
Die größte Rüstungsschmiede in den USA wittert dicke Profite
Sagen wir es gleich vorab: Am Beschaffungsprojekt des Kampfflugzeugs Lockheed F-35 Lightning II, so der vollständige Name des Typs, stören nicht so sehr die Begleitumstände: Es ist egal, was dieses Flugzeug nun wirklich zu leisten imstande ist. Problematisch am milliardenschweren Kauf der F-35 ist, dass die deutschen Herrschenden auch mithilfe dieses Vogels wieder nach der Geige im Konzert der imperialistischen Mächte greifen wollen und das dafür eingeplante Geld eben nicht für sinnvolle Investitionen im Interesse der Masse der Bevölkerung auszugeben bereit sind. Aufrüstung ist Diebstahl, das ist das Problem. Dennoch lohnt ein genauerer Blick auf das Projekt.
Von Steve Hollasky, Dresden
Marx hatte Recht, wenn er einen Ausspruch Hegels erweiternd erklärte, Geschichte wiederhole sich. Zuerst käme die Tragödie, später hingegen die Farce.
Der Kauf der Lockheed F-35 könnte eine solche Farce werden: Das Kampfflugzeug ist teuer, unausgereift und neigt zu explodierenden Beschaffungs- und Unterhaltungskosten, wie die Erfahrungen anderer NATO-Staaten beweisen. Lockheed selbst ist beim Bau seiner Rüstungsgüter nicht unbedingt vom Glück verfolgt und erzeugte damit so manches Drama.
Ein Blick in die Geschichte
Schon einmal kaufte die Bundesrepublik aus der Rüstungsschmiede Lockheed ein Kampfflugzeug: Es war der skandalumwitterte F-104G Starfighter. Der Ursprungsentwurf war der United States Airforce zu schlecht geraten und so kauften die Streitkräfte der Vereinigten Staaten nur eine geringe Anzahl. Zugleich sicherte man Lockheed zu, Exportbemühungen zu unterstützen.
Mit einigem Erfolg: Dänemark, Italien, Belgien, die Niederlande, Kanada, Pakistan, Taiwan und zahlreiche weitere Staaten nutzten den Starfighter in ihren Streitkräften. Auch die Bundesrepublik ließ ab den frühen 1960er Jahren ihre Piloten in die Cockpits der F-104 einsteigen.
Der damalige Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß war, trotz aller Warnungen und Bedenken, derart auf das Flugzeug fixiert, dass mancher an einen Korruptionsfall glaubte. Vorteilsnahme konnte dem CSU-Politiker, der schon bei anderen Rüstungsprojekten wie dem Schützenpanzer HS-30 für Skandale gesorgt hatte, hingegen nicht nachgewiesen werden.
Eigenartig bleibt die Entscheidung für den Starfighter bis heute. Das Flugzeug sollte Aufgaben als Jagd-, Jagdbomben-, Aufklärungsflugzeug und als Träger für Atomwaffen auf einmal erfüllen. Dafür waren aufwendige Konstruktionsänderungen erforderlich. Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung gab es die spezielle Version, die Strauß haben wollte noch nicht einmal.
Was den in die USA gereisten Piloten der Bundesluftwaffe dann übergeben wurde, verdient den Titel Edelschrott, der fliegen kann: Beim Schießen mit der Bordkanone flogen die Sicherungen raus, das Triebwerk lief nicht zuverlässig und dessen Ausfall zog aufgrund der eigenwilligen Konstruktion der F-104 dessen sofortigen Absturz nach sich. Vertragliche Vereinbarungen verhinderten aber eine Verweigerung der Abnahme und so gelangten die ersten Flugzeuge nach Deutschland.
Dort hatte sich Josef Kammhuber, Generalinspekteur der Bundesluftwaffe und ein Freund des Bundesverteidigungsminister, für diesen eine besonderes Geschenk ausgedacht: Zur Einführung des Starfighters sollte der in einem öffentlichen Schaufliegen vorgestellt werden.
Kammhuber hatte schon vor dem Zweiten Weltkrieg an der Organisation der Aufrüstung der Luftwaffe des „Dritten Reichs“ führend teilgenommen. Seiner Karriere in Bundeswehr und NATO tat das keinen Abbruch – ganz im Gegenteil.
Schon die Vorführung des Starfighters geriet zur Tragödie: Alle vier Flugzeuge stürzten ab, alle vier Piloten starben. Das Triebwerk der Führungsmaschine, mit einem US-Piloten am Steuer, fiel im Steigflug aus und riss die folgenden F-104 mit in die Tiefe.
Tödliche technische Pannen begleiteten den gesamten Einsatz des Starfighters in Deutschland: Gut ein Drittel der Maschinen bohrte sich in Felder, zerschellte an Bergen, zerplatzte auf Wasseroberflächen. Die lebenserhaltenden Systeme des Piloten neigten ebenso zu Fehlfunktionen wie der eigentlich als Rettungsanker gedachte Schleudersitz. Es waren 116 Piloten, die diesen Skandal mit ihrem Leben bezahlten. Der Starfighter war für die eigenen Besatzungen weitaus gefährlicher als für potentielle Gegner*innen.
In der Bevölkerung machten zynische Witze die Runde, in denen man unter anderem darüber spekulierte auf welchem Wege man in den Besitz eines eigenen Starfighters gelangen könne: Es sei einfach, so die Erzählung, es brauche lediglich den Kauf eines Gartens und etwas Geduld… Tageszeitungen zählten einen makabren Countdown, wie viele Starfighter bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abstürzen würden. Es waren zum Schluss 292.
Dennoch kann man in den Akten vieler Abstürze bis heute etwas von „pilot error“ lesen. Es ist vor allem zwei Witwen zu verdanken, dass die Wahrheit ans Licht kam. Nachdem ihr Mann bei einer Übung in den Niederlanden abgestürzt war, klagte Gerlinde Hippel gegen Lockheed. Der Klage schloss sich schließlich 1970 die Schwiegertochter des damaligen Verteidigungsministers Kai-Uwe von Hassel (SPD) an, nachdem auch ihr Ehemann, Joachim von Hassel, mit der F-104 abgestürzt war. Lockheed musste Entschädigungen zahlen und zumindest teilweise Konstruktionsmängel einräumen. Soweit zur Tragödie.
Satte Profite sind sicher
Die öffentlich aus dem Fiasko gezogenen Lehren sind bis heute eher lächerlich: Man wollte fortan die europäische Rüstungsindustrie stärken, auf Aufrüstung verzichten wollte man nicht. Dennoch kauft man die F-35 nun wieder bei Lockheed in den USA, ein Flugzeug, welches nur über ein Triebwerk verfügt, ebenso wie die F-104. Auch den Kauf solcher Flugzeuge hatte man nach dem Starfighterskandal ausgeschlossen.
Freuten sich im Ergebnis der Affäre um die F-104 zunächst die europäischen Rüstungsbosse auf das Klingeln von Steuergeld in ihren Kassen, reibt sich nun auch wieder Lockheed in den USA die Hände. Willkommen in der Farce.
Die F-35 wird ab 2027 Deutschland etwas zwischen 8,3 und zehn Milliarden Euro in der Beschaffung kosten. Bei dem geplanten Kauf von 35 Stück entspräche das einem Stückpreis von knapp 286 Millionen Euro und damit würden die nach Deutschland gelieferten Maschinen 119 Millionen Euro teurer sein als die, die in die Schweiz gehen.
Diese Mittel fehlen an anderer Stelle: rein rechnerisch könnte man für zehn Milliarden Euro bis zu 200.000 Pflegekräfte einstellen und ein Jahr lang bezahlen oder 200 Krankenhäuser mit hundert Betten bauen.
Die Steuerzahler*innen sollten sich jedoch darauf einstellen, dass es weitaus teurer kommen könnte: Dänemark, auch Kunde bei Lockheed, rechnet mit um fünfzig Prozent steigenden Unterhaltskosten für die F-35. In Kanada stieg der Beschaffungspreis mal eben von 19 auf 27 Milliarden für das Gesamtprojekt und auch der Schweiz kündigte Lockheed aufgrund steigender Materialkosten einen Aufschlag zwischen umgerechnet 650 und 1300 Millionen Euro an. Rüstung kostet nicht nur einfach viel Geld. Diese Mittel fließen von der öffentlichen Hand in die privaten Taschen einiger weniger Unternehmer.
Zudem ist die F-35 ein Klimakiller und das übrigens sogar noch mehr als so manch andere Mordmaschine: Während die F-35 pro Flugstunde etwa 5600 Liter Kerosin verbrennt, verbraucht der von deutschen Firmen mit entwickelte Eurofighter pro Flugstunde etwa die Hälfte – von Klimaschutz ist man auch mit dem Eurofighter ohne Zweifel meilenweit entfernt. Ein einziger Flug der F-35 soll jedoch etwa 28 Tonnen CO2 in die Atmosphäre pumpen.
Pleiten, Pannen, Skandale
Insbesondere in der Schweiz mehren sich die Zweifel am Einkauf von 36 F-35. Und die Kritiker*innen dort haben so einige Argumente ins Feld zu führen: Jüngst berichtete das Portal Watson, dass beim Kauf der F-35 Fähigkeiten wie die Zerstörung eines Flugplatzes in Tschechien oder die Ausschaltung eines Bunkers in Österreich ausschlaggebend gewesen sein sollen. Die F-35 ist unbestreitbar eine Offensiv- und keine Defensivwaffe. Nur liegt die Schweiz ja nun weder mit Tschechien noch mit Österreich im Konflikt.
Für die Bundesluftwaffe war für den Kauf der F-35 übrigens entscheidend, dass die Maschine – von US-Seiten zertifiziert – Atombomben in ein eventuelles Ziel tragen kann.
Inzwischen nehmen auch Zweifel an den technischen Leistungen der F-35 in der Schweiz zu: Das Triebwerk könnte zu schwach sein. In den USA rüstet man inzwischen nach, denkt gar über den Einbau eines völlig neuen Antriebs nach. Im Ergebnis dürften die Kosten überall steigen. Lockheed und den Triebwerkshersteller General Electric dürfte das freuen. Inwieweit all das auf Deutschland noch zukommt liegt vollkommen im Dunkeln.
Zudem ist der High-Tech-Jet auch noch enorm störanfällig, die Kosten für Reperaturen könnten demnach in die Höhe schnellen.
Nicht zuletzt, auch das lässt selbst die Köpfe einiger Militärs rauchen, ist die F-35 nicht nur auf die Zulieferung von Ersatzteilen aus den USA angewiesen, sondern auch vom Datenfluss aus Übersee. Ohne diese Infrastruktur drohen die teuren Vögel mittelfristig am Boden zu bleiben.
Auch das Rheinmetall in Zukunft im niedersächsischen Weeze Rumpfmittelteile für die F-35 herstellen und dann in die Vereinigten Staaten liefern will, ändert an dieser Situation nicht viel. In Zeiten der kriselnden Zusammenarbeit innerhalb der NATO droht den Betreibern der F-35 mitunter ein jähes Ende des Flugbetriebs, sollten die Vereinigten Staaten den Zufluss einschränken oder stoppen. Zumindest die Umwelt dürfte das aber freuen.
Verstaatlichen! Produktion umstellen! Arbeitsplätze erhalten!
Rüstungsindustrie bringt Geld, sehr viel Geld für die privaten Betreiber der Waffenschmieden. Darum geht es im Kapitalismus. Will man das verändern, hilft nur, die Rüstungsindustrie denen wegzunehmen, die mit ihren tödlichen Spielzeugen Profite machen.
Rüstungsindustrie muss verstaatlicht werden. Das allein reicht aber natürlich noch nicht. Die verstaatlichten Betriebe müssen demokratisch verwaltet und kontrolliert werden und die dort arbeitenden Beschäftigten müssen eine Jobgarantie erhalten. Die Produktion gilt es auf Erzeugnisse umzustellen, die für die Menschheit sinnvoll sind. Die F-35 ist – trotz aller Mängel – ein absolutes Hochtechnologieprodukt. Was könnte man Gutes tun, wenn all die Kraft, der Erfindergeist, all die Talente, die Arbeit und Mühe und das Geld, was allein in dieses Projekt gesteckt wird, in Produkte und Forschung investiert werden würde, die allen Menschen zugute kommen.
Angesichts des Abbaus von Industriearbeitsplätzen sehen auch manche Beschäftigte und leider auch manche betriebsräte und Gewerkschaftsführer*innen die Lösung für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Umstellung auf Rüstungsproduktion. Das ist gesellschaftlich aber keine Lösung, stattdessen muss die vorhandene Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn auf alle verteilt werden und muss in gesellschaftlich sinnvolle Produkte investiert werden – wovon es genug gibt: Busse, Bahnen, Brücken, Medizingeräte ….
Wollen wir das erreichen, müssen wir uns gegen Aufrüstung zur Wehr setzen. Das können wir nur, wenn wir entschlossen kämpfen und dazu braucht es bundesweite Kampagnen von der Partei Die Linke, ebenso wie von den Gewerkschaften, die bislang nur – wenn überhaupt – äußerst selten Position gegen die laufenden Aufrüstungsmaßnahmen beziehen.
Wollen wir, das Geschichte weder Tragödie noch Farce ist, dann müssen wir für ine andere Zukunft kämpfen. Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie „die Wolke den Regen“, sagte Jean Jaures. Genau deshalb müssen wir ihn abschaffen!