Türkei im Aufruhr

Foto: Studierendenproteste vor dem Beyazıt-Platz in Istanbul, - Mellonsapka, https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Beyaz%C4%B1t_Meydan%C4%B1.jpg CC BY 4.0

Solidarität mit der Massenbewegung gegen Erdoğans autoritäres Regime

Schluss mit den Angriffen auf demokratische Rechte!

Bekämpft die Preissteigerungen und werft Erdoğan raus!

Kämpft für eine sozialistische Alternative der Arbeiter*innenklasse!

Der wichtigste politische Rivale des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu, wurde am 19. März wegen angeblicher Korruptionsvorwürfe verhaftet. Die Verhaftung erfolgte wenige Tage bevor die größte Oppositionspartei, die Republikanische Volkspartei (CHP), İmamoğlu als ihren Kandidaten für die nächsten Präsidentschaftswahlen bekannt geben wollte.

Text eines Flugblatts der Socialist Party in England und Wales

Trotz des Demonstrationsverbots und anderer Einschränkungen haben sich Studierende und junge Menschen an Universitäten und auf den Straßen organisiert und heldenhaft gegen die Polizeigewalt gekämpft. Die Proteste breiteten sich schnell auf viele Städte in der Türkei aus, aber die größten Proteste finden in Istanbul und Ankara statt.

Mitglieder des Revolutionären Arbeiter*innenbund-Konföderation (DISK) und des Bundes der Gewerkschaften Öffentlicher Bediensteter (KESK) nahmen ebenfalls an den Protesten teil.

Junge Menschen und die Arbeiter*innenklasse haben genug von den ständigen Angriffen auf demokratische Rechte, der grassierenden Korruption, der Unterdrückung und der Verschlechterung des Lebensstandards. Sie sehen keine Zukunft für sich.

Bisher waren Universitätsstudierende, Schüler*innen und junge Menschen im Allgemeinen die treibende Kraft der Bewegung.

Der jüngste Angriff auf İmamoğlu folgt auf eine Reihe von Verhaftungen von Gewerkschafter*innen, Oppositionsaktivist*innen, Studierenden und sogar einem Astrologen!

Diese Angriffe auf demokratische Rechte erfolgen jedoch nicht aus einer Position der Stärke, sondern der Schwäche. Das von der Regierung umgesetzte Sparprogramm mit brutalen Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben hat die Bevölkerung getroffen und zur wachsenden Unbeliebtheit Erdoğans beigetragen.

Die magere Erhöhung der Mindestlöhne zu Beginn des neuen Jahres, während die Superreichen Milliarden scheffeln, hat gezeigt, auf wessen Seite Erdoğan wirklich steht. Sicherlich nicht auf der Seite der Arbeiter*innen.

Erdoğan versucht, alle Gegner einzuschüchtern und setzt alles in seiner Macht Stehende ein, einschließlich der Justiz und der Polizei, um die Opposition zu ersticken und den Massenprotesten in der ganzen Türkei ein Ende zu setzen. Bei den Protesten wurden bisher Hunderte verhaftet und viele, viele wurden durch Pfefferspray, Gummigeschosse und Polizeiknüppel schwer verletzt.

Erdoğans größte Angst ist derzeit, dass die Proteste auf die Betriebe übergreifen und weite Teile der Arbeiterklasse mitreißen, die ein Ende der Angriffe auf demokratische Rechte und den Lebensstandard fordern.

Die Popularität der CHP

İmamoğlu Popularität war bereits im Steigen begriffen, da er als wichtigster Herausforderer von Erdoğans zunehmend autoritärem Regime gilt. Einige der Sozialmaßnahmen, die er in Istanbul einführte, wie die „Stadtrestaurants“ für Menschen mit niedrigem Einkommen, trugen zu seiner wachsenden Beliebtheit bei.

Die CHP organisiert nun Kundgebungen zur Verteidigung von İmamoğlu, hauptsächlich vor dem Istanbuler Rathaus. Aber wie die Jugendlichen, die an diesen Kundgebungen teilnehmen, betonen, geht es bei der Bewegung nicht nur um die Verhaftung von İmamoğlu, sondern auch um Unterdrückung, den sich verschlechternden Lebensstandard und fehlende Zukunftsperspektiven für junge Menschen.

Tatsächlich herrscht Misstrauen gegenüber der Führung der CHP angesichts der Frage, ob sie die Bewegung bremsen wird. Die Bewegung steht offiziell unter der Führung der CHP, aber die treibende Kraft hinter den Ereignissen ist die Jugend. Sie versucht, die CHP zu einer kämpferischeren Haltung zu zwingen.

Die Bewegung kann noch weiter gehen und die Grundfesten von Erdoğans Regime und des Kapitalismus selbst erschüttern, wenn es ihr gelingt, die Angriffe auf demokratische Rechte mit wirtschaftlichen Fragen zu verknüpfen.

Diese Proteste sind die größten seit der Gezi-Park-Bewegung im Jahr 2013, als Millionen von Menschen auf die Straße gingen und den Gezi-Park vor dem Abriss bewahrten. Diese heldenhafte Bewegung hätte noch weiter gehen können, wenn die Arbeiter*innenklasse mit ihren eigenen demokratischen Massenorganisationen, einschließlich einer Massenpartei der Arbeiter*innen, an der Spitze der Bewegung gestanden hätte.

Aber seit der Gezi-Park-Bewegung stellt sich die CHP als einzige Hoffnung dar, Erdoğan loszuwerden. Offensichtlich hat dieser Ansatz nicht funktioniert und Erdoğan konnte mit weiteren Angriffen auf demokratische Rechte davonkommen. Wie Erdoğan hat auch die CHP keine Antwort auf die Probleme der Arbeiterklasse und der jungen Menschen, da auch sie die Interessen des Großkapitals verteidigt.

Es ist dringend notwendig, dass alle Gewerkschaften, Sozialist*innen und Studierendenorganisationen eine Einheitsfront bilden und eine Alternative für die Arbeiter*innenklasse mit einem klaren Programm anbieten.

Ein sozialistisches Programm für demokratische Rechte sowie für Arbeitsplätze, Wohnraum und Dienstleistungen für alle könnte Millionen weitere Lohnabhängige auf die Straße bringen, um in einem demokratischen Massenkampf gegen Erdoğans Regime zu kämpfen.

Die Bildung demokratisch organisierter Aktionskomitees, die über die nächsten Schritte der Bewegung entscheiden, wäre eine entscheidende Entwicklung. Schon jetzt wächst der Druck junger Menschen auf die Gewerkschaften, einen Generalstreik zu organisieren. Jeder Schritt zur Organisierung der Arbeiter*innenbewegung und der Arbeiter*innenklasse im Allgemeinen würde die Situation noch explosiver machen und das Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeiter*innenklasse verändern.

Eine solche Einheitsfront der Arbeiter*innen, die aus diesem Kampf hervorgeht und mit einem politischen Programm ausgestattet ist, könnte Erdoğan stürzen und eine sozialistische Alternative bieten; sie könnte dafür kämpfen, die Banken und andere große Unternehmen, die die Wirtschaft dominieren, wie die Textil- und Stahlindustrie, unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse zu bringen, die Gesellschaft im Sinne der Arbeiter*innenklasse zu planen und eine menschenwürdige Zukunft für alle zu sichern.