Libanons Oktoberrevolte

Ganze Länder und Großstädte wurden in den letzten Wochen auf aller Welt durch Massenrevolten erschüttert. Wütend und verbittert durch eine Mischung aus Repressionen, Jahren der Austerität, Korruption und der wachsenden Kluft zwischen arm und reich, fordern ganze Bevölkerungen die herrschenden Klassen heraus.

Während der letzten Tagen hat der Libanon sich Hong Kong, Equador, Irak, Ägypten, Katalonien und Chile angeschlossen, wo diese internationalen Ereignisse bereits in begonnen haben. Kein Wunder, dass die herrschenden Klassen der Welt und ihre Strategen Angst vor der Zukunft haben. In Ländern wie Nigeria werden Leute inhaftiert, bloß weil sie sagen, eine „Revolution“ sei nötig.

Sinkende Lebensstandards, kollabierende Infrastruktur, Wirtschaftskrise, drohende Austeriätspolitik und massive Korruption führten Ende September zur ersten Runde von Protesten in einer Reihe von Städten im Libanon. Bedeutenderweise trugen einige, die in der Hautstadt Beirut protestierten, Che Guevara-T-Shirts und präsentierten sich mit kommunistischen Symbolen.

Aufgrund eines Sparpaketes wuchsen bereits im Juli die Spannungen, gefolgt vom Baabda-Papier im September: ein im wesentlichen weiteres Sparprogramm, das von allen regierenden Parteien unterstützt wurde. Die New York Times enthüllte, dass der libanesische Prämierminister Saad Hariri 2013 einem 20jährigen Modell aus Südafrika über 16 Millionen Dollar schenkte. Diese Nachricht ist symbolhaft für die Korruption der extrem wohlhabenden Elite. Während Hariri, dessen Reichtum 2013 auf 1,6 Milliarden Dollar geschätzt wurde, es sich leisten konnte, seinen Freund*innen gegenüber derart großzügig zu sein, wurde Arbeitern in einigen seiner Unternehmen der Lohn nicht ausgezahlt.

Massenarbeitslosigkeit von 37 Prozent unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren ist ebenfalls ein brennendes Thema.

Der Funke jedenfalls, der die Massenrevolte im Oktober entzündet hat – möglicherweise sogar das frühe Stadium einer Revolution – war der Versuch (der Regierung), Datendienste wie z. B. Whatsapp mit einer Steuer von zwanzig US Cent pro Tag zu belegen.

In Windeseile war das gesamte Land von Protesten erfasst, die das Schlagwort „Revolution“ und, wie im Frühling vom April 2011, den Chor „Das Volk will das Regime stürzen“ wieder aufnahmen. Innerhalb von Tagen waren zwanzig Prozent der Bevölkerung, 1,3 Millionen Menschen, an den Protesten beteiligt.

Vereinte Bewegung überwindet konfessionelle Entzweiung

In einem Land, das durch eine tiefe Spaltung zwischen verschiedenen Religionen und religiösen Sekten geprägt ist, fanden die Demonstrationen unter der Libanesischen und nicht unter Partei- oder religiösen Flaggen statt. Es war ein vereinter Ausbruch von Wut und Frustration gegenüber einer „politischen Klasse“, die allgemein als Diebe und Betrüger betrachtet werden. Ebenfalls sind die Proteste dadurch gekennzeichnet, dass Männer und Frauen teilnahmen.

Diese Rebellion durchbricht die tiefe religiöse und ethnische Kluft, die den Libanon prägt, seit der heutige Staat nach dem Kollaps des Osmanischen Reiches Ende des ersten Weltkrieges vom französischen Imperialismus geschaffen wurde. Der libanesische Staat wurde auf Basis einer institutionalisierten Form von „Identitätspolitik“ aufgebaut. Unter der libanesischen Konstitution von 1926 und dem Nationalen Pakt von 1943 wurden die Sitze innerhalb der Regierung zwischen Christ*innen und Muslima*en aufgeteilt. Innerhalb der beiden religiösen Blöcke sind sie proportional zur Unterstützung der verschiedenen Konfessionen und Sekten verteilt. Obwohl diese Organisationsform als Weg präsentiert wurde, Spaltung zu vermeiden, zementierte und vertiefte sie die Risse im Land. Während sowohl die Konstitution als auch die Taif-Vereinbarung von 1989 (die 1990 zum Ende des 1975 begonnenen Bürgerkrieges führte) diese religiösen Vereinigungen zu demontieren meinte, blieben sie weiterhin intakt.

In Die letzten Wochen jedoch zeigte sich das Potential zu gemeinsamem Handeln. Die Proteste quer durch das Land vereinten Libanes*innen ungeachtet ihres Hintergrundes. Ein kurzer Versuch, die Bewegung durch Repressionen aufzuhalten, schlug fehl. Schnell bot die Regierung Zugeständnisse an. Wie die BBC ausführt, spielt die Regierung auf Zeit in der Hoffnung, dass die Bewegung sich verläuft.

Die Bewegung geht über den Protest gegen die Whatsapp-Steuer hinaus. Jetzt verlangt sie nicht nur den Rücktritt der Regierung sondern zielt auf ein Ende des ganzen korrupten Systems ab.

Viele der Protestierenden haben aus den Revolutionen von 2011 gelernt, besonders aus dem, was in Ägypten passiert ist. Die Forderung nach gründlicher Veränderung ist verbreitet, mindestens nach Beseitigung der korrupten Elite, um zu verhindern, dass die alte Ordnung zurückkehrt.

Zum Zeitpunkt dieses Berichtes ist die Bewegung noch immer im Gang. Aber jetzt ist die Hauptfrage, sie auf demokratischer Basis zu organisieren und die Vorgehensweise zu beschließen, – ein Programm dafür das, was zu tun ist, um die jetzt hervortretenden Ziele der Revolution zu erreichen und sicherzustellen. Ein solches Programm erfordert die Bildung einer Regierung, die sich aus Vertreter*innen der arbeitenden Menschen formiert, die gegen die kapitalistische Elite vorgeht und die sozialistische Umwälzung des Landes einleitet.

Gegenwärtig ist die Masse der Bevölkerung geeint, aber es besteht kein Zweifel daran, dass die rivalisierenden Sektenführer versuchen werden, den Samen für religiöse und nationale Spaltungen zu säen, um die Bewegung zu entzweien und Unterstützung zurückzugewinnen. Dies ist ein weiterer Grund, warum es unerlässlich ist, jetzt die Gelegenheit zu ergreifen um eine neue wirklich sozialistische Bewegung aus arbeitenden Menschen aufzubauen.

Eine solche Bewegung hätte die wirklichen Rechte aller Nationalitäten und Religionen zu verteidigen, während sie gleichzeitig den gemeinsamen Kampf aller arbeitenden Menschen organisiert. Das ist in einem Land wie dem Libanon lebenswichtig. Ebenso notwendig ist es, die 1,5 Millionen Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg einzubeziehen, die ein Viertel der derzeitigen libanesischen Bevölkerung ausmachen.

Der Sieg einer sozialistischen Revolution würde eine elektrisierende Wirkung nicht nur auf den Nahen Osten haben sondern auf alle, die überall auf der Welt ähnliche Kämpfe führen. Ganz besonders könnte er den Bewegungen in anderen Ländern des Nahen Ostens neues Leben einhauchen und würde aufzeigen, welcher Weg zu gehen ist, um den Sieg zu sichern und eine Konterrevolution zu verhindern. Auf dieser Grundlage würde sich das Tor zu einer neuen Ära ohne Armut, Korruption, Unterdrückung und Kriege eröffnen, die den Nahen Osten zerstört haben.