
Das Schicksal der Ukraine in den Händen der Imperialisten
Der jüngste Gipfel zwischen Donald Trump und Vladimir Putin, der unter dem Deckmantel der „Friedensdiplomatie“ in Alaska stattfand, und das eilig einberufene Treffen des ukrainischen Staatschefs Wolodymyr Selenskyj und führender europäischer Mächte am 18. August im Weißen Haus haben beide die zynischen Manöver der imperialistischen Nationen offenbart. Im Einklang mit der historischen Aufteilung der Welt durch den Imperialismus im Laufe der Jahrhunderte verfolgen diese Mächte von oben herab einen eigennützigen Ansatz gegenüber dem Schicksal der leidenden Menschen in der Ukraine und in der gesamten Region.
Von Nial Mulholland, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI)
Sehr zum Leidwesen der europäischen Mächte holte Trump Putin aus dem Abseits zurück. Noch vor nicht allzu langer Zeit wurde der russische Präsident als Paria gebrandmarkt, von der sogenannten „internationalen Gemeinschaft“ in die äußerste Finsternis verbannt, und er wird weiterhin vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen gesucht. In Anchorage rollte Trump jedoch den roten Teppich für Putin aus und applaudierte ihm. Putin ging gestärkt aus dem Treffen hervor und wiederholte seine Propaganda, dass die Invasion Russlands in die Ukraine aus sicherheitspolitischen, militärischen und ideologischen Gründen gerechtfertigt sei.
Vor den Gesprächen hatten Selenskyj und andere europäische Staats- und Regierungschefs, die von dem Treffen in Anchorage ausgeschlossen waren, Trump gedrängt, keine Vereinbarungen mit Putin zu treffen, die „Landtausch“ beinhalten. Sie forderten Trump auf, auf einen Waffenstillstand zu drängen (da die ukrainische Armee gegenüber den russischen Streitkräften stark an Boden verloren hat, ist ein Waffenstillstand zu einer zentralen Forderung geworden, der Selenskyj und seinen Verbündeten Zeit für eine Neuordnung geben würde).
Selenskyj und andere europäische Staats- und Regierungschefs waren zunächst erleichtert, dass Trump nicht versuchte, „ein weiteres Jalta“ zu inszenieren (d. h. eine Aufteilung des Territoriums mit Putin über die Köpfe von Selenskyj und den europäischen Staats- und Regierungschefs hinweg, wie es Roosevelt, Churchill und Stalin getan hatten). Später stellte sich jedoch heraus, dass Trumps Annäherungsversuche an Putin auch die Bereitschaft beinhalteten, ein „umfassendes Friedensabkommen“ in Betracht zu ziehen, das Russlands Gebietsgewinne faktisch akzeptiert. Trump forderte Selenskyj und die europäischen Mächte außerdem auf, die Forderung nach einem Waffenstillstand vor Abschluss eines Abkommens fallen zu lassen, was ebenfalls Putins Forderung entsprach.
Sanktionen gegen Russland wurden während des Gipfels nicht ausdrücklich erwähnt, aber später deutete Trump auf seiner Plattform „Truth Social“ an, dass die USA ihre Drohungen mit neuen Sanktionen gegen Russland nicht umsetzen würden.
Das Ergebnis der Gespräche in Anchorage stieß bei ukrainischen Politiker*innn und Armeeangehörigen auf scharfe Kritik. Ukrainische Regierungsvertreter*innen betonten, Selenskyj werde einer Übergabe von Donezk und Luhansk nicht zustimmen, sei aber „offen“ für Gespräche über Gebietsfragen in einem künftigen Dreiertreffen mit Trump und Putin. Kiew lehnt die Aufgabe einer Reihe schwer befestigter Städte im ukrainisch kontrollierten Teil der Region Donezk entschieden ab. Die ukrainische Regierung argumentiert, dies würde Russland einen Brückenkopf für künftige Offensiven verschaffen.
Alarmiert bemühten sich mehrere europäische Staats- und Regierungschefs und Selenskyj um ein Treffen mit Trump im Weißen Haus am 18. August. Ihre Hauptziele waren, erneut auf einen Waffenstillstand zu drängen, die Idee zu verhindern, dass die Abtretung von noch unter ukrainischer Kontrolle stehenden Gebieten an Russland zur Voraussetzung für ein Abkommen wird, und festzulegen, was die USA bereit sind zu tun, um nach einem Friedensabkommen „die Sicherheit der Ukraine zu garantieren”.
Unterwürfige europäische Staats- und Regierungschefs
Trotz ihrer Unterwürfigkeit gegenüber Trump bekräftigte der US-Präsident, dass die Ukraine den Verlust der Krim akzeptieren und Gebiete im Donbass aufgeben müsse, und wiederholte, dass die Ukraine nicht der NATO beitreten werde. In einer Fernsehansprache nach den Gesprächen in Washington deutete Selenskyj an, dass er den Verlust von Gebieten akzeptieren müsse, als er sagte: „Die Frage der Gebiete bleibt mir und Putin überlassen.“ Während des größten Teils des Krieges haben weder er noch seine europäischen Verbündeten öffentlich territoriale Verluste in Betracht gezogen.
Trump sprach von einem anschließenden bilateralen Treffen (zwischen Putin und Selenskyj) und „Trilateralen“ (Gesprächen zwischen den USA, der Ukraine und Russland), aber nichts ist fest beschlossen.
Um etwas aus den Treffen in Washington zu retten, sprechen Selenskyj und die europäischen Mächte von Trumps vager Zusage „Sicherheitsgarantien“ der USA für eine Ukraine nach dem Krieg. Trump hat jedoch erklärt, dass Europa „einen Großteil der Last in einer Sicherheitsvereinbarung tragen“ müsse. Dies ist weit entfernt von einer uneingeschränkten Unterstützung und dem Schutz der Ukraine durch die NATO. Der US-Gesandte Steve Witkoff sprach letzte Woche von einem „Zugeständnis“ an die Ukraine, wonach die USA „Artikel-5-ähnlichen Schutz“ gewähren würden, in Anlehnung an die gegenseitige Verteidigungsklausel der NATO. Diese Klausel ist jedoch notorisch ungenau und verpflichtet ein NATO-Mitglied, „die Maßnahmen zu ergreifen, die es für notwendig erachtet“, um einem Verbündeten zu Hilfe zu kommen.
Seit den Treffen in Washington hat Trump erneut bekräftigt, dass die Ukraine „nicht Teil der NATO werden wird, aber wir haben europäische Nationen, und sie werden [die Sicherheit] übernehmen”. Trump hat lediglich versprochen, dass die USA „aus der Luft” eine Rolle bei einer „Sicherheitsgarantie für die Nachkriegszeit” spielen könnten, ohne jedoch ins Detail zu gehen. Er sprach auch von europäischen Truppen „vor Ort”. Russland bekräftigte seinerseits, dass es keine westliche Truppenpräsenz in der Ukraine akzeptieren werde.
Trump lässt sich davon leiten, dass die Ukraine den Krieg verliert, trotz der enormen militärischen Hilfe der NATO und der finanziellen Unterstützung durch die europäischen Mächte und die USA. Der Trump-Flügel der herrschenden Klasse der USA will die Macht der USA in Richtung China und Südchinesisches Meer verlagern. Die aufstrebende Macht Chinas, sowohl wirtschaftlich als auch militärisch, ist ihr Hauptanliegen. Trump hofft auch, dass ein Ende des Krieges in der Ukraine den Weg für lukrative Handels- und Wirtschaftsabkommen zwischen den USA und Russland ebnen und Russland aus dem Einflussbereich Chinas lösen wird.
Für die wichtigsten imperialistischen Mächte Europas steht Russland im Mittelpunkt ihres Interesses. Seit der Auflösung der ehemaligen Sowjetunion hat sich zwischen den kapitalistischen Mächten in der Region ein langwieriger Kampf um natürliche Ressourcen, Territorium und Einfluss entfaltet. Über Jahrzehnte hinweg expandierte die NATO provokativ nach Osten, sehr zum Missfallen Russlands, das sich wiederbewaffnete und schließlich 2022 in die Ukraine einmarschierte. Sozialist*innen lehnten diesen reaktionären und ungerechtfertigten Angriffskrieg eines oligarchisch-kapitalistischen Staates ab.
Trumps zweite Amtszeit markierte einen scharfen Bruch mit der Politik Bidens gegenüber der Ukraine und der NATO. Trumps „America first“-Politik sieht auch Strafzölle für seine vermeintlichen europäischen Verbündeten vor.
Die wichtigsten imperialistischen Staaten Westeuropas verabscheuen die Vorstellung eines faktischen Sieges Russlands im Ukraine-Krieg. Dies würde Putin ermutigen, weitere militärische Maßnahmen gegen andere NATO-freundliche Nachbarstaaten zu ergreifen und „asymmetrische Kriegsführung“ in weiter entfernten Regionen zu betreiben, beispielsweise durch verheerende Angriffe auf die digitale Infrastruktur des Westens.
Kapitalistische Heuchelei
Trotz ihrer Rhetorik über die Verteidigung von „Demokratie“ und „Souveränität“ gegen Putin haben diese europäischen Mächte keine Skrupel, Israels Besatzung und Invasion palästinensischer Gebiete sowie seine Völkermord-Politik im Gazastreifen zu unterstützen und zu begünstigen. Und dieselben Mächte, die sich gegen die Aggression Russlands stellen, haben Afghanistan, den Irak und andere Teile des Nahen Ostens unter enormen Verlusten an Menschenleben und Ressourcen überfallen und blutig besetzt.
Angesichts der Haltung Trumps und der militärischen Erfolge Russlands hat Selenskyj keine starke Position. Auf dem Schlachtfeld hat Russland während seiner Sommeroffensive weitere Gewinne erzielt. Vor kurzem rückte das russische Militär in der Nähe der Kohlebergbaustadt Dobropillia zehn Kilometer vor. Im Bereich der Drohnenkriegsführung hat Russland seit einiger Zeit die Oberhand.
Darüber hinaus ist die Moral der ukrainischen Truppen Berichten zufolge niedrig, und viele Ukrainer*innen lehnen die Wehrpflicht ab. Die persönliche Stellung von Selenskyj hat kürzlich einen Schlag erlitten, nachdem seine Versuche, staatliche Antikorruptionsbehörden abzuschaffen, die Personen aus dem Umfeld des Präsidenten ins Visier genommen hatten, auf große Straßenproteste stießen.
Selenskyj steht auch unter dem Druck von nationalistischen Hardliner*innen in der Ukraine und ist sich bewusst, dass territoriale Zugeständnisse an Russland seinen politischen Selbstmord bedeuten könnten.
Die europäischen Mächte diskutieren, wie sie die Lücke füllen können, die die Trump-Regierung hinterlassen hat. Unter dem Druck Trumps haben die NATO-Staaten höhere Ausgaben zugesagt. Die „Weimar Plus“-Koalition, zu der Frankreich, Deutschland, Polen, Italien, Spanien, die EU und Großbritannien gehören, und die von Großbritannien initiierte „Koalition der Willigen“ wurden gegründet, um die „Unterstützung für die Ukraine“ zu koordinieren. Europa schickt nun mehr Geld und mehr militärische Ausrüstung in die Ukraine als die USA. Trotz alledem sind die europäischen Staaten nicht in der Lage, die Schlüsselrolle des US-Militärs bei der Unterstützung der Ukraine gegen Russland zu übernehmen.
Darüber hinaus geht die Erhöhung der Verteidigungsausgaben mit Angriffen auf die Lebensbedingungen der Arbeiter*innenklasse in Europa einher. „Es ist Krieg gegen Sozialleistungen“, platzte General Sir Richard Barrons, ehemaliger britischer Befehlshaber der Streitkräfte und einer von drei Experten, die die jüngste strategische Verteidigungsüberprüfung Großbritanniens durchgeführt haben, heraus.
Die europäischen „großen Drei“ – Starmer, Frankreichs Präsident Macron und der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz –, die die europäische Opposition gegen Russland anführen, sind alle in ihren Ländern unbeliebt und verlangen von den arbeitenden Menschen in ihren Ländern Opfer für Militärausgaben.
Und die Europäische Union ist sich in der Ukraine-Kriegsfrage nicht einig. Die Regierungen der an Russland angrenzenden baltischen und nordischen Staaten nehmen eine harte Haltung gegenüber Moskau ein. Polen hat während eines Großteils des Krieges zwischen der Ukraine und Russland ebenfalls diesen Kurs verfolgt, aber am 18. August keinen Vertreter nach Washington entsandt. Dies spiegelt die innenpolitischen Spaltungen zwischen dem pro-westlichen Ministerpräsidenten und dem neuen rechtspopulistischen polnischen Präsidenten wider. Einige andere europäische Länder, darunter Spanien, Italien und Portugal, sind weniger geneigt, die Ukraine in den Mittelpunkt zu stellen. Und die Regierungen einiger ehemaliger stalinistischer Ostblockstaaten wie Ungarn und die Slowakei neigen zu Putin.
Der Gipfel zwischen Trump und Putin in Alaska löste in den USA gemischte Reaktionen aus, wobei Trumps MAGA-Anhänger*innenschaft ihn weitgehend unterstützte. Die Stimmung der Republikanischen Partei gegenüber der Ukraine hat sich jedoch in letzter Zeit gewandert. Eine Umfrage ergab, dass 51 Prozent der Republikaner nun eine Fortsetzung der Militärhilfe für die Ukraine befürworten, gegenüber dreißig Prozent vor fünf Monaten. Der republikanische Kongressabgeordnete Brian Fitzpatrick und Senator Lindsey Graham betonten, dass jedes Friedensabkommen die Ukraine einbeziehen und „ihre Souveränität wahren” müsse. Wenn Trump jedoch den Anschein erwecken kann, dass er Selenskyj zu einem Waffenstillstand zwingt, um einen in den USA unpopulären Krieg zu beenden, könnte Trumps Ansehen bzgl. des Themas Ukraine steigen.
Aus marxistischer Sicht ist der Krieg in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg zwischen konkurrierenden imperialistischen und kapitalistischen Blöcken, die jeweils versuchen, ihren Einfluss und ihren Zugang zu natürlichen Ressourcen und Märkten auf Kosten der rivalisierenden Mächte und natürlich auf Kosten des Lebens und der Existenzgrundlage der Arbeiter*innen auszuweiten.
Die Arbeiter*innenklasse in Russland, der Ukraine, Europa und den Vereinigten Staaten muss die falschen Alternativen ihrer herrschenden Eliten und deren Ziel, Gebiete über die Köpfe der arbeitenden Bevölkerung in der Ukraine und der Region hinweg aufzuteilen, ablehnen. Trump würde zweifellos gerne über die Köpfe des ukrainischen Volkes hinweg ein Abkommen mit Putin schließen. Ein Abkommen, das Militarismus, Nationalismus und Armut in einem vom Krieg zerstörten Land festigt.
Zynische Zermürbung
Ebenso zynisch ist das Vorgehen der imperialistischen europäischen Mächte, die die USA davon überzeugen wollen, die Ukraine in einem blutigen Zermürbungskrieg mit Russland weiter zu finanzieren und zu bewaffnen, in der Hoffnung, dass Putins Regime irgendwann erschöpft und isoliert ist.
Der einzige Weg nach vorne liegt im Aufbau unabhängiger, internationalistischer und sozialistischer Bewegungen, die sich sowohl gegen Putins Aggression als auch gegen die NATO-Erweiterung und die zynischen Manöver aller kapitalistischen Mächte stellen.
Arbeiter*innenorganisationen mit einer unabhängigen Klassenpolitik können in diesem Kampf eine zentrale Rolle spielen. Der Gipfel in Anchorage und die Szenen in Washington sollten genutzt werden, um den imperialistischen Charakter beider Lager aufzudecken und Forderungen nach einem Ende des „Fleischwolfkrieges“, nach einem militärischen Rückzug und nach Solidarität der Arbeiter*innen über Grenzen hinweg zu stellen.
In den USA müssen Arbeiteraktivist*innen der eigennützigen nationalistischen Rhetorik und den Handlungen Trumps entgegentreten. Sozialist*innen und die Arbeiter*innenbewegung in Europa müssen sich der kriegstreiberischen Rhetorik und den Aktionen der europäischen Regierungen widersetzen und ein Ende der Kriegsprofite fordern. In Russland müssen kriegsgegnerische Arbeiter*innen und Sozialist*innenen weiterhin gegen den Krieg und die Unterdrückung abweichender Meinungen kämpfen. In der Ukraine muss die Linke für ein Programm kämpfen, das sich gegen die russische Aggression und für die nationale Selbstbestimmung einsetzt und gleichzeitig kapitalistische Ausbeutung und ausländische imperialistische Herrschaft ablehnt. Dazu gehört auch, das Recht der russischsprachigen Minderheit im Osten der Ukraine und auf der Krim auf eine selbstbestimmte Zukunft ohne jegliche Zwangsmaßnahmen zu unterstützen.
Der Trump-Putin-Gipfel und die eiligen Gespräche in Washington signalisieren eine neue Phase der imperialistischen Neuordnung. Sie wird keinen dauerhaften Frieden bringen, sondern legt den Grundstein für Spaltungen entlang nationaler und ethnischer Linien, weitere Militarisierung, künftige Kriege, Wirtschaftskrisen und zunehmenden Autoritarismus. Sozialist*innen müssen den Bankrott der kapitalistischen Diplomatie aufdecken und eine Alternative aufbauen, die in der internationalen Solidarität der Arbeiter*innenklasse verwurzelt ist.
Wie Leo Trotzki nach dem Ersten Weltkrieg schrieb: „Die Epoche des imperialistischen Verfalls ist auch die Epoche der proletarischen Revolution.“ Die Herausforderung für die Arbeiter*innenbewegung besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Arbeiter*innenklasse nicht passiver Zuschauerin der Geschäfte von Milliardär*innen und Generälen bleibt, sondern für den Aufbau eigener mächtiger Organisationen kämpft, nicht zuletzt in der Ukraine und in Russland, und zur entscheidenden Kraft gegen Krieg und kapitalistische Barbarei und für den sozialistischen Umbau wird.