aktienmärkten platzen. Einer von zahlreichen möglichen Auslösern für die unvermeidliche nächste Rezession.
Als das Platzen der US-amerikanischen Subprime-Hypothekenblase 2007/2008 die Große Rezession mit all ihren Folgen auslöste, wurde ihr Ausmaß zum Teil dadurch begrenzt, dass der US-Imperialismus bereit war, als Weltbankier zu fungieren und die Konjunkturpakete Chinas von 2008 effektiv zu finanzieren. In der heutigen multipolaren Welt, in der die USA zunehmend Barrieren errichten, um Chinas weitere Entwicklung zu blockieren, bestand bereits keine Aussicht auf eine erneute Zusammenarbeit in diesem Umfang.
Mit Trump im Weißen Haus gilt dies doppelt. Joe Biden hielt an den Zöllen gegen China fest, die Trump in seiner ersten Amtszeit eingeführt hatte, und fügte weitere staatliche Subventionen für die in den USA ansässige verarbeitende Industrie hinzu. Trump wird den Protektionismus weiter verschärfen und versuchen, die Interessen des US-Kapitalismus auf Kosten des Rests der Welt zu verteidigen.
Dies wird keines der Probleme des US-Kapitalismus lösen, da höhere Zölle nur die Kosten der Waren für amerikanische Arbeiter*innen erhöhen. In der Zwischenzeit wird Großbritannien, eine absteigende Macht außerhalb des EU-Handelsblocks, am stärksten betroffen sein. Die prokapitalistische Labour-Regierung unter Keir Starmer wird sich dafür einsetzen, dass die Arbeiter*innenklasse und nicht die Eliten den Preis dafür zahlen.
Selbst wenn die Folgen durch ein heute unmögliches Maß an globaler Zusammenarbeit begrenzt würden: Die Große Rezession hatte verheerende Auswirkungen, von denen sich der Kapitalismus nicht erholt hat. In Großbritannien beispielsweise liegt die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung des BIP im Jahr 2024 um 29 Prozent unter dem Wert, den sie erreicht hätte, wenn sich die Trends vor 2007 fortgesetzt hätten.
Sie hatte auch enorme politische Auswirkungen. Sie hat die Parteien des kapitalistischen Establishments enorm geschwächt.
Trumps Dominanz bei den Republikanern spiegelt dies wider, ebenso wie ähnliche rechtspopulistische und rechtsextreme Phänomene weltweit. Aber sie führte auch dazu, dass eine neue Generation begann, nach einer sozialistischen Alternative zum Kapitalismus zu suchen. Die Unterstützung für Bernie Sanders in den USA und Jeremy Corbyn in Großbritannien waren beides Anzeichen dafür.
Krise und Kampf
Zukünftige Krisen werden weitere seismische Auswirkungen auf das Bewusstsein und die Einstellung der Arbeiter*innenklasse in den USA und Großbritannien haben. Die Arbeiter*innenklasse hat bereits begonnen, als organisierte Kraft wieder auf der Bühne der Geschichte aufzutreten.
Schon in seiner ersten Amtszeit bekam Trump einen Hauch von der Macht der Arbeiter*innenklasse zu spüren, als beispielsweise Sara Nelson, Präsidentin des Verbands der Flugbegleiter*innen, im Januar 2019 zu einem Generalstreik aufrief, um den „Shutdown“ der Bundesregierung zu beenden, durch die etwa eine halbe Million Bundesangestellte ohne Bezahlung blieben.
Dieses Mal ist Trump jedoch in einer Zeit an die Macht gekommen, in der es – wenn auch von einem niedrigen Niveau aus – bereits die meisten Streiks in den USA seit den 1980er Jahren gab. Gewerkschaften sind beliebter als je zuvor in den letzten 60 Jahren.
Angesichts der unvermeidlichen neuen Angriffe auf Löhne, Arbeitsplätze und Lebensbedingungen unter Trump werden wir eine weitere Zunahme von Streiks erleben, neben anderen Kämpfen gegen den Krieg, die Folgen des Klimawandels und für die Rechte von Migrant*innen, Frauen und LGBTQIA.
Wie in Großbritannien besteht jedoch auch in den USA die dringende Notwendigkeit, dass die Arbeiter*innenklasse ihre eigene Partei aufbaut, die in der Lage ist, die verschiedenen Kämpfe um ein gemeinsames Programm zur Beendigung dieses verrotteten kapitalistischen Systems und zum Aufbau einer demokratischen sozialistischen Gesellschaft, die den Bedürfnissen aller gerecht wird, zu vereinen.
In Großbritannien und den USA wird es in der Arbeiter*innenbewegung unweigerlich Kräfte geben, die weiterhin dazu aufrufen, das vermeintlich „kleinere Übel“ zu unterstützen, um Trump und seinesgleichen zu blockieren. Die diesjährige Präsidentschaftswahl in den USA hat deutlich gezeigt, dass dieser Ansatz nicht funktioniert – nur unabhängige Maßnahmen der Arbeiter*innenklasse bieten einen Ausweg.
Dieser Artikel erschien am 21. November 2024 auf www.socialistworld.net