Wirtschaft demokratisch planen

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Die Alternative zum kapitalistischen Chaos

Insolvenzen, Stellenabbau und Entlassungen: Die Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise. Die bürgerlichen Parteien haben dieses Thema deshalb zu einer zentralen Frage des Wahlkampfs erklärt und versuchen, Lösungen zu finden. Dabei geht es ihnen aber vor allem darum, die Gewinne der Konzerne zu sichern. Sie stellen den Kapitalismus nicht in Frage. Doch gibt es wirklich keine Alternative zu diesem System, das von einer Krise zur nächsten führt?

von Max Klinkner, Mainz

Der Kapitalismus basiert auf Privateigentum an Produktionsmitteln, das bedeutet, dass diejenigen, die die Unternehmen besitzen, auch letztlich über die Produktion bestimmen und sich die Gewinne einverleiben. Die Triebfedern sind die Konkurrenz der Konzerne, aber auch der Nationen untereinander und das Erzielen von Profit. Wenn sich ein Konzern am Markt durchsetzt, heißt das auch immer, dass es Verlierer geben muss, die im Konkurrenzkampf unterliegen. Dabei setzt sich nicht, wie oft behauptet, einfach das “beste“ Produkt durch, sondern wer am schnellsten und billigsten produzieren kann oder am skrupellosesten vorgeht.

Die negativen Konsequenzen dieses Systems tragen dabei nicht die Kapitalist*innen, sondern die Arbeiter*innen, die in Krisenzeiten auf Löhne verzichten sollen oder gleich ganz ihren Job verlieren. Gleichzeitig führt Kapitalismus auch zu Kriegen um Ressourcen und Absatzmärkte und zur voranschreitenden Zerstörung der Umwelt, wodurch unsere Existenzgrundlage vernichtet wird.

Die Krise der Autoindustrie

Die Krise der Autoindustrie macht das deutlich. Der Markt ist gesättigt und hunderttausende PKWs stehen unverkauft herum. Daran ändert auch keine Umorientierung auf die eine oder andere Antriebstechnologie etwas. Auch in den USA und China gibt es riesige Autofriedhöfe. Es wird jedem einleuchten, dass es Grenzen für den Bedarf an Autos gibt. Die Kapitalist*innen reagieren darauf, indem sie Löhne senken und Stellen abbauen.

Ein Ausweg im Interesse der Beschäftigten wäre eine Verstaatlichung der Konzerne unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung, um diese dem Profitzwang zu entziehen und die Produktion umzustellen. Alternativ könnten effizientere und klimafreundliche Verkehrsmittel wie Züge und Straßenbahnen gebaut und die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich gesenkt werden.

Grenzen von Reformen

Der Kapitalismus führt zu sozialer Ungleichheit. Zehn Prozent der deutschen Haushalte besitzen heute sechzig Prozent des Gesamtvermögens, 141 Familien gehört gut die Hälfte des Aktienvermögens. Die daraus erwachsene Macht wird die kapitalistische Elite nicht freiwillig abgeben. Deswegen reicht beispielsweise eine höhere Besteuerung von Reichtum allein nicht aus – gegen sie würde das Kapital mit Produktionsverlagerung und anderen Mitteln vorgehen. Auch mehr verstaatlichte Unternehmen im Rahmen des Kapitalismus würden in einem Konkurrenzverhältnis zum Rest der Wirtschaft stehen und von Bürokrat*innen gemanagt werden. Die Herrschaft des Profits würde durch die Hintertür wieder hereinkommen.

Demokratische Planwirtschaft

Dauerhafte Veränderungen kann es nur geben, wenn das System des Kapitalismus in seiner Gesamtheit überwunden wird. Alle Banken und Konzerne sollten in demokratisches Gemeineigentum überführt werden und Entschädigung nur bei erwiesener Bedürftigkeit bzw. an Kleinaktionär*innen gezahlt werden. Anstatt den Profitinteressen von einigen Wenigen zu dienen, könnte die Produktion so nach den realen Bedürfnissen von allen Menschen und der Umwelt geplant werden. Das würde massive Überproduktion und die Herstellung unnötiger und schädlicher Produkte verhindern. Ein sinkender Bedarf würde nicht zu Entlassungen, sondern zu geringerer Arbeitszeit und Freisetzung neuer Kapazitäten für andere Tätigkeiten führen.

Demokratie statt Bürokratie

Es ist ein Märchen der Kapitalist*innen, dass die Sowjetunion, DDR und andere stalinistische Staaten an der Planwirtschaft gescheitert seien. Diese hatte die Transformation Russlands von einem weitgehenden Agrarstaat hin zu einer hochindustrialisierten Gesellschaft erst möglich gemacht, in der Hunger und Analphabetismus abgeschafft waren. Das Problem lag in der Isolation der Revolution und der dann entstehenden Herrschaft einer monströsen Bürokratie unter Stalin mit eigenen Machtinteressen, die sie über die Bedürfnisse der Mehrheit stellte. Eine Planwirtschaft braucht die demokratische Kontrolle und Verwaltung durch die Masse der Arbeiter*innen selbst, die ihre Bedürfnisse kennen, und muss letztlich weltweit organisiert werden.

Gesellschaftliche Planung

Planung gibt es bereits im Kapitalismus. So ist es zum Beispiel kein Zufall, wie viele Waren in einem Supermarkt angeboten werden. Allerdings bedeutet der Konkurrenzkampf, dass Konzerne gegeneinander planen, weil jeder Supermarkt für sich das Maximum an Profit generieren will. Die Folge davon: 18 Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jährlich im Müll. In einer sozialistischen Wirtschaft würden die enormen technischen Möglichkeiten genutzt, um nach dem realem Bedarf zu planen. Die Planung würde auf allen Ebenen durch die arbeitende Bevölkerung erarbeitet, kontrolliert und wenn nötig angepasst – nach dem Motto: So zentral wie nötig, so dezentral wie möglich. Demokratische Diskussionen sowie jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit, Rechenschaftspflicht, Durchschnittslohn und das Verbot von Privilegien für Funktionsträger*innen würden eine Bürokratisierung verhindern. Indem der gesellschaftliche Reichtum allen zugutekommt, die Arbeitszeit reduziert wird und massive Investitionen in Bildung, Gesundheit, Wohnraum usw. getätigt werden, würden die Voraussetzungen für echte Demokratie geschaffen und Krisen der Vergangenheit angehören.

Umgang mit Krisen und enormes Potenzial

Am drängendsten zeigt sich die Notwendigkeit einer Planwirtschaft bei der Eindämmung der Folgen des Klimawandels. Dort auf die Veränderungen des Marktes zu warten, wäre selbstmörderisch, haben die großen Konzerne doch längst gezeigt, dass sie ihre Profitinteressen immer über die der Umwelt stellen werden. Alleine 100 Konzerne sind für 70 Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich. Daher ist es auch alternativlos, genau dort anzusetzen: bei der Produktion. 

Auf Umweltkatastrophen, Pandemien und andere Notlagen könnte in einer Planwirtschaft deutlich schneller reagiert werden. Statt dass sich mit der Not die Taschen vollgemacht werden, könnte der reale Bedarf an Hilfsgütern, Medikamenten etc. durch Anpassung der Produktion schnell zur Verfügung gestellt werden. 

Überflüssige und schädliche Produktion, wie Waffen und Werbung könnten ganz gestrichen, sowie die Masse an in der Funktion exakt gleichen Konkurrenzprodukten drastisch reduziert werden. Dadurch würden viele Ressourcen gespart und viel Arbeitskraft in schönere und sinnvollere Tätigkeiten gesteckt werden. Außerdem wird im Kapitalismus gezielt gegen uns als Käufer*innen geplant, denn ein Produkt, dass ein Leben lang hält und leicht repariert werden kann, ist für die Kapitalist*innen ein schlechtes Produkt. Deswegen versehen sie Ladekabel mit Sollbruchstellen oder bauen den Akku in Handys fest ein. An all dem hat die arbeitende Bevölkerung kein Interesse. Wenn eine hohe Gewinnspanne nicht mehr das Ziel ist, sondern besonders langlebige und nützliche Produkte, würde dies ein enormes Potenzial freisetzen. Wenn die arbeitende Bevölkerung selbst demokratisch über die Produktion bestimmt, würde wohl niemand auf die Idee kommen, giftiges Kinderspielzeug oder Wegwerfartikel zu produzieren.