
Linke und Gewerkschaften müssen Gegenwehr vorbereiten
Die genauen Inhalte des Koalitionsvertrags zwischen der Union und der SPD sind zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels noch nicht bekannt. Doch Koalitionsverträge sind ohnehin oft bloße Absichtserklärungen. Entscheidend ist nicht unbedingt, was unmittelbar im Koalitionsvertrag steht, sondern der Druck, dem die neue Bundesregierung vom ersten Tag an ausgesetzt sein wird. Und dieser wird auf einen Kanzler Friedrich Merz immens sein – vor allem seitens des Kapitals. Denn die Wirtschaftsbosse erwarten von ihm klare Signale: Senkung der Lohnkosten, Steuererleichterungen für Unternehmen und eine allgemeine Verbesserung ihrer Profitbedingungen. Das vorgestellte Sondierungspapier gibt erste Anzeichen dafür, wo die Reise hingeht.
von Caspar Loettgers, Berlin
Die anhaltende Wirtschaftskrise hat Deutschland wieder zum “kranken Mann Europas” gemacht. Rückgang der Wirtschaftsleistung im dritten Jahr, hohe Energiepreise und eine Krise der Industrie sorgen für Panik in den Chefetagen der Konzerne. Die Bundesregierung unter Merz wird versuchen, Deutschland durch drastische “Reformen” wieder auf Kurs zu bringen. Diese “Reformen” bedeuten vor allem eines: Angriffe auf Arbeiter*innenrechte und Sozialleistungen im Sinne der Banken und Konzerne.
Der genaue Zeitpunkt solcher Angriffe ist schwer vorherzusehen. Union und SPD könnten versuchen, diese hinauszuzögern, um sich Zeit zu verschaffen oder scheibchenweise vorzugehen, um Widerstand zu erschweren. Andererseits spricht die Tatsache, dass erst wieder 2026 Wahlen anstehen, dafür, dass sie schnell ans Eingemachte gehen könnten.
Bürgergeld
Ein erster Angriffspunkt wird das Bürgergeld sein. Die CDU hat bereits vor der Wahl lautstark gefordert, das Bürgergeld zu kürzen oder gar in seiner jetzigen Form abzuschaffen. Im Sondierungspapier wird die komplette Leistungskürzung für sogenannte Arbeitsverweigerer gefordert, die eine verschwindend geringe Zahl ausmachen und wovon vor allem Menschen mit gesundheitlichen und anderen Problemen betroffen sein werden. Es ist zu erwarten, dass die wenigen Verbesserungen seit der Einführung des Bürgergeld hinfällig sein werden. Dies hätte gravierende Folgen: Wer arbeitslos wird, steht vor einer existenziellen Bedrohung. Diese Unsicherheit trifft nicht nur Arbeitslose, sondern auch alle, die in einem schlecht bezahlten oder unsicheren Job arbeiten. Die Drohung, ins Bürgergeld abzurutschen, erhöht den Druck auf die Beschäftigten, schlechte Arbeitsbedingungen zu akzeptieren und Lohnkürzungen hinzunehmen. Gewerkschaften werden es in Tarifkämpfen schwerer haben, Lohnerhöhungen durchzusetzen, wenn die Angst vor Arbeitslosigkeit ständig im Raum steht.
Verlängerte Arbeitszeiten
Seit Jahren versucht die Wirtschaftslobby, die Arbeitszeiten zu verlängern. Eine Regierung unter Merz dürfte diesem Druck nachgeben. Die gesetzliche Höchstarbeitszeit von maximal zehn Stunden am Tag, soll umgewandelt werden in eine maximale Wochenarbeitszeit.Das wird es erleichtern, Arbeiter*innen Zwölfstunden-Schichten schieben zu lassen und den Arbeitsdruck zu erhöhen. Die Argumentation wird wie immer lauten: “Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben.” Dabei wäre gerade eine radikale Arbeitszeitverkürzung nötig, um Arbeitsdruck abzubauen und Arbeitsplätze zu schaffen – natürlich ohne Lohnverlust und bei Personalausgleich.
Militarisierung
Ein weiteres Feld, auf dem Merz durchgreifen wird, ist die Militarisierung. Begründet wird die Aufrüstung mit der instabilen Weltlage und der “Landesverteidigung”. Doch im Kern geht es darum, die wirtschaftliche Macht Deutschlands, militärisch zu untermauern und deutsche Konzerninteressen weltweit zu verteidigen. Denn Deutschland gilt schon lange als “wirtschaftlicher Riese, aber militärischer Zwerg”. Ein Beispiel dafür sind die neuen F-125 Fregatten, die darauf ausgelegt sind, überall in der Welt eingesetzt zu werden, also nicht nur in der Ostsee rum schippern sollen, aber Milliarden kosten. Doch diese Milliarden werden langfristig nur finanziert werden können, wenn an anderer Stelle gekürzt wird: im Gesundheitswesen, in der Bildung und im Sozialen.
Asylrecht
Die Maßnahmen der Regierung werden zweifelsfrei flankiert mit einer neuen Welle rassistischer Angriffe auf das Asylrecht, das in den letzten Jahrzehnten schon ausgehöhlt wurde. Im Sondierungspapier werden verstärkte Abschiebungen, das Aussetzen des Familiennachzugs und Abweisungen an den deutschen Außengrenzen festgehalten. Dabei setzen Union und SPD das staatliche Ablenkungsmanöver der Ampel-Regierung fort. Denn mehr Abschiebungen werden nicht zu mehr Sicherheit oder auch mehr Geld für Soziales führen. Im Gegenteil wird dadurch Rassismus weiter geschürt und so ein gemeinsamer von unten Widerstand erschwert.
Instabile Regierung
Obwohl Merz alles tut, um als “Macher” gesehen zu werden, sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese “GroKo” die kleinste und wahrscheinlich instabilste in der Geschichte der Bundesrepublik ist. Auch wenn die SPD zu allen Schweinereien bereit ist, sind auch in der Regierung die Zentrifugalkräfte groß. Druck auf diese Regierung kann die Risse zwischen den Parteien schnell zum Vorschein bringen, insbesondere in der Frage, wann und in welcher Form soziale Angriffe geführt werden sollen.
Was tun?
Die Linke, Gewerkschaften und soziale Bewegungen müssen sich von Anfang an auf harte Auseinandersetzungen einstellen. Sollte es zu Angriffen von oben kommen, müssen unmittelbar Proteste und Streiks organisiert werden. Gleichzeitig sollte nicht erst gewartet werden, bis es zu spät ist. Mitglieder der Sol kämpfen jetzt schon mit der Initiative “Wir schlagen Alarm“ für Vorbereitungen durch die Gewerkschaftsführung auf kommende Angriffe.
Mehr Infos unter https://www.wir-schlagen-alarm.de/