Die Bewegungslinke gründet neue Strömung in der Partei
Im Dezember gründet sich die Bewegungslinke als neue Bundesarbeitsgemeinschaft in der Partei DIE LINKE. Nicht wenige Parteimitglieder, die sich dem linken Flügel verbunden fühlen, verbinden damit die Hoffnung, dass DIE LINKE sich dahin bewegt, wo sie hingehört – nach links und auf die Straße. Ein Blick auf den Entwurf der Gründungserklärung der Bewegungslinken muss aber Skepsis hervorrufen.
von Sascha Staničić, Berlin
Die Bewegungslinke ist entstanden aus den Konflikten, die sich im Zusammenhang mit Sahra Wagenknechts migrationspolitischen Positionen in der Parteiströmung Sozialistische Linke (SL) entwickelt hatten. Eine Mehrheit der SL unterstützte den linkspopulistisch-nationalen Kurs von Wagenknecht, während eine Minderheit um die Gruppe marx21 und andere die migrationspolitischen Positionen der Partei verteidigte. Diese Minderheit stellt nun den Kern der Bewegungslinken. Allein dieser Umstand legt die Vermutung nahe, dass wir es mit altem Wein in neuen Schläuchen zu tun haben.
Vieles, was die Bewegungslinke schreibt ist nicht falsch. Sie mahnt an, dass DIE LINKE verparlamentarisiert ist und sich zu wenig um soziale Bewegungen und Gewerkschaften kümmert. Sie sagt: Weniger Sitzungen, mehr Aktionen! Und sie will sich aktiv in die gesellschaftlichen Kämpfe gegen die Auswirkungen des kapitalistischen Systems einbringen. So weit, so gut. Doch die Praxis einer Partei ist letztendlich Folge ihres politischen Programms, ihrer Klassenzusammensetzung und ihrer politischen Perspektive und Orientierung.
Sozialismus fehlt
Das grundlegende Problem der Linkspartei ist, dass sie zwar von Sozialismus redet, aber kein sozialistisches Programm und keine sozialistische Perspektive vertritt; dass ihre nicht ganz selten guten Beschlüsse nur auf dem Papier stehen und nicht in praktische Politik umgesetzt werden – zum Beispiel wenn ein Bundesparteitag nach dem anderen auf Initiative von Parteilinken die Überführung der Banken und Konzerne in Gemeineigentum fordert, der Parteivorsitzende Bernd Riexinger sich aber explizit dagegen ausspricht, die Forderung nach Überführung der Autoindustrie in öffentliches Eigentum aufzustellen und stattdessen das Ausgeben von Belegschaftsaktien fordert, die die Arbeiter*innen dann doppelt zu Opfern der Krise in der Automobilindustrie machen würden und nichts an der umweltzerstörenden und profitgetriebenen Automobilproduktion ändern würden.
Regierungsbeteiligung als Gretchenfrage
Politisch drückt sich dieser Mangel an Sozialismus in der LINKEN unter anderem darin aus, dass große Teile der Partei darauf setzen in Regierungen mit den prokapitalistischen Parteien SPD und Grünen Arzt am Krankenbett des Kapitalismus zu spielen, anstatt alle Kraft darauf zu verwenden, Menschen aus der Arbeiter*innenklasse zu organisieren, um Verbesserungen von unten zu erkämpfen und den Kapitalismus perspektivisch zu überwinden. Diese politische Ausrichtung hat dazu geführt, dass sich die Partei in verschiedenen Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern bis Bremen als zahnloser Tiger erwiesen hat, wenn nicht als Bettvorleger. Nirgends kann davon gesprochen werden, dass eine Regierungsbeteiligung der LINKEN zu dem viel versprochenen Politikwechsel geführt hat; oftmals hat sie sich an Kürzungen und Privatisierungen beteiligt, die sie haben in Konflikt mit denjenigen kommen lassen, die sie eigentlich vertreten soll: Lohnabhängige, Erwerbslose, sozial Benachteiligte, Gewerkschafter*innen. Ergebnis: DIE LINKE wird von vielen als linker Teil des politischen Establishments betrachtet und sie verliert in der Regel (mit der vorübergehenden Ausnahme von Thüringen) die Unterstützung, die sie sich vor dem Eintritt in die entsprechenden Regierungen aufgebaut hatte. Die Regierungsbeteiligung mit prokapitalistischen Parteien ist konzentrierter Ausdruck des mangelhaften Programms, der falschen Politik und Perspektive der Linkspartei. So kann es keine bewegungsorientierte, klassenkämpferische und antikapitalistische Partei geben.
Praxis-Fetisch
Die Bewegungslinke setzt aber nicht an Programm und Politik der LINKEN an, sondern an ihrer Praxis. Diesen Ansatz verfolgt die marx21-Strömung schon seit Gründung der Partei – mit zweifelhaftem Erfolg. Gerade in diesem Jahr hat sich das Pendel in der Linkspartei wieder mehr nach rechts bewegt, nicht zuletzt durch die Regierungsbeteiligung der Partei in Bremen – zum ersten Mal in einem westdeutschen Bundesland. Die Fraktionsvorsitzende der LINKEN in der Bremischen Bürgerschaft ist Sofia Leonikadis, gleichzeitig einer der Köpfe der Bewegungslinken. Diese erklärt im Entwurf zu ihrer Gründungserklärung, dass an ihr auch solche Parteilinke beteiligt sind, die Regierungskoalitionen mit SPD und Grünen als Teil des Wegs zu gesellschaftlicher Veränderung sehen. Dieser Versuch sich zu waschen ohne nass zu werden ist zum Scheitern verurteilt.
Eine sozialistische Parteilinke muss als Ausgangspunkt eine schonungslose Kritik der bestehenden Politik, Programmatik und Praxis der Linkspartei nehmen. Die Systemimmanenz großer Teile der Partei und die Ausrichtung auf Koalitionen mit SPD und Grünen müssen Ausgangspunkt dieser Kritik sein. Davon ausgehend kann dann eine Debatte über Inhalte und Strategien für eine Parteilinke stattfinden. Eine Parteilinke, die aber die Verwaltung des kapitalistischen Elends in Kooperation mit den Hartz IV-Parteien als eine Möglichkeit sozialistischer Politik betrachtet, bringt einen schweren Geburtsfehler mit, der sie daran hindern wird, eine wirkliche Alternative zum jetzigen Kurs der Partei zu formulieren.
Die einzige Bundesarbeitsgemeinschaft in der LINKEN, die eine solche Kritik formuliert und Koalitionen mit SPD und Grünen konsequent ablehnt ist die Antikapitalistische Linke (AKL). Mitglieder der Sol sind deshalb aktiver Teil der AKL.
Sascha Staničić ist Mitglied des AKL-Länderrats und Bundessprecher der Sozialistischen Organisation Solidarität (Sol)