Die nächste digitale Revolution?

Künstliche Intelligenz und die Folgen für die Arbeiter*innenklasse

Die Fähigkeiten von ChatGPT, DALL-E oder ähnlichen generativen KIs haben sicherlich viele Menschen erstaunt. Doch nur weil eine Maschine scheinbar wie ein Mensch Texte, Bilder oder Videos erzeugen kann, bedeutet es nicht, dass sie wie ein Mensch denkt. Was können wir von den neuen Technologien der künstlichen Intelligenz erwarten? 

von Aleksandra Setsumei, Aachen

Als Künstliche Intelligenz (KI) werden Programme bezeichnet, die ohne konkrete menschliche Programmierung eigenständig Probleme lösen können. Viele KI-Ansätze basieren auf dem maschinellen Lernen, bei dem Programme mithilfe von Datensätzen „trainiert“ werden. Dieser Paradigmenwechsel bringt enormes Potenzial. Nun müssen Programmierer*innen nicht mehr alles von Grund auf implementieren, sondern konzentrieren sich auf den Lernalgorithmus – und ermöglichen dem Programm selbst zu „lernen“. 

Während Technologien des maschinellen Lernens wie die künstlichen neuronalen Netze (ANNs), die die Grundlage für viele heutige KIs bilden, zweifellos vieles ermöglichen, setzen sie auch der Entwicklung klare Grenzen. ANNs können keine neuen Inhalte produzieren, kennen keine Kreativität und kein kritisches Denken. Sie können nur Muster in den Inhalten, auf denen sie trainiert wurden, erkennen und reproduzieren. Das liegt daran, dass sie die Welt nicht wie Menschen wahrnehmen und verstehen, sondern nur ein mathematisches Modell sind. Das Bewundernswerte an der Entwicklung ist, dass sie so erstaunliche Resultate wie ChatGPT und Co. erzielen können. Das bedeutet jedoch nicht, dass Computer nun menschenähnlich werden, sondern dass sie bestimmte Aspekte menschlichen Handelns recht gut imitieren können. 

Folgen für die Arbeiter*innenklasse

Trotz der offensichtlichen technologischen Begrenzungen überschlagen sich bürgerliche Ökonom*innen gegenseitig mit Erwartungen über den baldigen Beitrag der KIs zum Wirtschaftswachstum. Schätzungen von bis zu über 15 Billionen US-Dollar sind im Gespräch, was etwa einem Siebtel des globalen Bruttoinlandprodukts entspricht. Auf der anderen Seite wird vor einer möglichen Welle von Arbeitsplatzverlusten gewarnt. Goldman Sachs schätzt beispielsweise, dass alleine in den USA und Europa bis zu 300 Millionen Stellen durch Einsatz der KIs bedroht sind. 

In welchem Ausmaß die Kapitalist*innen KI einsetzen werden, um Arbeitsplätze zu vernichten oder ob sich letztlich herausstellen wird, dass der Einsatz menschlicher Arbeitskraft in vielen Bereichen profitabler bleibt, ist nicht genau vorherzusehen. Die vor einigen Jahren getätigten Prognosen von komplett automatisierten, menschenlosen Produktionshallen, den sogenannten Smart Factories, haben sich bisher jedenfalls als übertrieben herausgestellt und die Beschäftigung ist in den USA zwischen 2013 und 2022 sogar um 15 Millionen Lohnabhängige gestiegen. Das bedeutet nicht, dass die neuen Technologien keinen Einfluss auf Wirtschaft und Arbeit haben werden. Wir können davon ausgehen, dass dort, wo es möglich ist, die KIs eingesetzt werden, um die Arbeit zu intensivieren, Arbeitskräfte zu ersetzen oder Berufe wie Softwareentwicklung abzuwerten. Nichtsdestotrotz müssen wir die kapitalistische Propaganda zurückweisen, wonach sehr bald Arbeiter*innen zu einem großen Teil durch Maschinen ersetzt werden können. Diese Zukunftsfantasien werden als Druckmittel gegen die Arbeiter*innen verwendet, um ihre Verhandlungsposition zu schwächen. 

Wer kontrolliert die Technologie? 

Derzeit befindet sich die Kontrolle weitgehend in den Händen von wenigen Unternehmen, die in dem Bereich führend sind. Und das ist problematisch, da KIs mit bekannten Herausforderungen zu kämpfen haben. Dazu gehört das Problem der Vorurteile: Wenn eine KI auf der Grundlage von rassistischen, sexistischen oder ähnlichen Daten trainiert wird, wird sie diese Vorurteile reproduzieren. Hier wird die Schwäche des maschinellen Lernens deutlich – die Programme setzen sich nicht kritisch mit den Trainingsdaten auseinander, sondern spiegeln sie einfach wider.

Darüber hinaus gibt es das Problem der „Black Box“: Die Muster, die die Maschinen erkennen, sind oft so komplex, dass sie von Menschen nur schwer nachvollzogen werden können. Dies wirft Fragen nach systematischer Qualitätskontrolle auf, ebenso wie die Frage, wer für die Fehler der KIs zu haften hat. In der bürgerlichen Debatte fällt oft der Begriff des “TÜVs“ für KIs. Wir fordern stattdessen die Offenlegung der Quellcodes und Transparenz darüber, mit welchen Daten die Programme trainiert wurden. Dies ermöglicht zwar nicht, das Blackbox-Problem zu lösen, gibt aber Programmierer*innen weltweit die Möglichkeit, potenzielle Schwachstellen einzuschätzen. 

Und jetzt?

Auch wenn die Fortschritte in der KI uns nicht in eine Cyberpunk-Zukunft befördern, tragen sie zweifellos zur Produktivitätssteigerungen in bestimmten Bereichen bei. Im Kapitalismus wird jeder solcher Fortschritt verwendet, um Gewinne zu maximieren. Wir stellen uns nicht gegen neue Technologien, sondern wollen, dass sie im Interesse der Vielen statt der Wenigen eingesetzt werden. Hierzu ist eine breite Diskussion notwendig. Auf gesellschaftlicher und betrieblicher Ebene sollte darüber gesprochen werden, wo der Einsatz welcher Technologien sinnvoll ist. Sie sollten dort eingesetzt werden, wo sie die Arbeit effizienter, leichter, besser oder angenehmer machen. Dabei darf kein Arbeitsplatz verloren gehen. Wenn im Anschluss weniger Arbeitszeit für die gleichen Aufgaben notwendig ist, fordern wir eine entsprechende Arbeitszeitverkürzung bei vollen Lohn- und Personalausgleich. Unternehmen, die behaupten, sich das nicht leisten zu können, sollen ihre Bilanzen offenlegen, und Unternehmen, die KI-Technologien zur Arbeitsplatzvernichtung verwenden sollten verstaatlicht werden. Doch letztendlich kann nur die Überführung der Produktion in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle dem Profitmotiv hinter Einführung neuer Technologien den Garaus machen. 

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