Eberswalde: Kundgebung in Solidarität mit den Palästinenser*innen

Aufruf des Palästinakreises und der linksjugend[‘solid] folgen über einhundert Menschen

Am Freitag, den 25. Juli, hatten der Palästinakreis Eberswalde und die linksjugend[‘solid] Eberswalde zu einer gemeinsamen Kundgebung in Solidarität mit den Palästinenser*innen aufgerufen. Über einhundert Menschen versammelten sich am Hauptbahnhof, darunter auch eine Reihe von Menschen aus der arabischen Community.

Zu den Redner*innen gehörten neben einem Vertreter der Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost auch die Sol-Mitglieder Georg Heidel, der als friedenspolitisch aktiver Gewerkschafter eingeladen war, und Sascha Staničić, der zu den Gründer*innen des Palästina-Kreises gehört und für diesen sprach.

Eine Posse ereignete sich um seine Rede, die zeigt, welche Blüten die Repression der Palästina-Solidarität in Deutschland treibt. Sascha Staničić berichtet auf seinem facebook-Account: „In einem Vorgespräch wies die Polizei darauf hin, dass der Slogan ‘From the river to the sea’ verboten sei. Ich fragte, wie das möglich ist, da es doch mehrere Gerichtsentscheidungen gibt, die dies anders entschieden haben. Daraufhin wurde mir erklärt, dass Anweisungen des Bundeskriminalamts über Gerichtsentscheidungen stünden. Das nahm ich zum Anlass, die Beamt*innen darauf hinzuweisen, dass ich in meiner Rede das Programm der israelischen Regierungspartei Likud zitieren werden, in dem diese Formulierung vorkommt und ein Groß-Israel meint. Das hat die Beamt*innen wohl nervös gemacht und nach ein paar Minuten zitierten sie mich zum Gespräch und erklärten mir, dass dieser Satz verboten sei. Ich erklärte noch mal den Zusammenhang, in dem ich diesen erwähnen werde, und erhielt die Antwort, dass ich unabhängig von dem Kontext und der Tatsache, dass ich die Netanjahu-Partei zitieren würde, eine Anzeige erhalten werde, über die dann die Staatsanwaltschaft zu befunden habe. Sie hätten da klare Anweisungen und keinen Spielraum. Als ich daraufhin auf ihren Entscheidungsspielraum hinwies und erwähnte, dass ja nun auch nicht alle den Hitlergruß zeigenden Nazis auf Demos immer verhaftet werden und auf Meinungs- und Informationsfreiheit und die Absurdität ihres Vorgehens hinwies, gewann ich den Eindruck, dass auch den Beamten die Sache etwas peinlich war, aber sie haben brav ihren Auftrag erfüllt, meine Personalien aufgenommen und mir nach meiner Rede mitgeteilt, dass ich bald eine Einladung zu einer Anhörung erhalten werde ….“

Auch für die linksjugend[‘solid] war die Organisierung der Kundgebung mit einer negativen Erfahrung verbunden, da Die Linke in Eberswalde eine Unterstützung der Kundgebung verweigerte. Erst kürzlich hatte es in der Partei vor Ort eine Auseinandersetzung darüber gegeben, dass ausgerechnet der Antisemitismus-Beauftragte Brandenburgs, Andreas Büttner, als Redner zu einer Veranstaltung zum Thema Israel/Palästina eingeladen worden war. Nach Protesten aus der Mitgliedschaft war diese Veranstaltung dann abgesagt worden. Es bleibt zu hoffen, dass in der Partei nun ein breiter Diskussionsprozess zum Thema stattfindet.

Für den Palästinakreis Eberswalde war dieser erste Kundgebung ihrer Art ein voller Erfolg. Für den Herbst sind weitere Veranstaltungen und Aktivitäten geplant.

Wir veröffentlichen hier das gemeinsame Flugblatt des Palästinakreises und der linksjugend[‘solid] und die Pressemitteilung zur Kundgebung:

Flugblatt:

Solidarität mit den Menschen in Gaza und ganz Palästina

Schluss mit dem Morden, dem Aushungern und der Vertreibung!

Der israelische Angriffskrieg auf Gaza hat sich in eine humanitäre Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes verwandelt. Über 58.000 Menschen wurden getötet, darunter mehr als 17.000 Kinder, die Dunkelziffer weitaus höher. 100 % der Bevölkerung Gazas (2,1 Millionen Menschen) sind laut UN-Prognosen akut von Hungersnot bedroht. Über 92 % der Kleinkinder sowie schwangere und stillende Frauen erreichen nicht einmal mehr die minimale Nährstoffvielfalt, um zu überleben. Bis März 2026 werden mehr als 71.000 Fälle akuter Mangelernährung bei Kindern erwartet. Die medizinische Infrastruktur ist nahezu zusammengebrochen: Nur 37 % der Gesundheitsstationen sind noch teilweise funktionsfähig. Gleichzeitig wurden über 1.580 medizinische Fachkräfte getötet, teils gezielt, teils in Ausübung ihrer Arbeit. Auch die humanitäre Hilfe wird massiv behindert: 483 humanitäre Helfer*innen wurden getötet, darunter 326 Mitarbeitende der UN, sowie 226 Journalist*innen und Medienschaffende. (OCHA, Reported impact snapshot | Gaza Strip (16 July 2025), https://www.ochaopt.org/content/reported-impact-snapshot-gaza-strip-16-july-2025)

Das ist der tödlichste Krieg für die Presse seit Beginn ihrer systematischen Erfassung.

Israel plant die Errichtung eines massiven, umzäunten Lagers in Rafah, in dem die gesamte verbleibende Bevölkerung Gazas untergebracht und dauerhaft kontrolliert werden soll. Eine Rückkehr in den Norden des Gazastreifens, der größtenteils in Trümmern liegt, sei demnach nicht vorgesehen. Das Vorhaben bedeutet eine faktische Zwangsumsiedlung der Bevölkerung und kommt einer dauerhaften Internierung gleich. Völkerrechtler sprechen von einem klaren Bruch des humanitären Völkerrechts – und warnen vor der Absicht zur ethnischen Säuberung. (The Guardian, 07. 06 2025 https://www.theguardian.com/world/2025/jul/07/israeli-minister-reveals-plan-to-force-population-of-gaza-into-camp-on-ruins-of-rafah?utm_source=, die Welt, 15. 07. 2025 https://www.welt.de/politik/ausland/article256402436/Gazakrieg-Israel-hat-neuen-Vorschlag-fuer-Waffenruhe-Verhandlungsproblem-bleibt.html?utm_source=)

In Deutschland wird Protest gegen dieses Vorgehen der israelischen Regierung weiterhin massiv kriminalisiert und unterdrückt. Schnell wird der Vorwurf des Antisemitismus erhoben, um eine politische Auseinandersetzung mit dem Morden und der Vertreibung zu verhindern. Wir sagen:

Kritik an der Politik der israelischen Regierung ist kein Antisemitismus! Schweigen angesichts eines Genozids ist Mittäterschaft!

Wir sind Menschen, die in Eberswalde leben und dem täglichen Morden in Gaza und der Westbank nicht tatenlos zusehen wollen. Deshalb haben wir den Palästina-Kreis Eberswalde gegründet. Wir wollen unsere Stimme erheben gegen den Krieg und gegen die Vertreibung von

Palästinenser*innen. Wir wollen, dass in Eberswalde eine offene Debatte zum Gaza-Krieg stattfindet, wir wollen Informationen zugänglich machen, die in den Massenmedien weniger auftauchen und wir wollen über mögliche Lösungen für den Nahost-Konflikt diskutieren. Dazu führen wir Filmvorführungen, Veranstaltungen, Info-Stände durch und erarbeiten Flugblätter und Plakate. Alle sind herzlich willkommen, bei uns mitzumachen.

Wir, der Palästinakreis Eberswalde und Solid Eberswalde, treten für folgende Positionen ein:

  • Sofortiges Ende aller Angriffe auf Gaza und Rückzug der israelischen Armee
  • Ende der Belagerung von Gaza und der Besetzung des Westjordanlands
  • Sofortiger Stopp des Siedlungsausbaus im Westjordanland
  • Nein zum Terror gegen Zivilist*innen
  • Freilassung aller zivilen Geiseln und palästinensischen politischen Gefangenen
  • Ablehnung von jeder Form von Rassismus und Antisemitismus
  • Ablehnung der Unterstützung der israelischen Regierung durch die Bundesregierung durch Waffenlieferungen und andere Maßnahmen
  • Kampf gegen die Einschränkung demokratischer Rechte und Verschärfungen des Aufenthaltsrechts für Migrant*innen im Kontext des Gaza-Kriegs
  • Anerkennung der demokratischen und nationalen Rechte aller Bevölkerungsgruppen in Israel und Palästina einschließlich des Rechts der Palästinenser*innen auf Selbstbestimmung und einen eigenen Staat
  • Für eine breite und demokratische Debatte über eine politische Lösung des Nahost-Konflikt

Pressemitteilung

Über 100 Eberswalderinnen und Eberswalder beteiligten sich an der Kundgebung unter dem Motto „Freiheit für Palästina – Stoppt den Massenmord in Gaza“, zu dem der Palästinakreis Eberswalde und die linksjugend[‘solid] für Freitag, den 25. Juli aufgerufen hatte.

Menschen unterschiedlichen Alters und Herkunft kamen zusammen und hörten Reden von Vertreterinnen und Vertretern der beiden aufrufenden Organisationen, sowie von Thomas von der Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost und dem Berliner Gewerkschafter Georg Heidel.

In den Reden wurde auf das Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza und dem Westjordanland hingewiesen und die Unterstützung der Bundesregierung für die israelische Regierung scharf kritisiert. Die Organisatoren bekräftigten ihre Forderungen nach einem Abzug der israelischen Armee aus Gaza und einem Ende der Besetzung der Palästinensergebiete, sowie ihre Opposition gegen Waffenlieferungen und politische Unterstützung für den Staat Israel. Dabei legten sie Wert darauf, sich eindeutig von Antisemitismus und jeder Form von Rassismus zu distanzieren. Wie Sascha Staničić in seiner Rede für den Palästinakreis sagte, richte sich „Antisemitismus gegen Jüdinnen und Juden, weil sie Jüdinnen und Juden sind und nicht gegen eine von Jüdinnen und Juden geführte Regierung aufgrund ihrer Handlungen.“ Jan Noack, der ebenfalls für den Palästinakreis sprach, forderte die Gewerkschaften in Deutschland dazu auf, es Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern in anderen Ländern gleichzutun und Waffenlieferungen nicht zu verladen.

Dass der Einsatz für das palästinensische Volk untrennbar verbunden ist mit Antirassissmus,

Antifaschismus und Internationalismus, machte Claudia Uhlmann in ihrem Beitrag deutlich. Auch mit Gedichten, u.a. von Lyrikern aus Gaza und dem Exil, gaben Mitglieder der Gruppe den Betroffenen eine Stimme. Leni Hudelmaier und Luca Wulfert von linksjugend[‘solid] endeten ihren Redebeitrag mit einem Aufruf: „Redet darüber. Verbindet euch und bleibt laut. Wir sind viele; aus unterschiedlichen Kämpfen, mit unterschiedlichen Geschichten. Aber unser Ziel ist das gleiche: Gerechtigkeit.“

Die Kundgebung verlief friedlich und in einer solidarischen Atmosphäre, auch palästinensische Kinder ergriffen das Mikrofon und riefen „Free Palestine“, was von den Anwesenden aufgegriffen wurde. Zu einem kurzen Zwischenfall kam es, als eine Gruppe junger Männer das an der Bahnhofsbrücke angebrachte Transparent mit der Aufschrift „Freiheit für Palästina“ lösten. Diese müssen nun mit einer Anzeige wegen Verstoß gegen das Versammlungsrecht rechnen. Mit einer Anzeige muss auch Staničić rechnen, der in seiner Rede darauf hinwies, dass die Likud-Partei von Benjamin Netanjahu in ihrem Programm ein Groß-Israel „from the sea to the river“, also vom Mittelmeer bis zum Jordan-Fluss, fordere. Diese Wortwahl sei laut polizeilichem Einsatzleiter verboten.

Der Palästinakreis Eberswalde lädt zu seinem nächsten Treffen am 6. August um 18 Uhr in der Thinkfarm, Eisenbahnstr. 92/93 statt.