„Frauen, Widerstand, Revolution“

Der Manifest-Verlag veröffentlicht Sheila Rowbothams Klassiker

Das erstmals 1972 erschienene Buch behandelt die Rolle von Frauen in Widerstand und Revolutionen, vom Mittelalter bis zur Entstehung des Kapitalismus und der Epoche des Imperialismus.

Von Maria Loettgers, Hamburg

Widerstand von Frauen beginnt nicht immer mit bewusster politischer Organisierung oder feministischer Theorie. 1917 waren es Textilarbeiterinnen in Petrograd, die mit ihrem Streik gegen Hunger und Krieg die Februarrevolution auslösten. Vor der Französischen Revolution 1789 waren es Frauen, die gegen die Brotpreise auf die Straße gingen. Sie stellten zunächst ökonomische Forderungen, welche keine langfristige Organisierung voraussetzten, sie waren auch nicht ‘feministisch’. Im Laufe der Revolution änderte sich das.

Rowbotham zeigt, dass Frauenbewegungen keine einheitlichen Bewegungen darstellen. Wie Frauen sich organisierten und welche Räume des Widerstands entstanden, war stets Ausdruck spezifischer gesellschaftlicher und nationaler Gegebenheiten.

In Europa entwickelte sich im Kapitalismus parallel zur Arbeiter*innenklasse das Bürgertum. Das Buch arbeitet diese Klassenpaltung und Auseinandersetzungen innerhalb der Frauenbewegung und Gewerkschaften heraus. 

In den Kolonien, wo der Kapitalismus nicht die gleiche Entwicklung nahm, war die Situation eine andere: Bürgerlicher Nationalismus bot den meisten Frauen keine Alternative. Die Bourgeoisie war zu schwach und ihre Ideale zu weit von deren Lebensrealität entfernt. Erst wenn nationale Befreiungsbewegungen einen revolutionären Charakter annahmen – sich gegen das herrschende koloniale und kapitalistische System richteten – konnte auch die Frauenfrage ernsthaft behandelt werden.

Marxismus und Feminismus

Rowbotham vertritt „ein kontinuierliches Bestreben, Feminismus mit sozialistischer Revolution zu verbinden.“ So habe der Marxismus, wie er sich in den 1840er Jahren entwickelte, einen entscheidenden Beitrag zur theoretischen Fundierung der Frauenbewegung geleistet.

Sie zeigt auch, was geschieht, wenn die Frage der Frauenbefreiung nicht im Zusammenhang mit allgemeinen Fragen der Klassengesellschaft gestellt werden. Frauen in Algerien waren Teil des Kampfes gegen den französischen Kolonialismus. Doch mit der Unabhängigkeit endete ihre spezifische Unterdrückung nicht. Frauen machten die Erfahrung, dass es unmöglich war, sich von der geschlechtsspezifischen Unterdrückung zu befreien, wenn die alten Kolonisatoren nur durch neue Machthaber ersetzt werden und sich die Klassenstruktur der Gesellschaft nicht ändert.

Heute, unter Bundeskanzler Merz und dem Einfluss erstarkender rechtspopulistischer Kräfte weltweit, spitzt sich die Lage für viele Frauen und Arbeiter*innen zu. Altersarmut und Teilzeitarbeit betreffen Frauen überproportional. Den Acht-Stunden-Tag, der auch für Frauen eine historische Errungenschaft ist, will Merz nun abschaffen.

Die Lehren für heute

Wir erleben gleichzeitig die Rückkehr eines liberalen Feminismus, der sich vor allem auf individuelle Selbstermächtigung oder Karriereförderung konzentriert. Angesichts allgemeiner Unsicherheit wirkt der Rückzug in reaktionäre oder konservative Vorstellungen von Geschlechterrollen auf manche attraktiv. 

Die Idee, feministische Forderungen getrennt von anderen sozialen Kämpfen aufzustellen, ist nicht neu, stellt aber, wie Rowbotham schreibt, letztlich eine zutiefst liberale, utopische Illusion dar: „Viele Frauen in der Frauenbewegung sind keine Revolutionärinnen. Aber die Forderungen, die sie für ihre eigene Verbesserung stellen, erfordern eine so grundlegende Veränderung […], dass sie ohne Revolution gar nicht denkbar sind.“

Forderungen wie gleiche Bezahlung oder das Recht auf körperliche Selbstbestimmung werden dauerhaft nur erreichbar sein, wenn sie als Teil eines größeren, kollektiven Kampfes gegen den Kapitalismus formuliert werden.

Heute, wie historisch, setzt das Aufkommen des liberalen Feminismus Sozialist*innen vor die Aufgabe, „sich mit der Problematik auseinanderzusetzen und ihren eigenen Ansatz […] zu präzisieren.“ Es gilt, die historischen Lehren im Kampf gegen Kapitalismus und Sexismus anzuwenden.