Internationale Jugendproteste gegen Korruption, Perspektivlosigkeit und Krise
Marokko, Madagaskar, Osttimor, Indonesien, Nepal, Peru, Kenia und Serbien haben etwas gemeinsam: Sie werden gerade Zeugen von ausdauernden Protesten der Jugend. Allen gemein ist, dass sie gegen Korruption und soziale Ungleichheit kämpfen. Die genauen Auslöser sind sehr länderspezifisch. So ist es meistens so, dass es für soziale Protestbewegungen einen konkreten Auslöser gibt, welcher das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen bringt. Dabei wirken die von der Jugend initiierten Proteste mit ihren Forderungen tief in die Gesellschaft hinein.
von Maria Valitov, Hamburg
Marokko
In Marokko löste ein Zusammenwirken von mehreren Ereignissen die sich selbst als „GenZ 212“ bezeichneten Proteste aus. Während ein milliardenschweres Fußballstadion für die nächste Weltmeisterschaft gebaut wird, starben acht Frauen bei der Entbindung in einem staatlichen Krankenhaus in der Küstenstadt Agadir.
Trotz dessen, dass die Proteste vor allem von jungen Menschen organisiert werden, betreffen die Forderungen für Gesundheit und Bildung alle Altersgruppen der Gesellschaft und werden von diesen auch unterstützt. Den Protesten wurde mit Polizeigewalt begegnet, es gab viele Festnahmen, Verletzte und drei Tote.
Jedoch thematisieren die Proteste zunächst weder die konstitutionelle Monarchie (wobei bedacht werden muss, dass Kritik am König Menschen schon ins Gefängnis gebracht hat), noch das kapitalistische System als solches. Der Premierminister Marokkos, Aziz Akhannouch, gehört zu den 15 reichsten Personen Afrikas mit einem Vermögen von 1,7 Milliarden Euro. Er besitzt zudem die Tankstellenkette Afriquia, die in Marokko am weitesten verbreitet ist. König Mohammed IV. ist einer der reichsten Monarchen der Welt und hat viel Macht. Auch wenn es offenbar aktuell noch Illusionen in den König gibt, spricht vieles dafür, dass Aktivist*innen und Protestierende erkennen werden, dass auch er nicht in ihrem Interesse handelt. Dass die Regierung nun 49 neue Gesundheitszentren eröffnen will, ist ein erstes Ergebnis der Bewegung. Wenn sich diese jetzt demokratisch organisiert und ausweitet, könnte sie diskutieren, wie noch mehr erkämpft werden kann.
Madagaskar
In Madagaskar gibt es seit September dieses Jahres vor allem in der Hauptstadt Antananarivo massive Proteste. Bei diesen wurden mindestens 22 Menschen getötet und 100 verletzt. Die Proteste wurden vorrangig ausgelöst durch eine unzureichende Wasser- und Stromversorgung und besonders von der Jugend des Landes getragen. Die Protestierenden fordern Transparenz bei der öffentlichen Wasserversorgung und ein Ende von Korruption und Vetternwirtschaft. Doch auch der durch die Proteste ausgelöste Rücktritt des Präsidenten Andry Nirina Rajoelina, welcher mit einem Vermögen von einer Milliarde der wohlhabendste Mann Madagaskars ist, wird zukünftig kaum etwas ändern. Rajoelina ist für seinen provokant luxuriösen Lebensstil bekannt – und das in einem Land, in dem 75 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben. Nach seinem Rücktritt und der Machtübernahme des Militärs wird sich die Situation nicht grundlegend verbessern. Auch der neue Premierminister Herintsalama Rajaonarivelo ist ein reicher Geschäftsmann, der nicht die Interessen der armen und arbeitenden Bevölkerung vertritt.
Wie weiter?
Die Gen-Z-Proteste wären um vieles mächtiger, würden die Jugendlichen gemeinsam mit Arbeiter*innen und Gewerkschaften kämpfen. Nur die Arbeiter*innenklasse kann durch Streiks die Mächtigen treffen, wo sie empfindlich sind: am Profit. Deshalb sollten sich die Gewerkschaften anschließen und Streiks organisieren, die ein wichtiges Mittel im Kampf sind.
Nötig wäre eine geeinte Bewegung mit demokratischen Strukturen und Komitees, die sich auf regionaler und nationaler Ebene koordinieren und auch international austauschen und auf Basis demokratischer Diskussion ein Kampfprogramm entwickeln, das die Probleme vor Ort aufgreift und eine Perspektive für Veränderung aufzeigt. Dieses sollte die Fragen der Verstaatlichung der zentralen Infrastruktur sowie der Banken und Konzerne unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Arbeiter*innenklasse und Armen aufgreifen.
Ein notwendiger Schritt, um dauerhaft Korruption und Ausbeutung zu beenden, ist die Entwicklung einer Kraft, die dazu in der Lage ist, den Kapitalist*innen und korrupten Politiker*innen die Macht zu entziehen. Nötig ist dazu der Aufbau sozialistischer Massenarbeiter*innenparteien, welche ausgehend von den sozialen Kämpfen ein Programm entwickeln, der den Weg zu einer besseren Gesellschaft ebnet. Bewegungen wie die Gen-Z-Proteste können den Grundstein für die Entwicklung solcher Parteien legen und es ist eine zentrale Aufgabe von Aktivist*innen, sich für diese einzusetzen.