Massenproteste gegen Merz und AfD

Was die letzte Woche bedeutet und welche Aufgaben sich Linke stellen müssen

Die zurückliegende Woche hat Schockwellen durch die Republik gesandt. Der Messerangriff von Aschaffenburg wurde von den großen Medien und einigen Parteien zum Anlass genommen, eine deutliche Rechtsverschiebung in den Wahlkampfdebatten rund um das Thema Migration einzuleiten. Dann ist am Mittwoch auf Initiative der Union zum ersten Mal im Bundestag ein Antrag beschlossen worden, der auf die Stimmen der AfD angewiesen war. Hunderttausende gingen in den letzten Tagen im ganzen Land dagegen auf die Straße. Am Freitag wiederum fehlte der Union überraschend trotz Unterstützung der AfD (sowie der meisten Abgeordneten von FDP und BSW) die Mehrheit für ihren Gesetzesantrag zur weiteren Bekämpfung von Migrant*innen. Die Union hat ihr Verhältnis zur AfD kurz vor der Wahl neu definiert. Das wird letztere nicht schwächen, sondern stärken. Ob die Aktion der Union und Merz schaden wird und wenn ja, wie viel, ist noch nicht absehbar. Die Empörung über die CDU und über das, was in der letzten Woche passiert ist, ist aber unter vielen Menschen zurecht groß.

von Tom Hoffmann, Sol-Bundesleitung

Auslöser dieser Entwicklungen war die Debatte über die Tat von Aschaffenburg – und nicht die Tat selbst, wie wir bereits an anderer Stelle schrieben:

Jede Woche werden in Deutschland drei Kinder getötet (Stand: 2018). Eine solche mediale und politische Aufmerksamkeit wie der Messermord von Aschaffenburg bekommt eine Kindstötung jedoch nur, wenn sie denjenigen, die die öffentliche Aufmerksamkeit gestalten können, politisch in die Agenda passt. Tatsächlich wirkt das Ereignis von Aschaffenburg wie bestellt von CDU/CSU und AfD. Können sie doch auf der Welle berechtigter Empörung, Mitgefühl und Ängsten, die eine solche brutale Tat auslöst, von den drängenden sozialen und ökonomischen Missständen in der Gesellschaft ablenken und den Eindruck erwecken, dass mehr Abschiebungen und weniger Zuwanderung die Lebensqualität und Sicherheit der Mehrheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik verbessern würde. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.“

Zynische Debatte

Debatten nach solchen Gewalttaten gab es in den letzten Monaten und Jahren immer wieder. In der Regel folgten Asylrechtsverschärfungen und Ausweitungen von Überwachungsmöglichkeiten. Weitere Taten wurden dadurch nicht verhindert. Daran beteiligten sich nach dem Anschlag von Solingen alle Parteien im Bundestag mit Ausnahme der Linken: AfD, Union, FDP, SPD, Grüne und BSW.

Diese zynische Dauerschleife wird auf dem Rücken der Opfer abgespielt und muss zurückgewiesen werden. Diese Politik macht die Gesellschaft nicht sicherer, sie schränkt stattdessen Grundrechte ein und bereitet den Boden für mehr Rassismus. Doch das ist nicht das, was gerade in den liberalen Medien oder von SPD und Grünen, die sich in der Vergangenheit an ähnlichen Manövern beteiligt haben, an Kritik vorgetragen wird. Sie stört im Wesentlichen, dass Merz mit der AfD gemeinsame Sache gemacht hat.

Dabei sollten die Beschlüsse bzw. der Gesetzesvorschlag der Union vor allem wegen ihres Inhalts kritisiert werden. Das Asylrecht soll zum Beispiel noch drastischer beschnitten werden als ohnehin schon: In Zukunft sollen Menschen ohne gültige Papiere nicht einreisen dürfen, selbst wenn sie(nach den ohnehin eingeschränkten Regelungen) „schutzbedürftig“ sind oder dies prüfen lassen wollen. Zudem soll die Bundespolizei das Recht erhalten, Haftbefehle gegen ausreisepflichtige Geflüchtete zu beantragen – was bisher keine einzige Polizeibehörde darf. Merz und Co. erklärten, dass sie die Zustimmung zu ihren Plänen zur Bedingung jeder neuen Koalition machen und bereit sind, eine Mehrheit für diese Maßnahmen durch die AfD in Kauf zu nehmen.

Merz’ Strategie

Das geschah nicht aus einer Laune heraus, sondern ist Teil einer Strategie. Merz und Co. gehen nach dem Trommelfeuer in der öffentlichen Debatte der letzten Monate davon aus, dass sie die Unterstützung großer Teile der Bevölkerung für ihre Pläne haben. Sie wollten den Moment nutzen, um schon jetzt maximalen Druck auf die anderen Parteien auszuüben und im Zweifel einen Präzedenzfall für zukünftige Abstimmungen nach den Wahlen schaffen, bei denen man sich auf die AfD stützen kann.

Merz wagt damit eine Neudefinition des Verhältnis der Union zur AfD. Noch vor ein paar Monaten erklärte er, dass er keine (zufällige) Mehrheit mit der AfD wolle und die Unionsfraktion zog den Entwurf zum „Zustrombegrenzungsgesetz“, welches nun am Freitag erneut beantragt wurde, noch aus diesem Grund zurück. Damit offenbart Merz vor allem seinen Opportunismus, aber: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“, sagte ja schon der Namensgeber des Konrad-Adenauer-Hauses.

Aber Merz’ Wortbruch und sein Stützen auf die AfD sollte nicht alleine Empörung hervorrufen, auch wenn es ein gefährlicher Schritt in die Richtung ist, der AfD mehr Einfluss im Staat zu ermöglichen. Das gehört unabhängig vom Inhalt der Fragestellung kritisiert und abgelehnt. Aber Merz hat in einem Recht: Etwas Richtiges, wird nicht dadurch falsch, nur weil die Falschen zustimmen. Was falsch und richtig ist, hängt vom politischen Standpunkt ab. Das Entscheidende ist, dass hier der Inhalt falsch ist – aber nicht nur der Inhalt der Unions-Anträge und AfD-Politik, sondern auch der Politik von FDP und BSW, aber auch von SPD und Grünen.

SPD und Grüne = einig in der Sache

Denn sie alle unterscheiden sich nicht grundlegend darin, was sie als Konsequenz aus Aschaffenburg nun fordern: Mehr Begrenzung von Migration, mehr Angriffe auf die Rechte von Geflüchteten, mehr Befugnisse für die Polizei, mehr Überwachung durch Sicherheitsbehörden usw.

Die Kritik von SPD und Grünen an den Vorschlägen der Union lautet vor allem, dass sie rechtswidrig oder praktisch nicht umsetzbar seien. Das macht sie nicht zu Verteidiger*innen demokratischer Rechte oder von Geflüchteten und Migrant*innen. Die von SPD und Grünen vorgeschlagene Umsetzung der „Gemeinsamen Europäischen Asylsystem“/GEAS-Reform, die unter anderem ermöglicht, Familien und Kinder in geschlossenen Asyl-Zentren in Haft zu nehmen, wird zum Beispiel von Pro Asyl als „größte Asylrechtsverschärfung seit Jahrzehnten“ bezeichnet. In ihrem sogenannten „Sicherheitspaket“, welches nach Solingen entstanden ist und aktuell von der Union als unzureichend blockiert wird, sieht der Chaos Computer Club „die Grundlage für einen ausufernden Überwachungsstaat“.

Brandmauer bestand nie inhaltlich

SPD und Grüne werfen der Union vor allem vor, sie würden die sogenannte „Brandmauer“ gegen die AfD einreißen. Doch diese „Brandmauer“ berührt nur die Frage, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten oder zu koalieren, aber nicht Inhalte der AfD, welche die anderen Parteien in den letzten Jahren übernommen haben. Nach Solingen war es die Ampel-Regierung, die massive Verschärfungen beim Asylrecht vorgenommen hat, die aus jedem AfD-Programm hätten stammen können. Es bestand auch keine inhaltliche „Brandmauer“ im Bundestag zwischen der AfD und den etablierten Parteien als es um die Aufrüstung der Bundeswehr, um die Einschränkung demokratischer Rechte unter dem Banner des Kampfes gegen „Antisemitismus wie zuletzt an den Hochschulen, um Ausweitung von Hartz-IV-Sanktionen oder Sparmaßnahmen in den Haushaltsberatungen ging. Da stimmte man gemeinsam für.

Union und AfD

Empörung über Merz’ Entscheidung, sich für seine Anträge auf AfD-Stimmen zu stützen, ist berechtigt, weil es ein großer Schritt auf dem Weg ist, die AfD in Zukunft öfter für Mehrheiten zu nutzen und „fit“ für Regierungskoalitionen zu machen. Dass solche Schritte kommen mussten, ist gleichzeitig nicht überraschend, wenn man auf andere Länder blickt. Für die etablierten Parteien in Deutschland wird das Regieren angesichts der instabilen politischen Verhältnisse und der AfD immer schwerer. Das gilt nicht nur für die Bundesebene, sondern (unmittelbar mehr noch) für die Länder und Kommunen, wo die AfD zum Teil ja bereits über mehr als ein Drittel der Sitze verfügt.

Triebkraft dieser neuen Haltung ist daher nicht die Stärke der Union, sondern die Angst vor einem weiteren Erstarken der AfD. Das wird durch die internationalen Entwicklungen und die Erfolge rechtspopulistischer Kräfte verstärkt. Es ist kein Zufall, dass zum Beispiel Carsten Linnemann ausdrücklich Donald Trump dafür gelobt hat, wie schnell er seine Wahlversprechen umsetzt und dafür Unterstützung bekommt. Die Union, die trotz ihrer Poleposition in den Umfragen weit von ihren historischen Höchstwerten von zwischen 45 und 50 Prozent entfernt ist, hatte hingegen in den letzten Umfragen leicht Federn gelassen. Merz und Co. sind (anders als der liberale Flügel in der Union) überzeugt, dass sie nur mit einer „harten Linie“ die AfD stellen können.Ohnehin hatte die AfD gedroht, selbst das „Zustrombegrenzungsgesetz“ der Union in den Bundestag einzubringen, was die Union schlecht hätte ablehnen können. So sehr Merz und Co. die Ereignisse der letzten Tage bewusst vorangetrieben haben, sind sie selbst Getriebene. Es ist kein Zufall, dass dieser Schritt so viel Kritik in vielen liberalen Zeitungen, Kirchen, anderen etablierten Parteien bis hinein in die Union selbst geführt hat – wo sich nicht nur mehrere Ministerpräsident*innen und die Ex-Kanzlerin gegen Merz positionierten, sondern auch mehrere Abgeordnete im Parlament ihm die Gefolgschaft verweigerten, woran das „Zustrombegrenzungsgesetz“ mit scheiterte.

Doch es gab auch Lob für Merz, zum Beispiel in mehreren Beiträgen in der FAZ. Zum einen ist das Ausdruck der Zerrissenheit in der herrschenden Klasse über den richtigen Umgang mit den instabilen politischen Verhältnissen und der AfD. So sehr letztere als neoliberale Elitenpartei keine Gefahr für den Kapitalismus an sich darstellt, widerspricht doch einiges im Programm der Rechtspopulisten den Interessen der großen Banken und Konzerne.Ganz ohne Gebrauchswert für das Kapital ist sie aber auch nicht, wenn sie Migrant*innen zu Sündenböcken für die sozialen Probleme macht und das unterstützt, was das Kapital ohnehin von der nächsten Regierung fordert: Steuersenkungen für Banken und Konzerne, massive Kürzungen auf dem Rücken der Arbeitenden und sozial Benachteiligten sowie umfangreiche Militarisierung und Aufrüstung.

Andererseits gehört neben der Infragestellung von EU- und Euro-Mitgliedschaftund der russlandfreundlichen Haltung im Ukraine-Krieg auch die massive Begrenzung der Migration, auf welche das deutsche Kapital angesichts des Arbeitskräftemangels angewiesen ist, zu den Dingen, über die die meisten CEOs und Vorstandschefs ihre Nase rümpfen. Daher ist unmittelbar eine schwarz-blaue Koalition weiter äußerst unwahrscheinlich, wenngleich diese Option durch gemeinsame Abstimmungen langsam vorbereitet wird und auch in der AfD die Kräfte um Alice Weidel versuchen, „Hürden“ zu entfernen.

Dass die Union unter Merz aus politischen Kalkül bereit ist, zur Begrenzung von Migration dauerhafte Grenzkontrollen einzurichten und EU-Recht zu brechen, kann zu weiteren Konflikten mit dem Kapital als auch in der EU selbst führen. Es erschwert auch zukünftige Regierungsbildungen. Das ist der Hintergrund, vor dem sich die Konfliktlinien in der Union abzeichnen.

Massenproteste

Doch die Konfliktlinien sind nicht nur auf die Union beschränkt. Die letzte Woche hat auch die gesellschaftliche Polarisierung erneut zum Ausdruck gebracht. Hunderttausende sind wieder auf die Straße gegangen, um gegen Merz und seine Einbindung der AfD zu demonstrieren. Diese Proteste sind richtig und gleichzeitig muss man sich, trotz ihrer enormen Größe, ihre Grenzen bewusst machen. Wenn sie sich auf eine moralische Empörung gegenüber der Union beschränken und zur Schaubühne von Politiker*innen von SPD, Grünen und sogar von von Merz enttäuschten Ex-CDUlern werden, werden sie ähnlich erfolglos sein, wie die Demos im letzten Jahr. Denn wer den Rechtspopulist*innen und ihrem wachsenden Einfluss etwas entgegensetzen will, darf sich nicht mit jenen gemein machen, deren Politik für ihr Wachstum verantwortlich ist. Diejenigen, die zurecht ihre Wut auf die Straße tragen, müssen sich die Frage stellen, welche Lehren man daraus ziehen muss. Wie wir bereits zum AfD-Bundesparteitag schrieben:

Es war leider vorhersehbar, dass die großen Massenproteste vor einem Jahr ohne nachhaltige Wirkung bleiben würden, weil sich dort eben auch Politiker*innen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen mitunter in die erste Reihe stellen konnten. Das sind die, die Kürzungen in Bund, Ländern und Kommunen beschließen und somit den Notstand im Gesundheitswesen, an Schulen und Universitäten, auf dem Wohnungsmarkt usw. noch verschärfen; die Super-Reiche und Banken und Konzerne schonen; Milliarden in Aufrüstung und Waffenlieferungen stecken… Diejenigen, die aus berechtigter Wut über die unsozialen kapitalistischen Verhältnisse abgegessen sind und für den Kampf gegen die AfD gewonnen werden könnten, wird man nicht im Bündnis mit den Etablierten erreichen. Und man wird auch nicht diejenigen, die den Rechtspopulist*innen auf den Leim gegangen sind, aber die man zurückgewinnen könnte (und muss!), zurückgewinnen.

Das gilt umso mehr, als das Merz’ für sein Agieren Rückhalt in einem deutlich größeren Teil der Bevölkerung hat, als zum Beispiel die AfD für ihre Remigrationspläne, die die letzten großen Anti-AfD-Proteste angestoßen hatten. Das ist vor allem Ergebnis des medialen und politischen Trommelfeuers der letzten Monate, welches Migration zur Hauptursache der meisten sozialen Missstände erklärt und Ängste vor weiterer Zuwanderung geschürt hat.

Neben SPD und Grünen hat auch das BSW daran einen gehörigen Anteil. Die Warnungen, dass diese Partei es nicht damit ernst meint, sich mit den Reichen und Mächtigen und ihren Parteien anzulegen, bestätigen sich. Dass das BSW keine linke Alternative für die arbeitende Bevölkerung ist, zeigt sich nicht nur daran, dass sie das Ablenkungsmanöver „Migrationsdebatte“ vorantreibt. Sie sitzt auch bereits in zwei Landesregierungen mit CDU und SPD, die keinen Zweifel daran lassen, dass sie für Regierungsposten ihre etwas weitergehenden sozialpolitischen Forderungen opfern.

Aufgaben der Linken

Die letzten Tage haben zwar den grundlegenden Wert einer Partei wie der Linken im Bundestag deutlich gemacht. Vielen wird nicht entgangen sein, dass sie die einzige Partei war, die von einer grundsätzlichen Solidarität mit Geflüchteten und der Verteidigung demokratischer Rechte nicht abgewichen ist und sich den anderen in den Weg gestellt hat. Es war eine ihrer Anfragen, die zu Tage gebracht hat, dass die Zahl der Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte im letzten Jahr um fünfzig Fälle angestiegen ist. Der Aufruf von Heidi Reichinnek, jetzt „auf die Barrikaden“ und auf die Demonstrationen zu gehen, war zudem ein frischer Wind des Widerstands. 11.000 Menschen sind in zwei Wochen eingetreten und die Partei verzeichnet so viele Mitglieder wie seit 2010 nicht mehr. Die letzten Tage sind deshalb dringend nötiger Rückenwind für den Wahlkampf um den Einzug in den Bundestag.

Aber die Partei darf trotzdem nicht alte Fehler wiederholen. Es wäre völlig falsch, sich jetzt nur auf Merz einzuschießen. Es wäre das mindeste stattdessen, auf die ebenso rassistische Politik von SPD und Grünen hinzuweisen. Was Die Linke vor allem tun muss, ist sich als die unmissverständliche Opposition und Alternative zu allen anderen Parteien und ihrer Politik aufzustellen. Es waren SPD und Grüne (und FDP), die in den letzten drei Jahren regiert haben, in denen sich die AfD bundesweit in den Umfragen verdoppelt hat. Die Linke muss darauf hinweisen, dass die „Brandmauer“ auch in der Hinsicht nicht funktioniert hat.

Sie muss die falschen Argumente und konstruierten Zusammenhänge zwischen Migration und zunehmender Gewalt und Kriminalität faktenbasiert entkräften. Und sie muss in der Migrationsdebatte mit Argumenten darlegen, warum man keine Migrationsdebatte führen sollte, wenn man mehr Sicherheit für die Bevölkerung will, sondern eine Debatte über Armut, über fehlende Investitionen in Bildung, Gesundheit und bezahlbaren Wohnraum, über Rassismus, Polizei- und Behördenschikane. Appelle an SPD und Grüne, die für all das mitverantwortlich sind, gehen daher in die falsche Richtung.

Nötig ist eine politische Kraft, die darauf hinweist, dass die Arbeiter*innenklasse nach dem Motto „Teile und Herrsche“ entlang nationaler Linien gespalten werden soll und die Geflüchteten zu Sündenböcken gemacht werden, um von den wirklichen Problemen und ihren Verursacher*innen abgelenkt werden sollen. Kein Geflüchteter schließt Krankenhäuser, keine Migrantin baut gerade zehntausende Arbeitsplätze in der Industrie ab! Und Friedrich Merz will nicht nur Migrant*innen das Leben zur Hölle machen, sondern auch die Arbeitszeitgesetzgebung angreifen und massive Kürzungen für alle durchsetzen! Das sind Folgen eines auf Profit getrimmten kapitalistischen Systems und politischer Entscheidungen. Doch wenn wir hier unten – ob Migrant*in oder hier Geborene*r – uns die Köpfe einschlagen, sind die da oben, die für diese Missstände verantwortlich sind, zufrieden und können munter weiter machen.

Es braucht gemeinsame Kämpfe!

Besonders dringend brauchen wir den gemeinsamen Kampf gegen diese Missstände: um sie zu beseitigen und um Rassismus zurückzudrängen. Hätten wir heute Erzwingungsstreiks der IG-Metall gegen den Arbeitsplatzabbau bei Volkswagen und in anderen Industriebetrieben, würde das Thema Migration die öffentliche Debatte nicht so sehr dominieren. Denn wenn es solche Kämpfe gibt, werden die wirklichen Probleme und Trennlinien in der Gesellschaft offengelegt, geht es auch in der öffentlichen Debatte wieder um die brennenden sozialen Fragen und vor allem erkennen Menschen in solchen Auseinandersetzungen, dass sie unabhängig von ihrer Herkunft dasselbe Interesse haben – nach einer bezahlbaren Wohnung, einem auskömmlichen Lohn, einem sicheren Arbeitsplatz usw. Umso wichtiger ist es, dass zum Beispiel ver.di die aktuellen Tarifrunden zum Ausgangspunkt für eine gesellschaftspolitische Bewegung macht und zum Beispiel auch zu Kundgebungen und Demonstrationen aufruft, die sich gegen rassistische Spaltung und für mehr Geld für Bildung, Gesundheit, Wohnen und Klimaschutz statt Kürzungen aussprechen.

Dieser politischen Aufgabe müssen sich Gewerkschaften und Linke annehmen, als jene Organisationen, die den Anspruch haben, die arbeitende Bevölkerung zu vertreten.

Nach den Wahlen wird Widerstand gegen die neue Regierung dringend nötig sein. Sollte Friedrich Merz Kanzler werden, spricht alles dafür, dass auch SPD oder Grüne sich der Juniorpartnerschaft nicht verwehren werden. Diese Regierung wird früher oder später versuchen, massive Angriffe auf den Lebensstandard und die Rechte der Lohnabhängigen und Armen durchzusetzen. Dagegen brauchen wir eine Brandmauer des Widerstands von unten und von links – eine Massenbewegung, die Kürzungen zurückschlägt und erkämpfte, demokratische und betriebliche Rechte verteidigt, aber auch höhere Löhne, Rettung aller Arbeitsplätze und mehr Geld für Krankenhäuser, Schulen, Kitas und die öffentliche Daseinsvorsorge fordert. Das Geld dafür liegt bei den Super-Reichen, Banken und Konzernen! Solch eine Bewegung könnte deutlich machen, dass die da unten sich nicht entlang von Herkunft oder Nationalität spalten lassen dürfen, wenn die da oben die Axt anlegen. Sie könnte auch einen Raum dafür schaffen, über eine grundsätzliche sozialistische Alternative zu dieser Politik und diesem kapitalistischen System zu diskutieren und wie man diese erkämpfen kann. Daraus könnte eine politische Kraft entstehen, mit der man auch die AfD wieder kleinkriegt.