Regierung und Kapital wollen uns an die Rente

Angriffe durch Kampf für Verbesserungen zurückschlagen

Die neuesten Vorschläge vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und seinem Präsidenten Marcel Fratzscher zum Thema Rente sind absolut realitätsfern. Der Sinn dieser Angriffe kann nur darin liegen die Stimmung gegen Rentner*innen zu schüren. Die Spaltung zwischen Alt und Jung voranzutreiben und damit den Boden für weitere, ernstzunehmende Angriffe auf das Rentensystem vorzubereiten.

Von Lucie Dußle, Stuttgart

Der Vorschlag ein verpflichtendes soziales Jahr oder Wehrpflicht für Rentner*innen einzuführen ist absolut absurd. Die Wehrpflicht wurde erst 2011 abgeschafft. Heute knapp vierzigjährige haben noch Musterungsbescheide bekommen. Sie haben entweder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet. Für die heutigen Rentner waren das 18 Monate bzw. zwanzig Monate Dienst.

Abgesehen davon, dass Rentner*innen in der Regel schon Dienst an der Gemeinschaft geleistet haben, sind knapp die Hälfte der Rentner*innen ehrenamtlich aktiv. 13 Prozent der Rentner*innen, zwischen 65 und 75 Jahren, gehen einer Arbeit nach. Davon über die Hälfte weil ihnen die Rente nicht zum Leben reicht. Zudem pflegen Millionen von Rentner*innen Angehörige oder schließen die immer größeren Betreuungslücken in Schulen und Kindergärten.

Das DIW schlägt auch einen „Boomer-Soli“vor. Danach sollen Singles ab einer Rente von 902 Eure zehn Prozent „Soli“ abgezogen werden um schlechter gestellte Rentner*innen zu unterstützen. Die Armutsgefährdungsgrenze lag 2024 bei 1378 Euro für einen Singelhaushalt. Die Hälfte aller Rentner*innen erhalten weniger als 1050 Euro brutto (vor Steuern, Krankenversicherung u.a.). Das heißt die Armen sollen die Ärmsten unterstützen. Dieses Institut hat vor einigen Jahren die Einführung einer Vermögenssteuer von Null Prozent angeregt um Steuerhinterziehung zu vermeiden.

Die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze von 8050 auf 8450 Euro, bis zu der man in die Rentenkasse einzahlen muss, ändert nichts. Es ist eine wirkliche Reform des Rentensystems notwendig.

Die Pensionen der Beamt*innen von 71,75 Prozent des letzten Nettolohns zeigen, dass die Höhe der Renten eine politische Entscheidung ist.

Pläne der Regierung

Die Regierung unter Merz plant die Erhöhung der Beitragsjahre von 45 Jahren auf 47 Jahre. Das ist eine tatsächliche Rentenkürzung die verschleiert werden soll. Ebenso ist es auch ein weiterer Angriff auf das Renteneintrittsalter.

Die „Aktivrente“ ist ein weiterer Baustein um das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Rentner*innen dürfen bis zu 2000 Euro steuerfrei zur Rente dazuverdienen. Wer einen Mindestlohn bekommt muss fast Vollzeit arbeiten um auf 2000 Euro pro Monat zu kommen.

Die „Mütterrente“ soll für Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben, an die „Mütterrente“ der Frauen angepasst werden, die nach 1992 Kinder geboren haben. Es ist nicht auszuschließen, dass die Forderung nur für das Wahlprogramm der CDU/CSU war und höchstwahrscheinlich dem Finanzierungsvorbehalt zum Opfer fällt.

Das Rentenniveau soll nur noch bis 2031 statt 2039, mit 48 Prozent des aktuellen Durchschnittsverdienst, stabil bleiben. Davon werden noch Steuern, Krankenversicherungbeiträge usw. abgezogen.

Nachdem die „Aktienrente“ erstmal sang und klanglos verschwunden ist, soll jetzt die „Frühstartrente“ kommen. Es soll ein privatwirtschaftlich organisiertes, kapitalgedecktes Altersvorsorgedepot sein. Für jedes Kind, das eine Bildungseinrichtung besucht, sollen monatlich zehn Euro eingezahlt werden. Bis zum 18. Lebensjahr sind das 1440 Euro pro Kind. Danach kann dann privat weiter eingezahlt werden. Bei einem Betrag von zehn Euro monatlich, Vorschlag von Merz, kommen nach sechzig Jahren Einzahlung, laut Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, brutto bestenfalls dreißig Euro mehr Rente heraus. Die Kosten für die Steuerzahler*innen belaufen sich auf eine Milliarde Euro pro Jahr. Gewinner dieser Maßnahme sind die Finanzdienstleister, Banken und Versicherungskonzerne, die dann rund acht Millionen neue Verträge abschließen können.

Zusatzleistungen der Rentenversicherung

Die Rentenversicherung bezahlt nicht nur die Renten, die sich aus den Rentenbeiträgen der Versicherten ableiten. Sie ist auch für andere, nicht beitragsgedeckte, wichtige soziale Aufgaben zuständig wie Mütterrente, Grundrente, Rehamaßnahmen usw. Dafür werden von niemandem Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt. Die Milliardenbeträge für die Grundrente sind Folge des viel zu niedrigen Mindestlohns. Für diese nicht beitragsfinanzierten Ausgaben fließen 122,5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt 2025 in die Rentenversicherung. Diesen Zuschuss gibt es also nicht damit die gesetzlichen Renten bezahlt werden. Dies wird aber suggeriert, um Stimmung gegen das Umlagesystem zu machen und Rentenkürzungen, höheres Renteneintrittsalter und mehr Privatvorsorge zu fordern. Diese Zuschüsse für die nicht beitragsfinanzierten Ausgaben reichen jedoch seit Jahren nicht aus. Im Jahr 2023 war der Zuschuss, laut Rentenversicherung, um vierzig Milliarden Euro zu niedrig. Diese Summe wurde mit den Rentenbeiträgen ausgeglichen und stand für die Rente nicht mehr zur Verfügung. Damit dieses wachsende Defizit nicht über die Beitragszahlungen aufgebracht und dann bei den Renten gekürzt wird, ist es notwendig diese Sozialausgaben komplett mit Steuermitteln zu decken. Denn diese Leistungen sind Aufgabe der gesamten Gesellschaft.

Thorsten Frei (CDU) kündigte eine „Agenda 30“ an, mit Kürzungen in sozialen Bereichen um die Aufrüstung finanzieren zu können.

Im Koalitionsvertrag wurde alles unter Finanzierungsvorbehalt gestellt. Deshalb sind selbst kleine Verbesserungen nicht sicher, denn wahrscheinlicher ist es, dass nach wie vor Streitpunkte bleiben.

Forderungen

Die Beitragsbemessungsgrenze muss aufgehoben werden.

Es sollte für Alle, ohne Ausnahme, verpflichtend sein, Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen.

Als erster Schritt sollte die Forderung einer Mindestrente von 900 Euro plus Warmmiete, ohne Bedürftigkeitsprüfung und Schikanen, stehen.

Bis hin zu der Forderung einer Rente von siebzig Prozent des Nettolohns, ohne Steuerabzug oder Abzug von anderen Abgaben. Das Renteneintrittsalter sollte auf sechzig Jahre gesenkt werden ohne Abschläge.

Fazit

Mit dem demografischen Wandel wird schon seit Jahrzehnten ein Schreckgespenst aufgebaut um Kürzungen und weitere Verschlechterungen bei der Rente zu rechtfertigen. Wenn aber alle Erwerbstätigen in die Rentenversicherung einzahlen, gute Löhne bezahlt werden, es eine hohe Beschäftigung gibt und Beitragszahlungen dann auch wieder zumindest paritätisch eingezahlt werden, ist die umlagefinanzierte Rente nachhaltig und stabil. Der Mindestlohn müsste auf 21 Euro pro Stunde erhöht werden um nach 45 Beitragsjahren knapp über der Armutsgefährdungsgrenze zu liegen.

Die privaten kapitalgedeckten Varianten sind nur für die Wirtschaft, Banken, Investmentfirmen und Versicherungen nützlich.

Eine Möglichkeit um die nicht beitragsgedeckten Ausgaben der Rentenkasse zu finanzieren könnte die konsequente Verfolgung von Steuerhinterziehung sein. Nach Schätzung von Florian Köbler (Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft) könnten dadurch über 200 Milliarden Euro mehr in den Kassen sein. Eine weitere Finanzierungsmöglichkeit ist eine Vermögenssteuer von zehn Prozent ab einer Million Euro Vermögen. Die Hans Böckler-Stiftung hat bei zwei Prozent Vermögenssteuer ab 25 Millionen Euro eine jährliche Einnahme von 15 Milliarden Euro errechnet. Auch ein progressiveres Steuersystem mit drastisch höheren Steuern auf Unternehmensgewinne und Erbschaften wäre eine hohe Einnahmequelle für die öffentlichen Kassen.

Um das zu erreichen und auch nicht durch neue Angriffe zu verlieren müssen wir den Kapitalismus überwinden.

Die Reichen werden immer reicher auf Kosten der Arbeiter*innenklasse. In einer sozialistischen Demokratie könnten wir die Ausbeutung der Mehrheit der Menschen und der Natur abschaffen und die Wirtschaft demokratisch planen. Die großen Konzerne und Banken müssen dazu in Gemeineigentum überführt werden, unter demokratischer Kontrolle. Dafür sind starke Arbeiter*innenorganisationen nötig.


Quellen:

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Frankfurter Rundschau 15.4.2025

Rosa Luxemburg Stiftung Mai 2025

Statista

rentenbescheid24.de