
Streik erkämpft ersten Tarifvertrag in der Dönerfleisch-Industrie
Die Beschäftigten von Birtat haben sich den ersten Tarifvertrag in der Dönerfleisch-Industrie erstreikt ! Dieser läuft zunächst bis Ende 2026 und beinhaltet Entgeltsteigerungen von bis zu 17 Prozent für die unteren Gehaltsklassen, was einem vorläufigen Mindesteinstiegsgehalt von 2600 Euro bedeutet, sowie weitere Nettozahlungen und in 2026 ein Lohnplus von drei Prozent. Während dieser Zeit soll dann der endgültige Manteltarifvertrag ausformuliert werden.
von Alexander Brandner, Sol Ortsgruppe Stuttgart stellv. Mitglied im Bezirksvorstand von ver.di Stuttgart*
Der zehnte Streiktag der Birtat-Beschäftigten und die Kundgebung in Ludwigsburg am 31. Juli hatten kurzfristig Wirkung gezeigt. Die Bosse, die von Beginn an nicht mit dieser Entschlossenheit der Beschäftigten gerechnet hatten und meinten, nach zwei oder drei Streiktagen hätten diese sich wohl ausgetobt, sahen, dass diese standhaft blieben. So signalisierten sie im Anschluss Verhandlungsbereitschaft, welche von Gewerkschaft und Tarifkommission angenommenwurden.
Nachdem aber im Laufe des Dienstags, den 5. August, herauskam, dass weiterhin nicht über einen Tarifvertrag gesprochen werden sollte, wurden die für die Dauer der Verhandlungen angebotenen unterbrochenen Streiks wieder hochgefahren.
Am Mittwoch und Donnerstag streikte die Belegschaft erneut.
Verluste
Für Birtat stellen die Produktionsausfälle durch die Streiktage beträchtliche Einbußen dar. Werden pro Tag 35 bis 40 Tonnen Fleisch verarbeitet, so waren es an diesen Tagen nicht mal ein Fünftel der Menge. Hinzu kommt, dass Lieferverträge nicht eingehalten werden können. Zwar wurde versucht durch die Produktion in einem Werk in Polen den wirtschaftliche Schaden zu minimieren, jedoch gelang das nur zum Teil.

Gezwungenermaßen
Auf Grund der Streiks knickte die Geschäftsführung ein und zeigte doch wieder Verhandlungsbereitschaft. So fanden am Donnerstag, den 7. August, dem zwölften Streiktag, tatsächlich Verhandlungen auf Basis von Tarifvertragsgesprächen statt. Natürlich geht es nicht nur um Löhne. Bei einer 40-Stunden-Woche liegt das Einstiegsgehalt von aktuell um die 2300 Euro nur knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn. Der Abstand zu diesem wird jetzt und auch in 2026 nun deutlich größer sein. Das wollten die Bosse um des Profit willens natürlich vermeiden und leisteten deshalb so lange Widerstand – wer verzichtet schon gern auf seinen zweiten Porsche? Ihre Haltung zeigt sich auch darin, dass im Werk nur der gesetzliche Urlaubsanspruch von 24 Tagen gewährt wird, was 4 Wochen im Jahr entspricht. Nun werden verbindlicher Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit die Gewinne der Chefetage zusätzlich schmälern, wenn diese Elemente eines Manteltarifvertrages werden.
Solidaritätsbesuch
Ines Schwerdtner, die Parteivorsitzende der Linkspatrei, war am Mittwoch und Donnerstag in der Region Stuttgart auf Veranstaltungstour. Kurzfristig hat sie am Donnerstag, auf Vorschlag von Sol-Mitgliedern, vor einem geplanten Termin den Streikposten besucht und Grüße und Solidarität der Partei ausgesprochen. Sie hat die Wichtigkeit des Streiks für einen ersten Tarifvertrag in der Dönerfleisch-Industrie bekräftigt, die berechtigten Forderungen untermauert, sowie die bewundernswerte Kampfkraft der Beschäftigten hervorgehoben, die immer mehr Bekanntheit im ganzen Land erlangt. Auch dass sich die Arbeiter*innen, die aus mehreren Ländern kommen, nicht spalten lassen, verglich sie mit der Faust, die sich, an Stelle von einzelnen Fingern, nicht brechen lässt. Ihre Rede wurde von der erfreuten Belegschaft mit viel Applaus und Bravo-Rufen honoriert.

Für die Streikkasse der Beschäftigten hat Die Linke am Tag zuvor auf dem Sommerfest in Ludwigsburg mehrere hundert Euro gesammelt und diese den Beschäftigten übergeben.
Bedeutung
Materiell bleibt das Erreichte unter dem ursprünglich Gefordertem. Durch ihren Willen und ihre Hartnäckigkeit haben die Arbeiterinnen und Arbeiter von Birtat aber gezeigt, dass sich kämpfen lohnt.
Ihr Ziel, einen Tarifvertrag, haben sie erreicht ! Sie haben sich zudem nicht spalten lassen. In diesem Betrieb arbeiten Menschen mehrerer Nationalitäten. Bei Ansprachen, Reden und Grußworten wurde jedes Wort in die vier Betriebssprachen übersetzt, so dass wirklich alle wussten und verstanden, was Stand der Dinge ist. Dieser entschlossene Kampf macht Mut und könnte Auswirkungen auf andere Betriebe und Branchen haben.
* = Funktionsangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person