„Maganomics“ und die Folgen

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Über die Wirtschaftspolitik des neuen US-Präsidenten und die Weltwirtschaft

Trump ist zurück im Weißen Haus. Ein Großteil der Welt ist von Angst ergriffen, was seine zweite Amtszeit bedeuten wird, ebenso wie Millionen in Amerika – insbesondere Migrant*innen, LGBTQ+-Personen und andere, die wahrscheinlich am stärksten von seinen Angriffen betroffen sein werden. In Großbritannien ergab eine Meinungsumfrage, dass 54 Prozent der Brit*innen denken, Trump werde schlecht für ihr Land sein, verglichen mit nur 15 Prozent, die denken, er werde gut sein. Eine noch größere Mehrheit der Brit*innen glaubt, er werde schlecht für den Weltfrieden sein.

Editorial aus Socialism Today, Theoriemagazin der Socialist Party in England und Wales (Schwesterpartei der Sol und Sektion des CWI)

Der britische Premierminister Keir Starmer hat unterdessen öffentlich seine „konstruktive“ Beziehung zu Trump betont, ihm für sein Abendessen in New York letztes Jahr freundlich gedankt und sich für ein Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien starkgemacht. Solche warmen Worte für neue US-Präsidenten sind für kapitalistische Regierungen die Norm, wenn sie versuchen, dem Führer der nach wie vor stärksten Weltmacht nahezukommen. Doch kein noch so widerliches Anbiedern wird Trump dazu bringen, einem Handelsabkommen mit Großbritannien Priorität einzuräumen.

Grundsätzlich wird nichts verhindern, dass der britische Kapitalismus besonders anfällig für die negativen Folgen der „Maganomics“ („Make America Great Again“, „Macht Amerika Wieder Groß“ ist der Wahlspruch Trumps, Maganomics heißt die dazugehörige Wirtschaftspolitik, A.d.Ü) ist. Das liegt daran, dass Großbritannien eine schwächere Macht und extrem von ausländischem Kapital abhängig ist und außerhalb eines der großen Handelsblöcke steht. Die Nervosität am Anleihemarkt im Januar und der Rückgang des Pfunds sind ein Vorgeschmack dessen, was uns bevorsteht. Und die Folgen von Trump für Großbritannien werden auch nicht nur wirtschaftlicher Natur sein. Starmers Labour Party hält sich derzeit eng an die traditionelle Linie des britischen Kapitalismus: den US-Imperialismus bei all seinen Verbrechen bis zum Äußersten zu unterstützen. Trump wird in zukünftigen Konflikten genau das fordern, aber massiver Widerstand im Inland und eine multipolare, fragmentierte Welt könnten dies erheblich erschweren. Und natürlich macht Trump kaum oder gar keinen Unterschied zwischen politischen und wirtschaftlichen Konflikten – und hat bereits gezeigt, wie gerne er beispielsweise die Androhung von Zöllen nutzt, um Regierungen in allen möglichen Fragen auf Linie zu bringen.

Trump ist eindeutig ein eigenwilliger Charakter. Als US-Präsident wird er eine große Portion Chaos und Unsicherheit in die Weltbeziehungen bringen. Das allein wird die globalen politischen, aber auch wirtschaftlichen Turbulenzen tendenziell verstärken. Schon vor seinem Amtsantritt hat seine Wahl die Aufregung an den US-Aktienmärkten verstärkt und zur weiteren Bildung riesiger Spekulationsblasen geführt. Insbesondere heizt er aktiv den Wahn um Kryptowährungen an.Trumps Maßnahmen werden das Ausmaß des unvermeidlichen Finanzcrashs vergrößern, sobald dieser eintrifft. Gleichzeitig sind seine Versuche, die US-Schuldenobergrenze abzuschaffen, ein Hinweis auf seinen, selbst aus kapitalistischer Sicht, rücksichtslosen Umgang mit den US-Staatsfinanzenzu einer Zeit, in der die Märkte angesichts des enormen Ausmaßes der Staatsverschuldung in den USA und weltweit äußerst nervös sind. Und auf seine Drohung hin, die Zölle zu erhöhen, hat der IWF gewarnt, dass Trump „die Handelsspannungen verschärfen, Investitionen verringern und Lieferketten auf der ganzen Welt stören könnte“.

Trump reflektiert und beschleunigt

Trotzdem wäre es ein Fehler, die Ära, in die wir eingetreten sind, als Folge eines rücksichtslosen Individuums zu betrachten. Im Gegenteil spiegelt Trumps Wahl den zunehmend instabilen multipolaren Charakter des heutigen globalen Kapitalismus wider und beschleunigt ihn. Die Welt, in der wir jetzt leben, hat mehr mit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gemeinsam als mit allem, was seitdem passiert ist.

Seit den Anfängen des Kapitalismus bestehen Spannungen zwischen Nationalstaat und Weltmarkt. Dies ist einer der grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus, die Marx beschrieben hat. Im 21. Jahrhundert sind die Produktivkräfte weit über die Grenzen der Nationalstaaten hinausgewachsen, aber der Kapitalismus hat sich als unfähig erwiesen, diese Grenzen vollständig zu überwinden. Dies gelang ihm nicht einmal im Zeitalter der Globalisierung in den 90er- und 2000er-Jahren. Heute ist der Nationalstaat wieder zurück auf der Bühne.

Diese Epoche unterscheidet sich deutlich von den beiden vorangegangenen. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, der Ära des Kalten Krieges, dominierte der US-Imperialismus die kapitalistische Welt. Er war in der Lage, einen internationalen Rahmen und internationale Institutionen zu schaffen und die anderen kapitalistischen Mächte in erheblichem Maße zu zwingen, seinen Wünschen nachzukommen. Doch das war – offensichtlich – nicht die ganze Geschichte. Die Weltbeziehungen dieser Zeit waren geprägt vom Systemkonflikt zwischen den Ländern des Westens und den nichtkapitalistischen stalinistischen Staaten des Ostens, die als Gegengewicht zu den von den USA angeführten kapitalistischen Mächten fungierten und gleichzeitig die Tendenz im Westen verstärkten, sich der Linie der USA zu beugen, da der Druck, sich gegen einen gemeinsamen Feind zu vereinen, zunahm.

Als dann Anfang der 1990er Jahre der Stalinismus in Russland und Osteuropa zusammenbrach, wurden die USA zu einer wahren Supermacht, die den Rahmen für die Weltwirtschaft setzen konnte, und China war nun bereit, als Billiglohn-Montagewerk für die westlichen kapitalistischen Mächte zu fungieren. Das war die Ära der von den USA dominierten Globalisierung und des amerikanischen Größenwahns. Der Welthandel nahm massiv zu. In den Jahrzehnten bis zur Großen Rezession 2008 stieg der Welthandel von 39 Prozent des BIP im Jahr 1990 auf 61 Prozent im Jahr 2008, wobei zwei Drittel des Gewinnwachstums (bis 2013) von westlichen Unternehmen eingefahren wurden. Gleichzeitig stellten westliche Kapitalist*innen die Gewinne wieder her, indem sie die Arbeiter*innenklasse zahlen ließen.

Diese Periode der Geschichte – historisch gesehen eine kurze – ist seit einiger Zeit vorbei. Die verheerenden Invasionen und Besetzungen des Irak und Afghanistans haben dem Ansehen und dem inneren Selbstvertrauen des US-Imperialismus schwer geschadet. Dann offenbarte die Große Rezession alle grundlegenden wirtschaftlichen Bruchlinien des Kapitalismus, von denen keine seither überwunden wurde. Die Propaganda, dass der von den USA angeführte „liberale“ Kapitalismus Frieden, Wohlstand und Demokratie für alle bringen würde, war vor 2008 stark untergraben, aber die Große Rezession machte ihr den Garaus. Dennoch war die Reaktion auf die Große Rezession noch immer eine Demonstration der Macht und der globalen Rolle des US-Imperialismus, der als Bankier der Welt fungierte, Chinas Konjunkturpakete von 2008 de facto finanzierte und die immer noch verheerenden Auswirkungen des wirtschaftlichen Abschwungs teilweise begrenzte.

Trumps Wahl macht absolut klar, dass diese Ära vorbei und begraben ist. Die nächste Weltwirtschaftskrise könnte daher weitaus schwerwiegender ausfallen. Während der Großen Depression von 1929 bis 1932 sank die globale Produktion um schätzungsweise 15 Prozent; in den USA sank das Bruttoinlandsprodukt in diesem Zeitraum um 30 Prozent. Die Tiefe dieser Krise wurde jedoch weniger durch den Wall-Street-Crash von 1929 selbst bestimmt als durch die Reaktion darauf. Anders als 2008 schlugen die USA, die Großbritannien inzwischen als stärkste imperialistische Macht abgelöst hatten, einen scharf protektionistischen Kurs ein und verschärften damit die Krise. Das Smoot-Hawley-Zollgesetz von 1930 erhöhte die US-Zölle auf über 20.000 Artikel und löste damit massive globale Vergeltungsmaßnahmen aus. Trump, der „Zölle“ zu seinem Lieblingswort erklärt hat, könnte auf künftige Krisen genauso reagieren.

Trump ohne Tweets

In Wirklichkeit jedoch gab es mit oder ohne Trump keine Aussicht darauf, dass sich der US-Imperialismus in dieser Ära so verhalten würde wie damals 2008. Die protektionistische Wende, die Trump in seiner ersten Amtszeit eingeleitet hatte, wurde unter Biden beibehalten und weiterentwickelt und wird nun unter Trump 2.0 noch einmal verstärkt. Die Lexington-Kolumne des Economist-Magazins vom 16. Januar traf den Nagel auf den Kopf, als sie erklärte, dass „Bidens Amtszeit in den Bereichen Handel, Industriepolitik, Energie, Außenpolitik und sogar Rechtsstaatlichkeit weniger als radikale Abkehr von der Amtszeit Trumps angesehen werden könne, sondern vielmehr als MAGA-light (also als abgeschwächte Version von Trumps Politik [Anm. d. Übers.])“. Weiter heißt es, Biden habe „keine neuen Freihandelsabkommen unterzeichnet und keine Anstrengungen unternommen, die von Barack Obama unterzeichnete Transpazifische Partnerschaft wiederzubeleben, aus der Trump ausgestiegen ist. Biden behielt Trumps Sanktionen gegen China bei und verhängte weitere. Obwohl Biden den Multilateralismus betonte, überrumpelte er Verbündete in dem, was er als Amerikas Interessen ansah“. Der Artikel zitiert einen anonymen französischen Minister, der sagte, Biden sei „Trump ohne Tweets“.

Natürlich gibt es zwischen Trump und seinem Vorgänger mehr Unterschiede als diese, aber sie sind geringer als der Hype es suggeriert. Trump wird Bidens Politik für saubere Energien einschränken, aber in Wirklichkeit hat Biden natürlich Rekordmengen an fossilen Brennstoffen aus dem Boden gefördert. Biden verfolgte rücksichtslos die Interessen des US-Imperialismus, war aber eher geneigt als Trump, dies über die geschwächte bestehende „regelbasierte Ordnung“ zu tun. Dennoch waren dem erhebliche Grenzen gesetzt. So blockierten die USA beispielsweise während Bidens Präsidentschaft die Ernennung neuer Mitglieder des Richtergremiums der Welthandelsorganisation, wodurch dieses nicht beschlussfähig war und Streitigkeiten nicht beilegen konnte. Chinas Beschwerde, dass der US-Inflation Reduction Act (IRA) gegen globale Handelsregeln verstößt, wurde daher nie angehört.

Tatsächlich sind der 890 Milliarden Dollar schwere IRA, der Chips Act und andere Maßnahmen, die unter Biden eingeführt wurden, um in den USA ansässigen Unternehmen staatliche Subventionen zu gewähren, bedeutendere protektionistische Maßnahmen als alles, was während Trumps erster Amtszeit eingeführt wurde. Trump hat gegen Bidens Gesetze gewettert, aber der Economist hat wahrscheinlich recht mit der Vorhersage, dass er nun ‚Grundsteine legen und Bänder durchschneiden’ und sein Name auf ‚Schildern für öffentliche Arbeiten [stehen wird], die durch Bidens Gesetze finanziert werden‘“. Und er könnte noch mehr einführen. Einer von Bidens Abschiedsgrüßen war die Veröffentlichung eines neuen US-Handelsurteils, das zu dem Schluss kommt, dass China „nicht-marktwirtschaftliche Praktiken“ anwendet, um die globale Schifffahrtsindustrie zu dominieren, und dass daher staatliche Subventionen für die US-Schifffahrts-, Logistik- und Schiffsbaubranche erforderlich sind. Ironischerweise wurde das Urteil wahrscheinlich bis vier Tage vor Trumps Amtsantritt verschoben, weil Biden und die für staatliche Subventionen eintretenden Demokraten bezweifelten, ob sie sich auf Maßnahmen einigen könnten, Trump jedoch so herausforderten, die Initiative zu ergreifen.

Druck durch Chinas Aufstieg

Erhöhte Zölle und andere protektionistische Maßnahmen werden die Probleme des globalen Kapitalismus nur verschärfen, doch den Weg der Globalisierung, den der US-Imperialismus zu Beginn dieses Jahrhunderts propagierte, fortzusetzen, liegt nicht mehr in seinem Interesse. Die USA sind nun gezwungen, ihre nationalen Märkte vor ihren Rival:innen, vor allem China, zu schützen. Als China 2001 der Welthandelsorganisation beitrat, war seine Wirtschaft zu Marktwechselkursen kaum ein Zehntel so groß wie die der USA. Selbst zu Beginn der Krise von 2008 betrug sie nur ein Fünftel. Jetzt ist sie auf fast die Hälfte angewachsen. Statt nur eine Montagestätte für den US-Imperialismus zu sein, ist es ein zunehmend mächtigerer Rivale.

Der einzigartige Charakter Chinas, in dem der Staat eine große lenkende Rolle bei der Kapitalverteilung spielt, ermöglichte es dem Land, die Infrastruktur und die Belegschaft für eine qualitativ größere, entwickeltere „Werkbank“ bereitzustellen, als es jedes andere Land hätte schaffen können. Es hat dem Regime jedoch auch ermöglicht, die chinesische Wirtschaft darüber hinauszuentwickeln. Xis „Made in China 2025“-Politik aus dem Jahr 2015 ist ein entschlossener Versuch des chinesischen Staates, sich in der Wertschöpfungskette nach oben zu katapultieren und zehn strategische Sektoren von der nächsten Generation im IT-Sektor bis hin zu landwirtschaftlichen Maschinen zu entwickeln. Dabei wurden Fortschritte erzielt. China ist ein Produktionsgigant, der für fast ein Drittel der weltweiten Produktionsleistung verantwortlich ist, mehr als die neun Länder zusammen mit der nächsthöchsten Produktionsleistung, und das betrifft nicht mehr nur Low-Tech-Güter. China ist heute der weltgrößte Autoexporteur, hat Japan überholt und ist weltweit führend bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen. Gleichzeitig macht Chinas einzigartiger Charakter, in dem der Staat weiterhin eine zentrale Rolle bei der Lenkung der Wirtschaft spielt und ausländisches Kapital nur mit enormen Einschränkungen operieren darf, es zu einem Rivalen, den der US-Kapitalismus nicht nach Belieben ausbeuten kann. China hat fundamentale innere Widersprüche – die zu einem bestimmten Zeitpunkt zu gewaltigen revolutionären Umwälzungen führen werden – doch für den US-Imperialismus stellt China eine wachsende Bedrohung dar. Trumpismus ist das Ergebnis.

Nichts davon soll darauf hindeuten, dass die gegenseitige Abhängigkeit zwischen den USA und China nicht mehr von zentraler Bedeutung für die Weltwirtschaft ist oder dass Trump sich reibungslos in eine Richtung bewegen wird. Im Gegenteil wird sie wahrscheinlich von den Ereignissen dramatisch erschüttert werden. Der Welthandel hat seinen Höchststand von vor 2008 nicht wieder erreicht, ist aber auf einem höheren Niveau geblieben als Anfang der 2000er Jahre oder in jeder früheren Periode der Geschichte. Die Achse USA/China bleibt dabei von zentraler Bedeutung, und im Jahr 2023 betrug das US-Handelsdefizit mit China rund 280 Milliarden Dollar. Das war zwar ein Rückgang – um rund 11Prozent – gegenüber dem beinahe rekordhohen Wert des Vorjahres, aber immer noch enorm. Gleichzeitig hat Chinas Fähigkeit, den Wert seiner Währung niedrig zu halten – insbesondere da der Dollar derzeit sehr stark ist – die Auswirkungen der Zölle bis zu einem gewissen Grad begrenzt.

Trump wird mit widersprüchlichen Zwängen aus verschiedenen Teilen der US-Kapitalist*innenklasse konfrontiert sein, die versuchen, ihn in die Richtung zu lenken, die ihre materiellen Interessen am besten widerspiegelt, darunter auch die Minderheit, die ihn bei der Wahl ins Weiße Haus unterstützt hat. So haben etwa die meisten der „Tech-Bros“, die sich derzeit an Trump schmiegen, Produktionsstätten in China und werden die Zölle begrenzen wollen, nicht zuletzt Elon Musk. Das riesige Tesla-Werk in Shanghai ist für die Hälfte der weltweiten Produktion des Unternehmens verantwortlich. Dennoch ist die allgemeine Richtung klar. Und wo die USA vorangehen, ist der Rest des Westens letztlich gefolgt. Der IWF schätzt, dass im Jahr 2023 weltweit 2.500 neue Maßnahmen in der „Industriepolitik“ eingeführt wurden, von denen er 71 Prozent als „handelsverzerrend“ betrachtet. Im Vergleich dazu gab es im Jahrzehnt zuvor praktisch keine. Er behauptet auch, dass in 74 Prozent der Fälle auf eine Subvention eines bestimmten Produkts in einer großen Volkswirtschaft innerhalb von zwölf Monaten eine Subvention desselben Produkts in einer anderen großen Volkswirtschaft folgt. Im Jahr 2023 verhängten die Regierungen weltweit der Global Sanctions Database zufolge mehr als viermal so häufig Handelssanktionen wie in den 1990er Jahren.

Es lässt sich nicht vorhersagen, wie weit Trump bei der Umsetzung seiner verschiedenen Zolldrohungen gehen wird. Es ist jedoch klar, dass er – obwohl China sein Hauptziel ist – eher als Biden bereit sein wird, aus allen möglichen Gründen mit Zöllen gegen US-„Verbündete“ zu drohen. Dies, zusammen mit seinem Herunterspielen oder sogar Verleugnen der Bedeutung der bestehenden „regelbasierten Ordnung“, kann den multipolaren Charakter der Weltbeziehungen nur beschleunigen. Im Rahmen der Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Kriegs ist er beispielsweise durchaus in der Lage, zu versuchen, Putin in die Umlaufbahn der USA zu bringen und Russland von China wegzuziehen. Gleichzeitig werden verschiedene westliche Mächte nicht Teil eines soliden Wirtschaftsblocks hinter den USA und gegen China sein, insbesondere wenn sie selbst von US-Zöllen betroffen sind. Wir leben nicht in einer Welt zweier klarer Blöcke, sondern in einer Welt zweier Großmächte und aller anderen kapitalistischen Nationen, die versuchen, ihre eigenen Interessen in einem ständig wechselnden Wirbel von Loyalitäten bestmöglich zu verteidigen.

Schwaches Großbritannien

Die Starmer-Regierung ist nicht anders als andere und versucht, die Interessen des britischen Kapitalismus in dieser multipolaren Welt zu verteidigen. Daher kommen die diplomatischen Annäherungsversuche, sowohl mit der EU als auch mit China, um den Handel mit beiden zu steigern. Sie hat jedoch enorme Nachteile. Die jüngsten Turbulenzen auf den Anleihemärkten gaben einen Hinweis auf die möglichen zukünftigen Folgen der Schwäche Großbritanniens. Der Anstieg der Kosten der Staatsschulden (Die Renditen steigen, wenn der Wert der Anleihen sinkt, A.d.Ü.) fand in mehreren großen Volkswirtschaften statt, aber Großbritannien erlitt den größten Anstieg innerhalb der G7. Die Ursache der globalen Turbulenzen war nicht Großbritannien, sondern die Reaktion der Märkte auf die Ereignisse in den USA. Das alte Sprichwort „Wenn die USA niesen, bekommt die Welt die Grippe“ trifft besonders auf Großbritannien zu. Wie die USA ist Großbritannien in hohem Maße von ausländischen Kreditgeber*innen abhängig, aber als weitaus schwächere Volkswirtschaft ohne die globale Reservewährung ist es anfälliger für die Folgen. Im Grunde spiegelte die Nervosität der Märkte ihr mangelndes Vertrauen in die Aussichten des britischen Kapitalismus wider.

Kein Wunder. Die britische Wirtschaft, die älteste kapitalistische Macht der Welt, ist extrem gebrechlich. Seit der Großen Rezession hat sich ihr relativer Niedergang beschleunigt. Im Jahr 2023 war die britische Wirtschaft 22 Prozent kleiner, als sie es gewesen wäre, wenn sich der Trend vor der Großen Rezession fortgesetzt hätte. In den zwölf Jahren nach 2007 wuchs die Arbeitsproduktivität im Vereinigten Königreich nur um 0,4 Prozent pro Jahr, weniger als die Hälfte des Durchschnitts der 25 reichsten OECD-Länder. Seit der Finanzkrise sind die ohnehin niedrigen Unternehmensinvestitionen Großbritanniens weiter gesunken, sodass Großbritannien unter den 38 OECD-Ländern auf dem vorletzten Platz liegt, nur noch vor Griechenland.

Die Fieberträume der Starmer-Regierung, die Staatsfinanzen durch Wirtschaftswachstum zu verbessern, haben nichts mit der Realität zu tun. Starmers jüngster Trick ist, die britische KI-Industrie groß herauszubringen. In Wirklichkeit hat Großbritannien jedoch keinen einzigen Computer unter den 500 leistungsstärksten Computern der Welt. Die britischen Tech-Startups werden in der Regel schnell von den US-amerikanischen Tech-Giganten aufgekauft. Generell wirkt das Versprechen höherer Investitionen und größerer Gewinne wie ein Magnet für britische Unternehmen, die in die USA ziehen. Das vergangene Jahr war das schlechteste für die Londoner Börse seit 2009. Mehr als 88 Unternehmen wurden 2024 von Londons Hauptmarkt zurückgezogen und überwiegend in New York wieder notiert. Der KI-Traum wird wahrscheinlich den gleichen Weg gehen wie die Hoffnung der Labour-Partei vor der Wahl, einen Teil des Marktes für grüne Technologien zu erobern, nur um dann festzustellen, dass China ihn bereits in der Tasche hat.

Viele der Merkmale des britischen Kapitalismus spiegeln heute seine besondere Rolle im Zeitalter der Globalisierung wider. Großbritannien, als schwächere und von den USA abhängige Macht, ging in Sachen Deindustrialisierung, Privatisierung, Deregulierung und völliger Dominanz des – oft ausländischen – Finanzkapitals weiter als viele andere große Volkswirtschaften. Rachel Reeves spiegelte dies im vergangenen November wider, als sie der City of London sagte, dass „Finanzdienstleistungen“ „das Kronjuwel unserer Wirtschaft“ seien. Daher ist das Land besonders schlecht auf diese Ära vorbereitet, in der der Nationalstaat wieder aufblüht. Keine noch so geschickte Diplomatie wird es dem britischen Kapitalismus ermöglichen, beispielsweise engere Handelsbeziehungen mit der EU aufzubauen, indem deren Lebensmittelstandards eingehalten werden, und gleichzeitig ein Handelsabkommen mit Trump abzuschließen, das die Akzeptanz von Chlorhuhn beinhaltet. Der britische Kapitalismus wird mit allen möglichen Dilemmas konfrontiert sein, wobei ihm im Allgemeinen nur verschiedene schlechte Möglichkeiten geboten werden. Starmers derzeitige parlamentarische Mehrheit könnte durch Meinungsverschiedenheiten über den weiteren Weg zerstört werden, wenn es darum geht, zwischen chinesischen Elektrofahrzeugen zu wählen oder angedrohte US-Zölle zu vermeiden, oder durch tausend andere ähnliche Dilemmas.

Aussichten auf Klassenkampf

Großbritannien und die USA sind beide Teil eines globalen Trends. In wirtschaftlich entwickelten Ländern, in denen 2024 Parlamentswahlen stattfanden, konnten die Amtsinhaber*innen nur in einer von sieben Wahlen ihre Stimme halten. Der Kapitalismus ist ein zunehmend kränkelndes System, und kapitalistische Regierungen aller Couleur haben sinkende Lebensstandards zu verantworten, für die sie an der Wahlurne bestraft wurden. Dies war der wichtigste Faktor für die Siege sowohl von Starmer in Großbritannien als auch von Trump in den USA. Keiner von beiden wird in der Lage sein, die Krisen in dem System zu überwinden, das sie verteidigen, und beide werden auf massiven Widerstand stoßen.

Die Proteste am Tag der Amtseinführung fielen in den USA dieses Jahr kleiner aus als 2017, als Trump zum ersten Mal die Wahl gewann. Doch es werden sich möglicherweise sehr schnell bedeutende Kämpfe gegen seine Politik entwickeln, insbesondere wenn er versucht, mit Massenabschiebungen fortzufahren. Es gibt zahlreiche Themen, die Massenbewegungen auslösen könnten, nicht zuletzt Trumps Weigerung, die anhaltenden schrecklichen Folgen des Klimawandels anzuerkennen.

Die größte Wut auf Trump wird sich jedoch über sein Versagen bei der Verbesserung des Lebensstandards der Arbeiter*innenklasse entwickeln. Mehr als 80 Prozent derjenigen, die für ihn gestimmt haben, haben dies aufgrund der Wirtschaftsfrage und seines Versprechens von „guten Arbeitsplätzen und guten Löhnen“ getan. Derzeit sehen die US-Wirtschaftsstatistiken weitaus gesünder aus als die von Deutschland, Frankreich oder Großbritannien – aber die Erfahrungen von „Wall Street“ [Börse, Anm. d. Übers.] und „Main Street“ [reale Wirtschaft, Anm. d. Übers.] sind sehr unterschiedlich. Für große Teile der amerikanischen Arbeiter*innenklasse sind die offiziellen Wachstumszahlen bedeutungslos. Es besteht keinerlei Aussicht, dass sich dies unter Trump ändert. Die Elite mag weitere Steuersenkungen erhalten, aber höhere Zölle werden zu weiteren Preissteigerungen für die bereits unter Druck stehenden US-Arbeiter*innen führen, während die kommende Wirtschaftskrise die von 2008 in den Schatten stellen könnte. Statt „Amerika wieder großzumachen“, wird Trump über zunehmende Krisen und Turbulenzen herrschen. Einige der Arbeiter*innen, die 2024 für Trump gestimmt haben, werden den Kampf gegen ihn in den kommenden Jahren mit anführen.

Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Trump eine Ahnung von der Macht der Arbeiter*innenklasse, als im Januar 2019 Sara Nelson, Präsidentin Association of Flight Attendants [Gewerkschaft der Flugbegleiter*innen, Anm. d. Übers.], zu einem Generalstreik aufrief, um den Shutdown der Bundesregierung zu beenden, der dazu führte, dass rund eine halbe Million Bundesangestellte keine Löhne bekamen. Dieses Mal jedoch kam Trump in einer Zeit an die Macht, in der es – wenn auch von einem niedrigen Niveau aus – bereits die größte Zahl von Streiks sowohl in den USA als auch in Großbritannien seit den 1980er Jahren gab. Gewerkschaften sind trotz ihrer oft schwachen und pro-kapitalistischen Führungen populärer als jemals zuvor in den letzten sechzig Jahren.

Angesichts der unvermeidlichen neuen Angriffe auf Löhne, Arbeitsplätze und Lebensbedingungen unter Trump werden wir eine weitere Zunahme von Streiks erleben, neben anderen Kämpfen gegen Krieg, gegen die Folgen des Klimawandels und zur Verteidigung der Rechte von Migrant*innen, Frauen und LGBTQ+Personen. In der kommenden Zeit könnten beide Länder von Klassenkämpfen in einem noch größeren Ausmaß erschüttert werden als in den Nachkriegsepochen. Das wird es für die Arbeiter*innenklasse – in den USA, Großbritannien und anderswo – notwendig machen, ihre eigenen Parteien aufzubauen, die auf einem Programm des internationalen Sozialismus basieren. Denn dies ist die einzige Art globaler Zusammenarbeit, die es ermöglichen wird, eine Welt zu schaffen, die in der Lage ist, die Bedürfnisse der Menschheit zu erfüllen, frei von Krieg und Klimakatastrophen.