Streikrecht verteidigen!

Es ist höchste Zeit, den Angriffen von oben entschlossen entgegenzutreten

In Zeiten globaler Krisen, Kürzungen und Angriffen auf Lohnfortzahlung und Arbeitszeit ist Streik eine unserer letzten Waffen. Doch genau deshalb und um uns „kriegstüchtig“ zu machen, wird auf Streikende Druck gemacht. Ob durch Gesetze, Gerichtsurteile oder politische (Medien-)Kampagnen gegen angeblich „unverhältnismäßige“ Arbeitskämpfe – kollektive Arbeitsniederlegungen sollen weiter eingeschränkt werden. Zuletzt forderte das im März der Arbeitgeberverband Gesamtmetall in der Bundespressekonferenz.

von Alexandra Arnsburg, ver.di-Aktive in Berlin

In Deutschland, das laut dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut als „streikarm“ gilt, wird das Streikrecht seit Jahren untergraben. Mit dem Tarifeinheitsgesetz wurden kleinere, oft auch kämpferischere Gewerkschaften isoliert – ein direkter Eingriff in gewerkschaftliche Organisierung und die Selbstbestimmung der Beschäftigten.
Nun fordern konservative Parteien und Wirtschaftsverbände „klare Regeln“ und „Verhältnismäßigkeit“ für Streiks in der Infrastruktur. Das ist eine Drohung: Die Streikfähigkeit von Beschäftigten im Gesundheitswesen, im Verkehr oder bei der Bildung soll massiv eingeschränkt werden! Als ob es diesen Menschen nicht zusteht, für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen das einzige Mittel zu nutzen, was ihnen bleibt – die Arbeitsniederlegung.

Die sogenannte Verhältnismäßigkeit

„Verhältnismäßigkeit“ – hängt als Damoklesschwert bereits über jedem Streikaufruf. Gemeint ist damit aber: Arbeiter*innen sollen prekäre Bedingungen ruhig ertragen. Doch auch Pflegekräfte, Erzieher*innen, Lokführer*innen oder Flughafenbeschäftigte müssen durch Arbeitsniederlegungen ihre Interessen durchsetzen. Denn genau darum geht es im Streik: um die Fähigkeit, die eigenen Klasseninteressen durchzusetzen – und nicht einfach nur zu bitten.

Wer die Möglichkeiten für Streik schwächen will, möchte nicht der Allgemeinheit einen Gefallen tun, sondern schützt die Profite der Konzerne und die politische Ruhe im Interesse der Herrschenden. Gerade jetzt, wo die Lebenshaltungskosten explodieren und Reallöhne sinken, wäre ein umfassendes Streikrecht nicht Luxus oder Egoismus, sondern lebensnotwendig.

Internationaler Angriff

Der Angriff auf das Streikrecht ist international. In Frankreich versucht die Regierung, Proteste gegen Rentenkürzungen mit Polizeigewalt zu beenden. In Großbritannien wurden im vergangenen Jahr Gesetze verabschiedet, die Mindestarbeitsleistungen und Ankündigungsfristen bei einem Streik vorschreiben. In vielen Ländern werden Gewerkschaften oder Arbeitsniederlegungen offen kriminalisiert.

Das zeigt: Während die Reichen immer reicher und mächtiger werden, sollen die Arbeiter*innen stillhalten. Unsere Antwort darauf kann nur sein: gemeinsame Proteste und der Aufbau kämpferischer, unabhängiger Gewerkschaften über alle Grenzen hinweg.

Streikrecht ist Menschenrecht

Das Streikrecht ist im Grundrecht mit der Koalitionsfreiheit verankert. Es ist der Ausdruck der kollektiven Stärke der Arbeiter*innenklasse, die alles am Laufen hält. Es ist ein Mittel, um reale Verbesserungen zu erkämpfen und Ausdruck dessen, dass Ausbeutung nicht einfach hingenommen wird. Deshalb dürfen wir keine Kompromisse im Namen des sogenannten gesellschaftlichen Friedens akzeptieren.

Für eine Ausweitung des Streikrechts

Wir brauchen nicht weniger Rechte, sondern mehr: Das Recht auf politischen Streik, auf Generalstreik, auf Solidaritätsstreik und wir müssen mit diesen Mitteln auch unser Streikrecht verteidigen. All das ist in Deutschland faktisch verboten – in dieser angeblichen Demokratie. Wir brauchen keine in das System eingehegten Gewerkschaften, sondern demokratische Kampforganisationen.  Das gesprochene Recht steht hier immer mehr auf der Seite der Besitzenden. So wurde in Berlin den Kita-Beschäftigten letztes Jahr der Streik untersagt und den CFM-Beschäftigten Notdienste über dem Normalbetrieb aufgezwungen. Auch bei Lokführenden, Beamt*innen oder spontan Streikenden bei Mercedes oder beim Lieferdienst Gorilla wurden Streiks in den letzten Jahren für unrechtmäßig erklärt, um nur einige zu nennen.

Damit muss Schluss sein! Verteidigen wir das Streikrecht gegen jeden Angriff! Bauen wir starke, klassenkämpferische Gewerkschaften auf, die nicht nur das Bestehende verteidigen oder immer wieder nachgeben, sondern sich auf die kommenden Angriffe vorbereiten. Darüber hinaus brauchen wir in den Gewerkschaften ein Programm, wie wir eine Welt erkämpfen, in der nicht nach Profiten, sondern Bedürfnissen entschieden wird – in der nicht Streiks verboten sind, sondern Ausbeutung.