
Dokumentiert: #Endbadgovernance-Bewegung, Staat Lagos, Presseerklärung
Dies ist der Text einer Pressekonferenz, die von der #EndBadGovernance-Bewegung, dem Staat Lagos und zivilgesellschaftlichen Organisationen am Donnerstag, den 29. Mai 2025 im Internationalen Pressezentrum (IPC), Ogba, Lagos, abgehalten wurde. An dieser Bewegung ist auch das Democratic Socialist Movement, die Schwesterorganisation der Sol in Nigeria beteiligt.
Eine Bilanz der letzten zwei Jahre unter Präsident Tinubus Regierung, die von Hunger, Not und Schmerz geprägt war, und der Weg nach vorn für die nigerianischen Massen
Diese Pressekonferenz wurde einberufen, aus Anlass des zweiten Jahrestages der Regierung von Präsident Bola Ahmed Tinubu. Heute, am 29. Mai 2025, ist es zwei Jahre her, dass Präsident Bola Ahmed Tinubu als Präsident der Bundesrepublik Nigeria an die Macht kam. Heute ist es auch zwei Jahre her, dass er bei seiner Amtseinführung am 29. Mai 2023 auf dem Eagle Square in Abuja erklärte: „Die Subventionen sind vorbei“.
Wie hat sich die Lebensqualität der durchschnittlichen nigerianischen Person in der Zeit zwischen damals und heute verändert? Wie hat sich die Regierung von Präsident Bola Ahmed Tinubu im Hinblick auf das sozioökonomische Wohlergehen der nigerianischen Bevölkerung sowie im Hinblick auf die Versprechen des Präsidenten während und nach den allgemeinen Wahlen 2023 behauptet? Auf diese und viele andere Fragen wollen wir Antworten finden, indem wir gemeinsam über die Ergebnisse dieses Regimes in den letzten zwei Jahren reflektieren und Bilanz ziehen.
Zwei Jahre Hunger, Not und Schmerz
Wir müssen ohne Umschweife sagen, dass die vergangenen zwei Jahre der Regierung von Präsident Tinubu für die Masse der nigerianischen Bevölkerung eine Katastrophe waren. Die armutsfeindlichen und neoliberalen Reformen des Regimes haben zu einer Zerstörung der Lebensgrundlagen und der Wirtschaft in einem bisher ungeahnten Ausmaß geführt.
So liegt beispielsweise der Benzinpreis, den Tinubu bei seinem Amtsantritt am 29. Mai 2023 auf 197 Naira (Währung Nigerias, Anm. d. Übers.) pro Liter festgesetzt hatte, heute bei 800 Naira bis 900 Naira pro Liter – ein leichter Rückgang gegenüber dem Höchststand von rund 1.100 Naira pro Liter im vergangenen Jahr. Die Naira hat ebenfalls stark an Wert verloren, von 463 N/$1 Anfang Mai 2023 auf fast 1600 N/$1 im April 2025. Im gleichen Zeitraum stieg die Gesamtinflationsrate von 23 Prozent im April 2023 auf 35 Prozent im Dezember 2024 – der höchste Wert der letzten drei Jahrzehnte!
Im gleichen Zeitraum sind die Lebensmittelpreise um mehr als achtzig Prozent höher als zum Zeitpunkt der Wahl, die Fahrpreise für Überlandreisen stiegen um 403,5 Prozent, die Flugpreise um durchschnittlich 280,7 Prozent, und die Fahrpreise für die Schifffahrt stiegen in den letzten zwei Jahren um 148,8 Prozent. Einem Bericht der Zeitung Business Day zufolge geben drei von zehn Arbeitnehmer*innen mehr als zwanzig Prozent ihres Gehalts für Transportkosten aus, während über fünfzig Prozent der Nigerianer*innen fast ihr gesamtes Einkommen allein für Lebensmittel ausgeben. Einige Familien müssen sogar ohne Essen auskommen, da sie sich nicht einmal drei anständige Mahlzeiten innerhalb von 24 Stunden leisten können.
Wirtschaftliche Zerstörung
Ein weiteres Ergebnis von Tinubus zweijähriger Präsidentschaft ist die Erstickung der nationalen Wirtschaft aufgrund der negativen Auswirkungen der Abschaffung der Ölsubventionen und der Abwertung der Naira. Am stärksten betroffen ist das verarbeitende Gewerbe, dessen Beitrag zum BIP von 8,42 Prozent im dritten Quartal 2023 auf 8,21 Prozent im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres zurückging. Die Wachstumsrate des Sektors hat sich aufgrund der schwächeren Verbrauchernachfrage, der steigenden Produktionskosten und der sinkenden Kaufkraft ebenfalls verlangsamt.
Derzeit sind mehrere multinationale Unternehmen gezwungen, ihren Standort aus dem Land zu verlegen, während andere ihre Geschäfte schließen. Einem Bericht der Manufacturer Association of Nigeria (MAN) zufolge wurde für das Jahr 2024 im Vergleich zu 2023 ein Anstieg der unverkauften Lagerbestände um 87,5 Prozent in Höhe von 2,14 Billionen Naira verzeichnet.
Außerdem wurde mehr als die Hälfte des gesamten nigerianischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den letzten zwei Jahren, in denen Tinubu an die Macht kam, vernichtet. Auch wenn die in Naira berechnete Variante ein Bild des Wachstums vermittelt, ist das Bruttoinlandsprodukt des Landes in US-Dollar tatsächlich von 363,82 Milliarden im Jahr 2023 auf 188,27 Milliarden im Jahr 2025 gesunken. Ebenso ist das nigerianische Pro-Kopf-BIP von 2200 Dollar im Jahr 2022 auf 835 Dollar im Jahr 2025 gesunken, was zeigt, wie sehr Tinubus Reformen die Massen belastet haben.
Diktatorische Regierung
Unter Tinubu müssen wir feststellen, dass die Nigerianer*innen mehr oder weniger wie versklavte Bürger*innen leben. Alle von der Verfassung garantierten Rechte und Freiheiten, die in der Vergangenheit den Kampf gegen die Militärherrschaft und für die Demokratie motiviert haben, wurden von der Regierung Tinubu vollständig abgeschafft. Der zivile Raum ist so weit geschrumpft, dass die Nigerianer*innen nicht mehr atmen können.
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinsfreiheit werden kontinuierlich angegriffen. Mehrere Aktivist*innen, Blogger*innen und Journalist*innen werden regelmäßig schikaniert, angegriffen, verhaftet und strafrechtlich verfolgt, nur weil sie ihre Meinungsfreiheit ausüben. Auch Protest ist inzwischen zu einem Straftatbestand des Hochverrats geworden. Ein Beispiel dafür ist der laufende Prozess gegen Adaramoye Michael Lenin, Daniel Akande und andere Aktivist*innen, die im Zusammenhang mit dem Protest #EndBadGovernance im vergangenen Jahr verhaftet wurden. Ein weiteres Beispiel ist die Reihe von „Jankara“-Gerichtsbeschlüssen und -Urteilen, die die Regierungen der Bundesstaaten und des Bundes, insbesondere die des Bundesstaates Lagos und des Bundesstaates Ogun, durch die Hintertür erwirkt haben, um Proteste auf einige wenige ausgewählte Parks zu beschränken und so zu verhindern, dass sich ein Aufstand gegen ihre armutsfeindliche Politik entwickelt.
Währenddessen regiert Präsident Tinubu wie ein Oberherr, dem es gelungen ist, die Legislative und die Judikative zu umgehen und so seine Regierung in eine reine Zivildiktatur zu verwandeln. Die verfassungswidrige Verhängung des Ausnahmezustands im Bundesstaat Rivers ist ein weiteres deutliches Zeichen für die schamlose Missachtung der Verfassung durch Präsident Tinubu, der Nigeria in eine Bananenrepublik verwandeln will.
Zunehmende Ungleichheit
Eines der unübersehbaren Ergebnisse von Tinubus Präsidentschaft ist die zunehmende Ungleichheit. Einerseits sind die Löhne trotz der kürzlichen Anhebung des nationalen Mindestlohns im Verhältnis zur Inflationsrate abgrundtief niedrig geblieben. Betrachtet man den Wert des Dollars, so hat der von den Gewerkschaften im letzten Jahr ausgehandelte Mindestlohn von N70.000 die gleiche Kaufkraft wie der nigerianische Lohn von N125 vor vier Jahrzehnten!
Andererseits ist das Vermögen einiger Milliardäre in den letzten zwei Jahren exponentiell angestiegen, was zeigt, dass Tinubus Reformen den Reichen zugute kommen. Laut Forbes hat sich das Vermögen des Milliardärs Aliko Dangote von 13,4 Milliarden Dollar im letzten Jahr auf 23,9 Milliarden Dollar im Januar 2025 fast verdoppelt, womit der nigerianische Unternehmer der reichste Mensch in Afrika und auf Platz 86 in der Welt ist. Drei weitere Milliardäre, Mike Adenuga, Abdulsamad Rabiu und Femi Otedola, haben ihr Vermögen auf die gleiche Weise vergrößert. Ihr gemeinsamer Reichtum, der sich aus Monopolmacht und Vetternwirtschaft schöpft, wird jetzt auf 23,7 Milliarden Dollar geschätzt. Dieser Betrag ist so gewaltig, dass er nach Angaben von Oxfam leicht die gesamte Stadt Lagos in 500-Naira-Scheinen abdecken könnte. Allein Aliko Dangote könnte 42 Jahre lang täglich eine Million Naira ausgeben, ohne sein Vermögen zu verbrauchen! In der Zwischenzeit kämpfen über 133 Millionen Nigerianer*innen, etwa siebzig Prozent der Bevölkerung, mit Hunger, während Tausende sterben, weil sie sich keine Krankenhausrechnungen leisten können.
Abgesehen davon ist Nigeria unter Präsident Tinubu noch unsicherer geworden als je zuvor, denn die Krise der Unsicherheit im ganzen Land ist ungelöst und hat sich weiter verschärft. Entführungen, Überfälle und Gewalt aller Art stehen mittlerweile auf der Tagesordnung. Nach Angaben von Amnesty International wurden in den zwei Jahren seit dem Amtsantritt von Tinubu mindestens 10.217 Menschen getötet. Davon wurden 6896 in den Bundesstaaten Benue und 2630 in Plateau getötet. Ebenso wurden unter dieser Regierung über 672 Dörfer von Banditen geplündert, während die humanitäre Krise, die aus dieser Gewalt resultiert, von der Regierung ignoriert wird. Ganz zu schweigen von den Zehntausenden, die im Nordosten durch die Aufstände von Boko Haram und ISWAP umgekommen sind, und den über zwei Millionen Vertriebenen.
So kann es nicht weitergehen – Für Massenaktionen am 12. Juni
All dies sind zweifellos die schmerzhaften Folgen der neoliberalen Reformen des IWF und der Weltbank, die auch als „Renewed Hope Agenda“ bekannt sind und die Präsident Tinubu gleich nach seiner Machtübernahme umgesetzt hat. Bei der Umsetzung dieser Politik hatten Tinubu und der regierende All Progressive Congress (APC) versprochen, dass sie zu Wohlstand für Nigeria führen würden. Zwei Jahre später ist keines der Versprechen in Erfüllung gegangen. Stattdessen haben die neoliberalen Reformen zu mehr Ungleichheit, Hunger und wachsender Armut geführt. Von neuer Hoffnung ist das nigerianische Volk nun in einen Zustand neuer Hoffnungslosigkeit und massenhaften Elends gestürzt worden.
Diese brutalen Ergebnisse sind jedoch keineswegs überraschend. Seit den 1980er Jahren weiß das nigerianische Volk sehr genau, dass jede Reform des IWF und der Weltbank häufig mit der Zerstörung der Volkswirtschaften und der Verarmung der Menschen endet. Auch das Strukturanpassungsprogramm (SAP) der späten 80er und 90er Jahre hatte ähnliche Folgen. Die Tatsache, dass Präsident Tinubu eine neoliberale Agenda umsetzte, die in diesem Land bereits gescheitert ist, abgesehen von zahlreichen Beispielen des Scheiterns in der gesamten neokolonialen Welt, einschließlich Lateinamerikas, ist der bisher deutlichste Hinweis darauf, dass der Präsident keine guten Absichten für dieses Land hat.
In der Zwischenzeit ist es auch wichtig zu sagen, dass die nigerianische Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt mit Präsident Tinubu in Bezug auf diese destruktive IWF/Weltbank-Agenda übereinstimmte. Erinnern Sie sich daran, dass das nigerianische Volk diese neoliberalen Reformen seit dem 29. Mai 2023 entschieden abgelehnt hat. Diese Wirtschaftsreformen wurden somit von Präsident Tinubu einer hilflosen Nation aufgezwungen. Die Abschaffung der Ölsubventionen und die Erhöhung des Benzinpreises waren in Wirklichkeit der erste Akt der Diktatur von Präsident Tinubu. Im August letzten Jahres gingen Zehntausende von Nigerianer*innen 10 Tage lang landesweit auf die Straße, um diese Politik ebenfalls abzulehnen.
Heute, anlässlich des zweiten Jahrestages des Tinubu-Regimes, sind wir es uns und der nigerianischen Bevölkerung schuldig, diese Politik weiterhin abzulehnen, denn sie ist gescheitert. In der Tat bekräftigen wir hiermit die Ablehnung dieser kriminellen, volksfeindlichen Politik des IWF und der Weltbank, die unser Volk verarmen lässt und gleichzeitig die nationale Wirtschaft zerstört, und wir versprechen, den Widerstand gegen diese Politik fortzusetzen. In diesem Sinne erklären wir Donnerstag, den 12. Juni 2025, zum „Tag der Demokratie“, an dem das nigerianische Volk erneut auf die Straße geht, um seine Ablehnung und Unzufriedenheit mit dem Zustand von Hunger und Not zum Ausdruck zu bringen, der die einzige Errungenschaft des Tinubu-Regimes ist, seit es vor zwei Jahren an die Macht kam. Im Bundesstaat Lagos wird der Protestmarsch an diesem Tag um 7:30 Uhr an der Ikeja Under Bridge starten.
Bitte beachten Sie, dass die Aktion vom 12. Juni die Fortsetzung unseres langfristigen Widerstands gegen die kriminelle IWF/Weltbank-Politik dieser Regierung ist. Daher sind auch danach weitere Aktionen zu erwarten. Wir werden auch die Diskussionen mit progressiven Gruppen und Organisationen vertiefen, um den Widerstand landesweit auszubreiten.
Kernforderungen:
- Rücknahme der Erhöhung der Kraftstoffpreise und der Stromtarife auf den Stand vor dem 29. Mai 2023.
- Beendigung des Hungers durch Senkung der Lebensmittelpreise und öffentliche Investitionen in die Landwirtschaft. Angemessene Absicherung der Landwirt*innen.
- Rückgängigmachung der Abschaffung der Treibstoffsubventionen, der Privatisierung der Elektrizität und Beendigung aller IWF/Weltbank-Politiken.
- Ein echter existenzsichernder Lohn jetzt.
- Wir brauchen Arbeitsplätze. Zahlung von Arbeitslosengeld an die Arbeitslosen.
- Schluss mit der Korruption. Alle politischen Amtsträger*innen sollten einen Facharbeiter*innenlohn erhalten.
- Abschaffung der Sicherheitswahl und der Wahlkreiszuschläge.
- Die Armen haben ein Recht auf Bildung. Abschaffung aller hohen Gebühren an öffentlichen Schulen im ganzen Land.
- Ersatz von Studienkrediten durch Studienbeihilfen und Erhöhung der Haushaltsmittel für die öffentliche Bildung.
- Beendigung der Entführungen und der Unsicherheit jetzt. Strafrechtliche Verfolgung der Schuldigen und ihrer Sponsor*innen.
- Rücknahme der erfundenen Anklagen gegen Adaramoye Michael Lenin, Mosiu Sodiq, Daniel Akande und alle vor Gericht stehenden Demonstrant*innen sowie andere Opfer staatlicher Repression.
- Aufhebung des verfassungswidrigen Ausnahmezustands im Bundesstaat Rivers.
- Schluss mit allen Angriffen auf die demokratischen Rechte.
- Schluss mit der Erpressung und Brutalität der Polizei
- Echte Wahlrechtsreform jetzt.
Hassan Taiwo Soweto
Oloye Adegboyega-Adeniji
Organisationskomitee, #EndBadGovernance-Bewegung, Lagos State. 0703 369 7259.
Dieser Text erschien auf englisch am 4. Juni unter: https://www.socialistworld.net/2025/06/04/nigeria-president-tinubus-two-years-of-hunger-hardship-and-pain-what-way-forward/