Irland 1916: Osteraufstand in Dublin

Auftakt zur „Revolutionären Irischen Periode“

Nachdem 1949 die heutige Irische Republik 33 Jahre nach dem Aufstand am symbolträchtigen Ostermorgen gegründet wurde, waren von 1976-2006 alle Feierlichkeiten aufgrund der Situation in Nordirland und der Angst der Herrschenden vor einem erneuten Erstarken der Arbeiterbewegung auf der ganzen Insel verboten.

Von Alexandra Arnsburg, Berlin

Heute ist Dublin voll mit 1916-Wandmalereien, Theater spielen alte und neue Revolutionsstücke. Alle Wände des Hauses von Irlands größter Gewerkschaft SIPTU sind dekoriert mit Fassadenplakaten von Aufständischen im Kampf gegen die britische Vorherrschaft in Irland. Doch wird der berühmteste Anführer, James Connolly, vom südirischen Establishment, das sich in seiner Tradition wägt, für seinen Mut verehrt, nicht für seine sozialistischen Ideen und dafür dass er den Freiheitskampf der Irischen Bevölkerung mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbinden wollte. “Die Tage um das kapitalistische System zu heilen sind vorbei, es muss verschwinden“, schrieb er 1910.

Trotz der vielen Beteuerungen für Frieden war der Kapitalismus bis heute unfähig, eine Lösung für religiöse Spaltung und Konflikte zu bieten. Im Gegenteil, die Geschichte wird entstellt und ist einmal mehr zum Schlachtfeld geworden.

Kolonie seit 1541

Der Hintergrund des Osteraufstands war die jahrhundertelange Unterdrückung durch den britischen Imperialismus, die nicht nur das Recht auf Unabhängigkeit verleugnete, sondern auch die irische Wirtschaft strangulierte. Das Vereinigungsgesetz (Act of Union) von 1801 schuf dafür eine Grundlage. Die Massenauswanderung im Zuge der großen Hungersnot Mitte des 19. Jahrhundert half dem britischen Kapital einen Pool von billigen Arbeitskräften zu schaffen. In dieser Zeit sank die Bevölkerung Irlands von 8 Mio. auf 6,5 Mio, wovon sich das Land bis heute nicht erholt hat. James Connolly erkannte: „Der Kampf um die irische Freiheit hat zwei Aspekte: Einen nationalen und einen sozialen,“ und er erklärte, dass nur eine revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse, die sowohl protestantische als auch katholische ArbeiterInnen vereint und sich dem Kampf für Sozialismus verschrieben hat, Irlands koloniale Beherrschung beenden kann.

Connolly und der Aufstand

Neben Jim Larkin spielte James Connolly eine wichtige Rolle in den großen Kämpfen der irischen Arbeiterbewegung als Kopf der irischen Allgemeinen und Transportarbeitervereinigung (ITGWU). Diese fanden vorerst ein Ende mit der großen Dubliner Aussperrung von 1913. Aber als Ergebnis gab es einen neuen Schwung und eine Verallgemeinerung des Kampfs der ITGWU und der irischen Arbeiterklasse noch vor 1914, das Jahr in welchem zwei schwerwiegendere Ereignisse negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Arbeiterbewegung haben würden: Die Gefahr der Teilung der irischen Insel, die bewusst von der britischen herrschenden Klasse angedroht wurde um die Bewegung zu spalten und im August der Ausbruch des ersten Weltkriegs. Ein Krieg, der zwischen den Mächten Europas geführt wurde, um für die jeweiligen herrschenden Klassen die Kontrolle des Weltmarkts zu erlangen. Für Connolly und SozialistInnen weltweit war der Krieg keine Überraschung, jedoch dessen Unterstützung, die ihm durch die offiziellen Führer der sozialistischen Bewegung zuteil wurde. Unter Verletzung der Grundprinzipien der internationalen Solidarität haben diese sich unter dem Banner ihrer herrschenden Klasse gesammelt und Millionen von ArbeiterInnen in den Tod geschickt. So auch der Führer der irischen Home Rule Bewegung (Selbstverwaltung für Irland innerhalb des Vereinigten Königreichs), John Redmond, die Mitglieder der Irish Volunteers in die britische Armee. Dem Aufruf folgten zehntausende unter dem neuen Banner National Volunteers, etwa 13000 verblieben bei den Irish Volunteers. Diese wurden einst von Eoin McNeill 1913 als Reaktion auf die Gründung der Ulster Volunteer Force im Nordosten gegründet und wuchs schnell auf 180.000 Mitglieder. Connolly schrieb noch hoffnungsvoll: „Würden wir den Anfang wagen, könnte Irland zu dem Funken werden, der einen europäischen Großbrand auslösen kann, der nicht ausbrennt solange nicht der letzte Thron und der letzte kapitalistische Schuldschein auf dem Scheiterhaufen des letzten Kriegsherren verglüht.“

Der Weg zum Aufruhr

Da sich das blutige Gemetzel des Krieges in die Länge zog, wurde Connolly von dem brennenden Wunsch gesteuert, der Ordnung der Kapitalisten und Imperialisten in Europa einen Schlag zu versetzen. Jedoch stand Connolly nicht in direkter Verbindung mit anderen sozialistischen FührerInnen, die gegen den Krieg standen, wie Lenin und Trotzki in Russland, Luxemburg und Liebknecht in Deutschland und MacLean in Schottland. Während des Krieges war Irland dem Hurra-Patriotismus nicht gefeit, der sich in ganz Europa entwickelt hatte. Viele ArbeiterInnen in Irland, einschließlich derjenigen, die infolge der Aussperrung auf schwarze Listen gesetzt worden waren, wurden in die britische Armee einberufen. Unter anderem aus diesem Grund wollte Connolly, der zunehmend verzweifelte, einen Aufstand, trotz des Fehlens der Unterstützung dafür in breiteren Teilen der Arbeiterklasse, weshalb er auf militante nationalistische Kräfte setzte. Diese formierten sich in der Irish Republican Brotherhood (IRB) und in den Teilen der Irish Volunteers, die sich geweigert hatten, dem Aufruf Redmonds zu folgen. Ein Motto der IRB war: „ Englands Schwierigkeiten sind Irlands Chancen“. Der Bund hatte sich seit dem Ausbruch des Krieges im Geheimen auf einen Aufstand vorbereiteet. Im Januar 1916 wurde Connolly in den militärischen Rat des IRB hinzugewählt um den Aufstand für Ostern zu planen. Tatsächlich drohte die Irish Citizen Army (ICA) von Connolly, die einmal zur Verteidigung von Streikenden gegen Polizisten geschaffen wurde, einen eigenen Aufstand mit ihren knapp 250 Mitgliedern durchzuführen.

Der Osteraufstand

Obwohl McNeill, der den Konservatismus der irischen Mittelklasse präsentierte und nur defensive Aktionen befürwortete, seinen Befehl für den Aufstand widerrief, griffen etwa 1000 Volunteers mit 220 ICA-Mitgliedern am Ostermontag 1916 mit einigen Dutzend Gewehren das Zentrum von Dublin an. Sie erklärten die Irische Republik, bauten Barrikaden und warteten auf den unvermeidlichen Angriff der britischen Kräfte. Eine Woche blieben die Aufständischen, wenn auch zahlenmäßig um zwanzig zu einem unterlegen, standhaft, wurden dann aber schnell umstellt und gnadenlos unter Beschuss genommen, unter anderem sogar mit einem Kanonenboot. Am Ende der Woche wurden sie zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen. 60 Rebellen, 120 britische Soldaten und 450 Bürger wurden getötet und mehr als 2500 verletzt.

Ein weitere Faktor für die Niederlage war die britische Beschlagnahmung des deutschen U-Bootes, der AUD, das 20.000 Gewehre für die Rebellen transportierte. Letztendlich aber war der Aufstand von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da es nur geringe Unterstützung für ihn unter der Mehrheit der Bevölkerung gab. So gab es zum Beispiel keinen Aufruf für einen Generalstreik in der Osterwoche, um die britischen Truppen zu lähmen und es wurde innerhalb der britischen Truppen keine Propaganda betrieben, um deren Sympathie und Unterstützung zu gewinnen. Connolly machte im Vorlauf und während des Aufstand selbst politische Zugeständnisse an die Kräfte des Nationalismus, an deren Seite er kämpfte, indem er einige der Ideen und Methoden beiseite stellte, die er in Jahrzehnten revolutionärer Arbeit so sorgfältig entwickelt hatte. Das wird am besten in der Deklaration deutlich, unter die er seinen Namen setzte, die trotz des positiven Gefühls und der progressiven Forderungen, wie nach Religionsfreiheit und Gleichstellung von Mann und Frau, ein nationalistisches Dokument ist. Nach der Entscheidung, sich am Aufstand zu beteiligen, wäre es besser gewesen, Connolly hätte ein klares eigenständiges sozialistisches Dokument geschrieben, das seine Vision einer „Arbeiterrepublik“ skizzierte, in der der Reichtum und die Ressourcen unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Arbeiterklasse stehen würden.

Die verlorene Revolution

Der enorme Mut und die Selbstaufopferung Connollys und anderer, die im Aufstand kämpften, können nicht in Frage gestellt werden. Connolly schrieb in seinem berühmten Werk „Labour in irish history“: „Revolutionen sind nie die Nebenprodukte unserer Meinungen, aber von reifen materiellen Bedingungen.“ Während sich die materiellen Bedingungen für eine sozialistische Revolution gegen den britischen und irischen Kapitalismus vor 1916 nicht entwickelt hatten, hat der Einfluss von nationalen und internationalen Ereignissen in der Zeit danach eine wirkliche Chance für Revolution gebracht. Der Ausbruch der russischen Revolution und der revolutionären Welle, die Europa überflutete, hatte eine radikalisierende Wirkung auf die Arbeiterklasse auf der Insel. Die Radikalisierung wirkte nicht nur im Süden, sondern nahm auch unter protestantischen und katholischen ArbeiterInnen im Norden zu. Das führte zu einer ganzen Reihe von regionalen und landesweiten Generalstreiks, es wurden Räte gegründet und in einigen Fällen übernahmen ArbeiterInnen die Kontrolle ganzer Städte wie in Belfast und Limerick. Entgegen der Mythologie, die die heutigen politischen Institutionen und Historiker verbreiten, hat die revolutionäre Periode von 1916-1922 nicht zu einem Sieg der ArbeiterInnen geführt. Was geschaffen wurde, waren zwei unterdrückerische, gespaltene Staaten, die bis heute daran Scheitern, die Bedürfnisse der Arbeiterklasse zu befriedigen. Das Fehlen einer revolutionären sozialistischen Führung, die die Arbeiterklasse und die Freiheitsbewegung im Kampf für eine sozialistische Umwälzung vereinen konnte, bedeutet, dass die Reaktion und die imperialistischen Spaltung der Insel durckommen konnten. Die Tragödie von Connolly bestand darin, dass er nicht mehr lebte, um diese Entwicklungen zu sehen und keine Rolle mehr im Aufbau einer solchen Führung spielen konnte.