Kapitalismus heißt Schönheitsterror
Wie oft hast du heute schon in den Spiegel geschaut? Was hast du dort gesucht? Einen neuen Pickel, Augenringe oder ein störendes Haar? Warst du zufrieden mit dem, was du gesehen hast oder zu kritisch mit dir selbst? In den sozialen Medien finden genau diese Gedanken oft ihren Ursprung. Gerade Frauen werden dort mit unrealistischen Schönheitsidealen konfrontiert und die Schönheitsindustrie verdient daran Milliarden.
von Jay Ewert, Berlin
Ob Thigh Gap (eine sichtbare Lücke zwischen den Oberschenkeln), schmale Taille oder makellose Haut. Schönheitsstandards wie diese werden auf Social Media seit Jahren durch Algorithmen in einem beispiellosen Ausmaß verstärkt. Sogenannte Fitness-Influencerinnen oder Clean-Girls zeigen in ihren „What I eat in a day“-Videos (dt., was ich an einem Tag esse), wie sie angeblich auf natürliche Weise schön geworden sind. Auch Männer trifft das immer mehr durch Trends wie „Fitfluencer“ oder „Alpha Males“ (Alpha-Männer). Das Ideal sind schlanke, aber muskulöse Statuen, für die auch immer mehr Jugendliche zu Nahrungsergänzungsmitteln und Proteinpulvern greifen.
Was aber in den sozialen Medien meist verschwiegen wird: Hinter den perfekten Bildern stecken häufig chirurgische Eingriffe, Filter und Bearbeitungs-Apps. Durch einen Deckmantel von Selbstliebe und gesundem Lebensstil wird dieser Druck befeuert.
Für jeden Makel gibt’s ein Produkt
Doch kein Problem! Die Schönheitsindustrie steht schon bereit, um dir zu helfen – mit tausenden von Produkten, die all deine vermeintlichen „Fehler“ verschwinden lassen sollen. Augenringe? Probier diese Creme, oder diese Augenmaske, oder vielleicht doch dieses Serum…
Hinter dieser endlosen Auswahl steckt ein gigantisches Geschäft: Die globale Schönheitsindustrie setzt inzwischen rund 677 Milliarden US-Dollar im Jahr um. Dabei profitieren Einzelpersonen wie Françoise Bettencourt Meyers, Erbin von L’Oréal mit einem Vermögen von 100 Milliarden US-Dollar. Während wir vor dem Spiegel nach Fehlern suchen, wächst auf der anderen Seite das Vermögen jener, die genau auf diese Unsicherheiten ihren Reichtum aufbauen.
Der Druck hat Folgen
Doch diese Inhalte auf Social Media stärken nicht nur Unsicherheiten, sondern führen bei vielen auch zu einem gestörten Essverhalten und schlechter mentaler Gesundheit. Das betrifft zwar Frauen in einem besonderen Ausmaß, schadet uns aber allen, denn auch bei Männern finden diese Unsicherheiten immer mehr Ausdruck. Die Sol fordert deswegen unter anderem das Verbot von sexistischer Werbung und die Überführung der Social-Media-Konzerne in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung. Gleiches gilt für L’Oréal & Co., bei denen auch eine Umstellung der Produktion auf sinnvollere Produkte geprüft werden muss. Zusätzlich braucht es massive Investitionen in Gesundheit und mehr Anlaufs- und Beratungsstellen für Menschen mit psychischen Krankheiten wie Essstörungen. Letztendlich befeuert Social Media aber lediglich bestehende Geschlechterrollen im Kapitalismus. Um diese zu überwinden, braucht es den Aufbau einer sozialistischen Demokratie.