“Gemeinsam kämpfen statt spalten lassen”

Foto: Ian Pattison, Socialist Party

Trans-Rechte in Großbritannien unter Beschuss

Interview mit Michael Johnson, Organisator der LGBT+*-Gruppe der Socialist Party England and Wales (Schwesterorganisation der Sol).

Vor kurzem gab es eine Protestbewegung gegen ein neues Gesetz der britischen Regierung, das die Rechte von Trans-Personen einschränkt. Worum ging es dabei?

Im April 2025 hat der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs, das höchste Gericht des Landes, eine Entscheidung zur Bedeutung des Begriffs „Geschlecht” im Gleichstellungsgesetz getroffen. Das Gleichstellungsgesetz trat 2010 in Kraft und fasste eine Reihe von Gesetzen gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Dienst zusammen. Das Urteil vom April legte fest, dass Geschlecht im Gleichstellungsgesetz nur das biologische Geschlecht bedeuten kann. Die vollständigen Auswirkungen dieses Urteils und seine Anwendung im Alltag sind noch nicht absehbar, können aber dazu führen, dass die Rechte von Trans-Personen eingeschränkt werden. Unklare Leitlinien der britischen Gleichstellungsbehörde nach dem Urteil haben diese Sorge noch verstärkt.

Wie habt ihr als Socialist Party in diese Proteste eingegriffen und was sind eure Forderungen?

Die Socialist Party hat sich landesweit an Protesten beteiligt und nicht nur das Urteil des Obersten Gerichtshofs kritisiert, sondern auch darauf hingewiesen, dass der Oberste Gerichtshof, das Rechtssystem und die etablierten Parteien, die das Urteil begrüßt haben, Werkzeuge des kapitalistischen Establishments sind. Viele, insbesondere die selbsternannten Anführer*innen der LGBT+- und Trans-Community, die den Christopher Street Days von Protestveranstaltungen zu einem Jahrmarkt gemacht haben, konzentrieren ihre Forderungen darauf, das Urteil zu kippen, oft indem sie sich wieder an die Gerichte wenden, die es verursacht haben, und so tun, als müssten wir nur die Uhr zurückdrehen, um den Stand vor dem Urteil wiederherzustellen. Als Sozialist*innen müssen wir weiter gehen. 

Wir haben dazu aufgerufen, dass die Arbeiter*innenklasse, einschließlich der LGBT+-Community, sich zusammenschließt, um für das zu kämpfen, was wir als Klasse brauchen, anstatt es den Gerichten zu überlassen. Es ist die Arbeiter*innenklasse, die dafür sorgt, dass Gesetze tatsächlich funktionieren, und wo es ungerechte Gesetze gibt, hat die Arbeiter*innenklasse eine stolze Geschichte, diese unwirksam zu machen, zum Beispiel durch die Massenkampagne der Zahlungsverweigerung, die die Kopfsteuer von Margaret Thatcher zu Fall gebracht hat. 

In diesem Zusammenhang haben wir die entscheidende Rolle der Gewerkschaften im Kampf gegen das Urteil betont. Wir haben aber auch darauf hingewiesen, dass die Angriffe auf LGBT+-Personen nicht mit diesem Urteil begonnen haben. Hinter uns liegen 15 Jahre Sparpolitik unter Tory- und Labour-Regierungen, die die öffentlichen Dienste lahmgelegt haben, und die Gewerkschaften müssen eine entscheidende Rolle im Kampf dagegen spielen. Wichtig ist, dass unsere Mitglieder eine wichtige Rolle dabei gespielt haben, dass eine Entscheidung, die die LGBT+-Community betrifft, in die Gewerkschaften getragen wurde und Anträge mit den Forderungen auf eine Reihe von Gewerkschaftskonferenzen gesetzt wurden.

Welche Rolle spielt der Kampf gegen Diskriminierung und Queerfeindlichkeit in eurer täglichen Arbeit?

Die Socialist Party bekämpft Diskriminierung in all ihren Formen und kann auf eine stolze Geschichte von Kampagnen dagegen zurückblicken, zum Beispiel die Kampagne gegen häusliche Gewalt. In England und Wales sind die Probleme der Queerfeindlichkeit in den letzten Jahren scharf zutage getreten. Das ist ein Produkt der sogenannten Kulturkriege. Die kapitalistischen Parteien – unfähig, die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung zu erfüllen und ohne eine Lösung für die ökonomische Krise – haben zu ihrer altbewährten Politik des „Teile und herrsche“ zurückgegriffen. Infolgedessen gab es zahlreiche Angriffe auf die LGBT+-Gemeinschaft, insbesondere in den Medien. Aus diesem Grund haben wir eingegriffen und diese Versuche, Spaltung zu schüren, wo immer sie auftreten, bekämpft. Zur CSD-Saison nehmen wir an Veranstaltungen im ganzen Land teil, um ein Programm zur Bekämpfung von Diskriminierung vorzustellen. Entscheidend ist jedoch, dass wir verstehen, dass im Kampf gegen die Unterdrückung der LGBT+-Community Frauen, Migrant*innen und die gesamte Arbeiter*innenklasse nicht voneinander getrennt werden können und dass die Arbeiter*innenklasse sich zusammenschließen und für ihre Interessen als Klasse kämpfen muss. Deshalb rufen wir zur größtmöglichen Einheit der Arbeiter*innenklasse auf und bringen diejenigen, die sich an den Protesten gegen die herrschende Klasse beteiligen, mit denen zusammen, die gegen Sozialkürzungen kämpfen und streiken.

Wie kann ein erfolgreicher Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter aussehen?

Grundsätzlich kann die Gleichstellung der Geschlechter im Kapitalismus nicht erreicht werden. Dieses System will uns entlang von Aussehen, Herkunft, Sexualität oder Geschlecht spalten, um uns leichter ausbeuten zu können. Es mag unter Druck Zugeständnisse geben, hier und da ein Gesetz, aber der Kapitalismus kann nicht mit den Geschlechterrollen und -normen brechen, die er für sein Funktionieren benötigt. Gesetze gegen Rassismus und andere Diskriminierungen haben diese nicht beendet, und dieses neue Urteil macht deutlich, dass Kapitalist*innen Rechte auch wieder abschaffen können, wenn es ihnen passt. Das bedeutet nicht, dass wir nicht weiterhin für Rechte und Reformen kämpfen, aber dies muss mit dem Kampf für eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft einhergehen.

*LGBT+: LGBT ist eine Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell und transgender. Mittlerweile hat sich diese Kurzform für viele Geschlechter, Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen durchgesetzt, die von zweigeschlechtlichen und heterosexuellen Normen abweichen, darauf soll auch das Plus hinweisen.