Döner-Streik für Tarifvertrag

Im schwäbischen Murr kämpft eine Belegschaft für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen

Nach neun Warnstreiks bei Birtat, einem der größten deutschen Dönerfleischspieß-Hersteller, in Murr (nördlich von Stuttgart) hat die Gewerkschaft NGG die Beschäftigten zum zehnten Streiktag am 31. Juli zur Demonstration und Kundgebung in die nahegelegene Kreisstadt Ludwigsburg aufgerufen. Diesem sind 150 Beschäftigte und solidarische Gewerkschafter*innen gefolgt.

Von Alexander Brandner, Sol Ortsgruppe Stuttgart stellv. Mitglied im Bezirksvorstand von ver.di Stuttgart*

Seit Anfang der 1990er produziert Birtat Dönerfleischspieße und hat aktuell um die 120 Beschäftigte. Die Arbeitsbedingungen sind hart und zum größten Teil prekär. Die Löhne bewegen sich zwischen 2300 und 3300 Euro brutto. Diese werden individuell ausgehandelt oder vorgegeben.

Betriebsrat

Um dem willkürlichen Treiben der Bosse ein Ende zu setzen haben einige Beschäftigte im Jahr 2024 erstmals erfolgreich einen Betriebsrat gegründet. Davon waren Direktion und Geschäftsführung nicht begeistert und beahupteten, es gebe gute Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Sie folgerten daraus, dass mit einem Betriebsrat und diesen Bedingungen die Beschäftigten „nicht gleich anfangen zu streiken“ (STZ 25.9.2024). Doch das ist nun geschehen.

Verhandlungen

Im Februar 2025 begannen die Tarifverhandlungen für einen ersten Tarifvertrag in der Dönerfleischindustrie. Mit einem Tarifvertrag soll der Willkür bei den Löhnen ( laut NGG Geschäftsführerin in Stuttgart reichen dies vom Mindestlohn bis circa 18 Euro) Einhalt geboten werden sowie weitere rechtssichere Standards, wie Urlaub und Arbeitsbedingungen, verbindlich werden. Aber nach vier Verhandlungsrunden war Anfang Juli für die Geschäftsführung klar: Ein Tarifvertrag kommt nicht in Frage – Lohnsteigerungen bis zu 375 Euro würden angeblich die Produktion gefährden. Das sagt die selbe Geschäftsführung,die sich ein deutlich Vielfaches der Arbeiter*innen-Löhne gönnt und Porsche fährt!

Streiks

So begann am 3. Juli vor den Werkstoren der erste von bis dato zehn Warnstreiks.

Seitens der Geschäftsführung folgte dann das übliche Szenario: Einschüchterungen, Einzelgespräche mit Aussicht auf individuelles Lohnplus, Drohungen, Prämie für Gewerkschaftsaustritt und was man sich sonst so nicht ausdenken kann.

Die Beschäftigten ließen sich jedoch nicht einschüchtern und nachdem anfangs nur Wenige streikten, bestreikte zwei Wochen später nahezu die gesamte Belegschaft den Betrieb. Eine Streikabbruchprämie von 200 Euro pro Streiktag (die einige sicherlich nötig hätten) und Essensbuffet für Streikbrecher*innen hat bisher niemand angenommen. Auch daran sieht man, was entgegen dem Klagen der Bosse plötzlich möglich ist und was für finanzielle Ressourcen bestehen. Nachdem es nochmal zu Gesprächen mit der Geschäftsleitung kam, die jedoch erneut ergebnislos abgebrochen wurden, leitete die NGG die Urabstimmung ein. Diese wurde am 30.7.2025 mit einhundert Prozent fast aller Beschäftigten für einen unbefristeten Streik angenommen!

Solidarität

An der lauten und stimmungsvollen Demonstration in Ludwigsburg waren auch KollegInnen aus anderen DGB-Gewerkschaften wie IG Metall und ver.di solidarisch dabei. Neben den Berichten der Streikenden gab es Grußworte von DGB, IG Metall, ver.di, DiDF und Die Linke.

Das geschlossene Vorgehen der Beschäftigten ist beeindrucken und macht Mut, dass dieser Kampf um Euro 375.- Lohnplus, Tarifvertrag, Anerkennung der NGG im Betrieb und gesunde und sichere Arbeitsbedingungen in der Lebensmittelbranche gewonnen werden kann. Die kämpferische Entschlossenheit der Kolleg*innen könnte und sollte Signalwirkung für die gesamte Gewerkschaftsbewegung haben, um den Teufelskreis aus faulen Kompromissen zu Lasten der Arbeiter*innen endlich zu durchbrechen.

* = Funktionsangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person