Austritte bei der Grünen Jugend und den Grünen
Nach den Wahlen in Brandenburg erklärte der Vorstand der Grünen Jugend öffentlich den Austritt aus Partei und Jugendverband. Sie erklärten, dass es nicht möglich sei, “gleichzeitig Teil einer Partei zu sein und für eine grundsätzlich andere Politik zu werben, als die eigene Partei umsetzt”. Die Grünen seien nicht bereit, „sich mit den Reichen und Mächtigen anzulegen.“ Kurz darauf folgte der Austritt zahlreicher weiterer Vorstände und ehemaliger führender Mitglieder der Grünen Jugend.
von Jens Jaschik, Dortmund
Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast nennt die Ausgetreten „nicht realitätstauglich“. Es seien Jugendliche, die „irgendwie so einen Klassensystem-Sozialismus aufbauen wollen.“ Die Ausgetreten selber erklären, dass Sie eine neue linke Jugendorganisation gründen wollen mit dem Ziel, dazu beizutragen, „dass es bald eine starke linke Partei in Deutschland geben kann.“ Sie wollen dafür kämpfen, Wirtschaft und Staat in den Dienst der Menschen zu stellen. Die Ausgetretenen sprechen zwar nicht vom Sozialismus, aber beziehen deutlich Stellung gegen den Kapitalismus.
Inzwischen folgte der Austritt von sechs Landesvorständen und Mitgliedern weiterer Vorstände. In den Erklärungen werden immer wieder dieselben Satzbausteine verwendet. Eindeutig handelt es sich um eine koordinierte Aktion. Wie viele Aktive der einfachen Mitgliedschaft sich für einen Austritt aus der Partei entschieden haben und sich auf den Weg für etwas Neues machen, ist nicht bekannt.
Wie weiter?
Auf dem Bundeskongress der Grünen Jugend fand der scheidende Bundesvorstand keine Mehrheit. 343 von 470 Delegierten verweigerten dem Vorstand die Entlastung. Offensichtlich war dies den Ausgetretenen schon vorher klar. Sie führten keinen Kampf um einen Austritt von Teilen der Mitgliedschaft oder ganzer Verbandsstrukturen. Wer sich auf der Website zeitfürwasneues2024.de registriert, macht dies als individuelle Entscheidung. Die nächsten Schritte wurden noch nicht angekündigt.
„Glaubt ihr wirklich, dass mit einer linken Zersplitterung mehr linke Politik greifbar wird?“, fragt ein Delegierter auf den Bundeskongress, dabei sind die Grünen weit entfernt von linker Politik. Die Grünen waren schon immer mehr Image als Wirklichkeit. Die Ausgetretenen kritisieren richtigerweise das Sondervermögen der Bundeswehr, Lützerath, Asylrechtsverschärfung und Sparpolitik, aber die Grünen waren schon viel früher an anderen Verbrechen beteiligt: 1999 kam es zum ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr unter Verantwortung des grünen Außenministers Joschka Fischer. Mit der Agenda2010 setzten Grüne und SPD den größten Angriff auf die sozialen Sicherungssysteme und die Rechte der Arbeiter*innenklasse in der Geschichte der BRD um. (Mehr über die erste rot-grüne Bundesregierung) Es stellt sich die Frage, wieso diese Entscheidungen nicht auch benannt werden.
In keiner ihrer Erklärungen erwähnen die Ausgetretenen Die Linke und ihren Jugendverband oder die Rolle der Gewerkschaften. Scheinbar will man die Entwicklungen um den Parteitag der Linken und was daraus folgt abwarten. Auf Nachfrage der Tagesschau, erklärte die ehemalige Grüne Jugend-Bundessprecherin Katharina Stolla, dass die Linkspartei nicht besonders stark aufgestellt sei, aber man mit Interesse den Erneuerungsprozess der verfolge. Die ehemalige Sprecherin Sarah Lee Heinrich kündigte auf dem Parteitag der Linken zaghaft eine Zusammenarbeit an: „Uns interessiert, was ihr euch vornehmen und was ihr tun wollt. (…) Seht es uns bitte nach, wir haben gerade eine Beziehung beendet … vielleicht kann man sich (…) mal kennenlernen. Ich glaube, wir werden (…) voneinander hören.“
In einem Interview mit dem Freitag spricht Sarah Lee Heinrich über ihre Verbindungen zu der neu gewählten Parteivorsitzenden der Linken, Ines Schwerdtner. Sarah Lee Heinrich schrieb für das Jacobin Magazin als Ines Schwerdtner dort Chefredakteurin war. Man habe die Austrittsentscheidung zwar allein getroffen, aber nichts geschehe im luftleeren Raum, erklärt sie auf die Frage, ob es eine Verbindung zur Kandidatur von Ines Schwerdtner für den Parteivorsitz gibt. Auch spricht sie über ihre Kontakte zur Jungen Linken in Österreich. Diese waren 2017 aus den Grünem ausgetreten und haben sich der Kommunistischen Partei Österreichs angeschlossen, die in den letzten Jahren einige Wahlerfolge erzielen konnte. An der KPÖ findet Sarah Lee Heinrich interessant, dass sie kohärent wirke und konsequent für eine Gruppe in der Gesellschaft einstehe. Ob das aus ihrer Sicht auch auf Die Linke zutrifft, hat sie nicht ausgeführt. Angesichts von zum Beispiel Kürzungspolitik und Krankenhausschließung durch eine Bremer Landesregierung, an der Die Linke beteiligt ist, werden sich die Ex-GJ’ler*innen fragen müssen, ob sie eine kritische Position zur Linkspartei einnehmen wollen, wenn der Weg, was zu erwarten ist, in ihre Reihen führen wird.
Der Austritt aus den Grünen und ihrer Jugendorganisation war die richtige Entscheidung. Die Ausgetretenen haben erkannt, dass es eine linke Partei braucht, die die Interessen der einfachen Menschen vertritt. Einziger Ansatzpunkt für eine solche Partei ist zur Zeit Die Linke, die sich jedoch in einer tiefen Krise befindet. Deshalb sollten die Ex-GJ’ler*innen die Fehler linker Projekte in Deutschland, Europa und der Welt diskutieren – insbesondere muss klar sein, wieso Die Linke sich in der Krise befindet und wieso die Grünen nie eine Alternative für die arbeitende Bevölkerung waren. Die Haltung zu Krieg und Frieden – die bisher in den Stellungnahmen der Ausgetretenen weitgehend ausgespart blieben – muss geklärt werden. Jugend für Sozialismus (JfS), in der Sol-Mitglieder aktiv sind, hat die „Zeit für was Neues“-Initiative angeschrieben und Diskussion und Kooperation vorgeschlagen. Die Ex-GJ’ler*innen sollten auf diese und andere Angebote eingehen und sich umfassend mit linken und sozialistischen Programmen und Theorien weiter beschäftigen. Dann kommen sie hoffentlich zu der Schlussfolgerung, dass ein sozialistisches Programm nötig ist, das fordert die Kommandohöhen der Wirtschaft in öffentliches Eigentum zu überführen und die Gesellschaft in Form einer sozialistischen Demokratie neu zu organisieren.