
Was als Nächstes im Kampf für eine neue Arbeiter*innenpartei?
Nur ein Jahr unter Starmers Herrschaft und seine ‘gewaltige parlamentarische Mehrheit’ ist zerfallen. Gewählt mit dem niedrigsten Wähleranteil seit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts in 1918, handelt es sich um eine Regierung mit kaum gesellschaftlicher Unterstützung, welche versucht, den Wünschen der kapitalistischen Klasse – der Milliardäre und der Anleihemärkte – nachzukommen. Kein Wunder, dass sie auf ihren Tiefpunkt stoßen!
Stellungnahme der Socialist Party England (erstmals veröffentlicht 4. Juli 2025)
Die Demütigung der Regierung durch ihre Angriffe auf die Behinderungsleistungen hat gezeigt, dass die Sparmaßnahmen der Labour-Regierung zerschlagen werden können, und hat allen, die gegen Lohnkürzungen, Privatisierung und Kürzungen kämpfen, darin Zuversicht gegeben. Die National Shop Stewards Network Conference (engl. Konferenz des Nationalen Netzwerks der Vertrauensleute, der NSSN; gegründet durch die RMT, die National Union of Rail, Maritime and Transport Workers in 2007), welche morgen stattfinden wird (Anm. d. Übers.: zur Zeit der Übersetzung fand diese bereits am 5. Juli 2025 statt), wird einige der wichtigsten Aktivist*innen in diesen Kämpfen zusammenbringen. Aber die Ereignisse dieser Woche haben auch die dringende Notwendigkeit einer neuen Arbeiter*innenpartei, mit einem klaren anti-militärischen, anti-austeritätsorientierten, sozialistischen Programm verdeutlicht. Eine solche Partei ist entscheidend, um die Rechtspopulisten von Reform zu bekämpfen.
Daher ist es begrüßenswert, dass die Abgeordnete Zarah Sultana am 3. Juli 2025 ankündigte, dass sie aus der Labour Party austritt, um zusammen mit Jeremy Corbyn, “die Begründung einer neuen Partei, mit anderen Wahlwerber*innen und Aktivist*innen mit-zuleiten.” Zarah wurde von der Labour Party für ein Jahr suspendiert, aufgrund des ‘Verbrechens’ gegen die “two-child benefit cap” (engl. Zwei-Kind-Grenze für Sozialleistungen) gestimmt zu haben, die 800.000 Kinder in die Armut getrieben hat. Sie hat daraus die richtigen Schlussfolgerungen gezogen – dass die Zeit gekommen ist, um etwas Neues aufzubauen. Als Antwort darauf hat Jeremy Corbyn ebenfalls eine Nachricht herausgegeben, dass “die demokratischen Grundlagen einer neuen Partei bald Gestalt annehmen werden.”
Die potentielle Unterstützung für eine neue Partei ist klar. Eine kürzlich durchgeführte Meinungsumfrage ergab, dass – selbst bevor eine Partei gegründet wurde – zehn Prozent der Menschen für eine von Jeremy Corbyn geführte Partei stimmen würden, welche bei 18- bis 24-Jährigen mit 32 Prozent der Stimmen gewinnen würde. Diese jungen Menschen konnten noch nicht einmal wählen, als Corbyn Labour-Vorsitzender war, was zeigt, wie der Enthusiasmus, der durch seine Wahlprogramme gegen die Sparpolitik in 2017 und 2019 geweckt wurde, in der Gesellschaft noch immer nachhallt. Und es besteht kein Zweifel daran, dass eine neue Partei das Potenzial hätte, schnell viel größere Teile der Arbeiter*innenklasse und der Jugend zu gewinnen.
Das offensichtliche Potenzial für eine neue Partei heißt jedoch nicht, dass die zukünftige Einführung dieser automatisch erfolgreich sein wird. Es gab bereits mehrere gescheiterte Versuche, neue linke Parteien in Großbritannien zu gründen, darunter Arthur Scargills Socialist Labour Party und George Galloways Respect Party – letztere trotz einiger anfänglicher Wahlsiege. Es ist deutlich, dass das Potenzial jetzt viel größer ist, aber das bedeutet nicht, dass größerer Erfolg garantiert ist. Eine Partei, die ‘top-down’ (engl. von oben nach unten) ohne demokratische Strukturen funktioniert, wäre nicht in der Lage, die vielen Arbeiter*innen und jungen Menschen zu halten, die von der Idee einer neuen Partei begeistert sind.
Kämpfen in und für die Gewerkschaften
Es geht hier in erster Linie nicht um eine „linke Partei“, die nur bestehende linke Kräfte zusammenbringen will, sondern darum, eine Arbeiter*innenpartei kämpferisch zu kreieren, die von großen Teilen der über sechs Millionen Arbeiter*innen, welche bereits in Gewerkschaften organisiert sind, als für ihre Interessen kämpfend angesehen wird.
Es gibt keinen Zweifel daran, dass der Großteil der Gewerkschaftsführer*innen ab diesem Punkt weiterhin so hart wie möglich argumentieren werden, dass die Gewerkschafter*innen ‘Labour eine Chance geben’ müssen, aber sie verlieren bereits den Streit. Beispielsweise wurde, an dem diesjährigen University and College Union (UCU) Kongress ein Antrag, initiiert durch Mitglieder der Socialist Party, verabschiedet, der UCU-Mitglieder auffordert, bei Wahlen anzutreten und sich mit anderen Gewerkschafter*innen zusammenzuschließen, um für die Gewerkschaftspolitik zu kämpfen. Der Antrag forderte die UCU auch auf, Jeremy Corbyn, die Independents (engl. Unabhängigen) und andere pro-Arbeiter*innen Abgeordnete einzuladen, um mit dem UCU-Vorstand zu besprechen, wie sie die Kampagnen der Gewerkschaft unterstützen können.
Auch jetzt, vor der Formierung einer neuen Partei, gibt es einen mutmaßlichen Block von ‘pro-Arbeiter*innen’ Abgeordneten im Parlament. Eine sofortige Maßnahme, die Jeremy Corbyn, Zarah Sultana und andere ergreifen könnten, wäre, einen Antrag im Parlament einzubringen und sich – mit einer Kampagne – dafür einzusetzen, dass die gewerkschaftlichen Stimmrechtsschwellen (Regelung, dass erst mit einer Mehrheit der Stimmen gewerkschaftliche Maßnahmen ergriffen werden können was Streiks etc. erschwert, Anm. d. Übers.) und alle anderen Maßnahmen des Anti-Gewerkschaftsgesetzes der Tories von 2016 sofort aufgehoben werden. Diese Regierung kann schnell handeln, um pro-palästinensische Demonstrant*innen zu verbieten, doch ihr Programmversprechen, die diese Schwellen für Gewerkschaften aufzuheben, wurde wiederholt verschoben, um die Fähigkeit der Gewerkschaften zu behindern, gegen die Sparmaßnahmen der Labour-Regierung zu kämpfen. Ein solcher Antrag wäre ein Hebel, um den Druck auf Starmers Labour zu erhöhen und den Gewerkschaftsmitgliedern zu versichern, dass eine neue Partei in ihrem Interesse kämpfen würde.
Natürlich ist es möglich, dass – falls und wenn eine neue Partei gegründet wird – einige Gewerkschaftsführer*innen, insbesondere aus den nicht-konzernverbundenen Gewerkschaften, ihre Unterstützung verkünden werden. Das wäre willkommen, aber es würde nicht von selbst die Art von Partei schaffen, die benötigt wird, genauso wenig wie die Unterstützung von Respect durch den damaligen Generalsekretär der PCS (Public and Commercial Services Union; die achtgrößte Gewerkschaft in Großbritannien, mit einem Großteil von Mitgliedern im öffentlichen Dienst), Mark Serwotka. Dennoch würden Gewerkschaftsführer*innen, welche die Debatte, über die Notwendigkeit für die Arbeiter*innenbewegung ihre eigene Partei aufzubauen, unter ihren Mitgliedern anregen würden, einen bedeutenden Schritt nach vorne machen, ebenso wie Schritte zur Organisation einer inter-gewerkschaftlichen Konferenz, um darüber zu diskutieren.
Für eine föderative Struktur
Es wird auch entscheidend sein, dass jede Struktur für eine neue Partei, den Gewerkschaften eine kollektive Stimme gibt, die unter demokratischer Kontrolle der Gewerkschaftsmitglieder steht. Dies nicht zu tun wird, korrekterweise, dazu führen, dass einige der kampfstärksten Gewerkschafter*innen zögern werden beizutreten. Dies war der Fall mit Bob Crow, dem verstorbenen Generalsekretär der Rail Maritime and Transport Union (RMT, engl. Gewerkschaft für Eisenbahn, Schifffahrt und Transport), der 2010 neben der Socialist Party und anderen die Trade Unionist and Socialist Coalition (TUSC, engl. Gewerkschaftliche und Sozialistische Koalition) mitbegründete.
Seine Hauptbegründung für die Ablehnung der Teilnahme seiner Gewerkschaft an Respect in der vorherigen Periode war, dass die RMT – mit etwa 80.000 Arbeiter*innen in ihren Reihen – keinen Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Partei gehabt hätte. Eine Art ‘One Member One Vote’ (engl. ein Mitglied, eine Stimme) Struktur mag oberflächlich betrachtet der demokratischste Ansatz sein, aber das ist nicht der Fall. Tatsächlich war die Einführung von One Member One Vote in der Labour Party, die die Macht der Gewerkschaften in der Partei stark untergrub, entscheidend für die Transformation der Labour Party zu New Labour.
In ihren Anfangstagen hatte die Labour Party eine extrem föderative Struktur, mit keiner individuellen Mitgliedschaft bis 1918. Die ersten Labour-Abgeordneten traten im Namen ihrer eigenen Gewerkschaft und sozialistischen Organisationen an, mit dem Ziel, nach der Wahl im Parlament zusammenzuarbeiten. Auf einer viel kleineren Ebene bringt TUSC nun verschiedene Kräfte zusammen, um Wahlen seit fünfzehn Jahren im Rahmen eines bundesweiten ‘umbrella approach’ (engl. Schirm-Ansatz, im Sinne einer geeintes geeinten Vorgehens) zu bestreiten. Heute ist ein weitgehend ähnlicher Ansatz für eine neue Partei erforderlich, der es einzelnen Mitgliedern, aber auch den verschiedenen Organisationen, die bereits für eine Arbeiter*innenstimme im Wahlkampf kämpfen – einschließlich der verschiedenen Gruppierungen von linken, unabhängigen und lokalen Ratsmitgliedern – und zukünftigen Kräften, die für eine neue Partei gewonnen werden könnten, ermöglicht, zusammenzuarbeiten und dabei ihre eigenen Identitäten und Programme beizubehalten. Neben Gewerkschaftsorganisationen gibt es alle möglichen anderen Gruppen von Aktivist*innen – für Palästina, Klima, Behinderungen, Kämpfer*innen für Trans-Rechte, Black Lives Matter und mehr – die auf dieser Grundlage für eine neue Partei gewonnen werden könnten.
Manche werden argumentieren, dass ein föderativer Ansatz eine Hürde im Aufbau einer kämpferischen Partei sein könnte, die aktiv im Kampf involviert ist, aber das Gegenteil ist wahr. Zum Beispiel spielte in den 1980ern die Socialist Party – damalige Militant – eine führende Rolle im Massenkampf des Liverpooler Stadtrats gegen die Thatcher-Regierung. Die District Labour Party (DLP) war das zentrale Gremium, über das der Verlauf des Kampfes in jeder Phase entschieden wurde. Es hatte etwa 400 Delegierte von Gewerkschaften, lokalen Arbeiter*innenparteien und so weiter – als repräsentative Delegierte, keine zufälligen Einzelpersonen – es war eine Art Parlament der Arbeiter*innenbewegung. Die Schaffung einer Partei, die in den vielen kommenden Kämpfen diese Rolle spielen kann, wäre ein enormer Schritt nach vorn, um die Einheit und den Zusammenhalt der Arbeiter*innenklasse zu stärken.
Andere würden argumentieren, dass ein top-down, zentralisierter Ansatz für Wahlerfolge notwendig ist, aber dies wäre auch falsch. Es gibt viele Lehren, die aus den verschiedenen neuen linken Parteien gezogen werden können, die sich in anderen europäischen Ländern nach der großen Rezession von 2007-09 entwickelt haben. Die womöglich schonungslosesten sind die Lehren aus Griechenland. Syriza – die Koalition der radikalen Linken – entwickelte sich von einer kleinen Partei zu einem Wahlsieg mit 26 Prozent der Stimmen in 2012, und tat dies als lose, föderative ‘Koalition’. Danach – vor dem Gewinn der Parlamentswahl in 2015 – wurde sie mit einer top-down Struktur zentralisiert, was bedeutete, dass der Präsident nur alle drei Jahre zur Wahl stand. Dies geschah jedoch nicht, um die Parlamentswahl zu gewinnen, sondern vielmehr, weil Syriza auf dem besten Weg war, die Parlamentswahlen zu gewinnen. Es war Teil der verzweifelten Bemühungen der kapitalistischen Klasse, zu versuchen sicherzustellen, dass eine Syriza-Regierung ihre Interessen im Amt nicht in Frage stellen würde. In diesem Ereignis wurde die heroische griechische Arbeiter*innenklasse tragischerweise durch die Syriza-Regierung verraten, was letztendlich zu einer verheerenden Sparpolitik führte.
Für ein sozialistisches Programm
Dies wirft einen letzten, entscheidenden Punkt auf. Was benötigt wird ist nicht nur der Aufbau einer Arbeiter*innenpartei mit einer Massenbasis, sondern auch das Aufbauen einer mit einem Programm und einer Führung, die in der Lage ist, einen erfolgreichen Kampf für den Sozialismus zu führen. Die Socialist Party argumentiert, dass dies entscheidende Maßnahmen erfordert, wie die Verstaatlichung der großen Konzerne und Banken unter demokratischer Kontrolle der Arbeiter*innen. Innerhalb einer neuen Partei wird es zwangsläufig verschiedene Ansichten zu diesen entscheidenden Themen geben, und einige werden möglicherweise versuchen, eine Diskussion darüber zu vermeiden und daher keine Freiheit für unterschiedliche politische Strömungen wollen, um für ihr Programm als Teil einer neuen Partei zu werben. Ein solcher Ansatz könnte – wie bei Arthur Scargills Socialist Labour Party – dazu führen, dass eine neue Initiative totgeboren und auch utopisch ist. Angesichts der vielen taktischen und strategischen Fragen, mit denen eine Partei konfrontiert wird, die ernsthaft im Interesse der Arbeiter*innenklasse kämpfen will, sind Diskussionen und Debatten über den weiteren Weg auf jeder Etappe unvermeidlich. Jeglicher ernsthafter Schritt Richtung der Schaffung einer solchen Partei, in welcher die Arbeiter*innenklasse diese Debatten beginnen kann, wäre jedoch ein wichtiger Schritt vorwärts.