
In den Handelskriegen kann die Arbeiter*innenklasse nicht gewinnen
Wie ein Irrer wirbelt Trump durch die Handelspolitik: Zölle rauf, runter, weg – ganz ohne Plan, aber mit maximalem Lärm. Was steckt dahinter? Und was ist eine sozialistische Antwort darauf?
von Aleksandra Setsumei, Aachen
Die Zoll-Achterbahn wirkt wie der Wahn eines Verrückten – und doch folgt sie einer durchaus „rationalen“, wenn auch verzweifelten Logik. Der Handelskrieg ist eine brüske, impulsive Antwort auf eine veränderte Weltlage, in der die USA ihre einst unangefochtene Vormachtstellung verlieren. Zwar bleiben die Vereinigten Staaten das mächtigste imperialistische Land mit der weltweit größten Wirtschaftsleistung. Doch ihr relativer Einfluss schrumpft. Ihr relativer Anteil am Welthandel ist rückläufig und insbesondere die Industrieproduktion geht zurück. Zwischen 1997 und 2024 sank die Zahl der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe um fünf Millionen. Im selben Zeitraum stieg China zur ökonomischen Weltmacht auf – und wurde damit zum zentralen Rivalen.
Hintergrund: Krise
Diese Umwälzungen der Weltordnung vollziehen sich vor dem Hintergrund einer schwächelnden Weltwirtschaft, die unter einer anhaltenden Überkapazitätskrise leidet. Es ist eine der perversen Eigenschaften des Kapitalismus, dass der Überfluss an Waren nicht mehr Lebensqualität für alle bedeutet, sondern zu Wirtschaftskrisen führt. In solchen Phasen setzen sich die profitableren Unternehmen und Standorte durch – die weniger profitablen müssen sich zurückziehen. Genau daran krankt die US-amerikanische Wirtschaft, insbesondere der produktive Sektor: Seine Profitraten liegen unter denen der US-Gesamtwirtschaft und hinter jenen internationaler Konkurrenten. Die auf den ersten Blick irrational wirkenden Zölle sind ein verzweifelter Versuch, diesen strukturellen Nachteil durch Protektion im Binnenmarkt auszugleichen – und so den globalen Machtverlust zu verhindern.
Trump spielt gewissermaßen ein Lotteriespiel mit offenem Ausgang. Die Prognosen für den Fall steigender Zölle sind jedoch weitgehend eindeutig: ein Rückgang des Welthandels, Einschnitte in die globale Wirtschaft – und insbesondere in die US-Wirtschaft. Der unmittelbare Schaden ist so erheblich, dass sich selbst einige von Trumps reichen Unterstützer*innen – darunter Elon Musk – öffentlich dagegenstellen. Doch ganz gleich, welches Szenario letztlich eintritt: Keines davon wird der Masse der Bevölkerung nützen. Die Arbeiter*innenklasse in den USA muss sich auf drastisch steigende Preise einstellen – verursacht einerseits durch die Zölle selbst, andererseits durch den Versuch der Unternehmen, ihre Profitmargen zu erhöhen; genau dieses Muster war bereits unter den weniger umfassenden Zöllen der ersten Trump-Administration und der darauffolgenden Biden-Präsidentschaft zu beobachten. Auch global werden solche Zölle verheerende Folgen haben – mit massiven wirtschaftlichen Einbrüchen und sozialem Kahlschlag, vor allem in neokolonialen Ländern. Deshalb sollten Sozialist*innen, Linke und Gewerkschaften eine klare Haltung einnehmen: Diese Zölle müssen abgelehnt und bekämpft werden!
Zwei Strategien der Kapitalist*innen
Doch ebenso wenig liegt der kapitalistische Freihandel im Interesse der Arbeiter*innenklasse. Über Jahrzehnte war die Ausweitung des freien Handels die zentrale Strategie des westlichen Kapitals. Lange vor Trumps Amoklauf wurden Rationalisierung, Arbeitsplatzabbau und Produktionsverlagerung in “billigere” Länder mit dem Mantra der „globalen Wettbewerbsfähigkeit“ begründet. Der Neoliberalismus griff um sich – begleitet von einer Propaganda, die den Belegschaften einredete, Verzicht sei notwendig, um den eigenen Standort zu erhalten. Während eine kleine Minderheit Jahr für Jahr steigende Profite kassierte, musste die große Mehrheit dafür schuften – und dabei ständig um ihre Existenz bangen.
Freihandel und Protektionismus sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille: Strategien der herrschenden Klasse, um ihre Profite zu sichern. Der globale Freihandel intensiviert den internationalen Konkurrenzkampf – jene Staaten, deren Kapital besonders profitabel ist, können sich durchsetzen und auf möglichst offene Märkte drängen. Diejenigen Länder, die in dieser Konkurrenz ins Hintertreffen geraten, greifen zu Zöllen und anderen Handelshemmnissen, um ihre eigene Wirtschaft zu schützen. Doch ob Freihandel oder Handelskrieg: Beide Modelle dienen im Kapitalismus der Absicherung von Profiten – und gehen am Ende auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung.
Internationaler Widerstand nötig
Die Weltwirtschaft steckt in einer kapitalistischen Überproduktions- und Überkapazitätskrise. Nun streiten sich die Staaten darum, wer seine Waren noch profitabel absetzen kann – und wer auf ihnen sitzen bleibt. Sozialist*innen und die Arbeiter*innenklasse dürfen sich nicht in diese imperialistischen Machtkämpfe hineinziehen lassen, in denen es nur darum geht, ob der US-amerikanische, chinesische, deutsche oder russische Kapitalist den größeren Teil der Beute erhält. Unsere Antwort muss sein: internationale Solidarität – und ein gemeinsamer Kampf gegen dieses ausbeuterische System ohne Zukunft.
Es braucht einen international koordinierten Kampf der Gewerkschaften für den Erhalt aller Arbeitsplätze. Das heißt auch: Kampf für die Enteignung großer Konzerne. Diese sollen in öffentliches Eigentum überführt und demokratisch durch die arbeitende Bevölkerung kontrolliert und verwaltet werden. Wer mit Zöllen oder Absatzrückgängen Arbeitsplatzabbau oder Standortverlagerungen rechtfertigt, gehört enteignet. Die Produktion muss auf gesellschaftlich sinnvolle Güter umgestellt werden – nicht auf das, was gerade den höchsten Profit verspricht. Am Ende gibt es nur eine richtige Antwort auf die kapitalistischen Handelskriege: eine demokratische, sozialistische Planwirtschaft, ein System, in dem keine Nation eine andere aussticht – und Überfluss nicht zur Krise, sondern zur Erfüllung der Bedürfnisse jeder Person auf diesem Planeten führt.