Was in der Tarifrunde öffentlicher Dienst fordern?

Arbeitszeitverkürzung und mehr Lohn!

Mit über 4,5 Millionen Beschäftigten gehört der öffentliche Dienst zu den wichtigsten Sektoren der Arbeiter*innenklasse in Deutschland.

von Jan Horsthemke, Dortmund

Für einen Teil der Beschäftigten, nämlich für diejenigen, die bei den Kommunen und beim Bund angestellt sind, endet im August 2020 der aktuell gültige Tarifvertrag. 

Zu lange Laufzeit

Die ursprüngliche Forderung von ver.di war damals eine Lohnerhöhung von sechs Prozent mit einer Laufzeit von zwölf Monaten. In Bezug auf die angestrebten jährlichen Lohnerhöhungen ist nicht einmal die Hälfte des Geforderten erkämpft worden und die Laufzeit von dreißig Monaten ist die längste seit Langem. Solch eine lange „Friedensphase“ wirkt äußerst lähmend auf die tägliche Gewerkschaftsarbeit und schwächt in vielen Bereichen die Stellung von ver.di. Dieser Tarifvertrag wurde unterzeichnet, obwohl die Beschäftigten zum wiederholten Male ihre Streikbereitschaft und Entschlossenheit in den Warnstreiks mit Hunderttausenden Teilnehmern unter Beweis gestellt hatten.

Arbeitszeit drängendes Thema

Bei den kommenden Tarifauseinandersetzungen wird das Thema Arbeitszeit eine entscheidende Rolle spielen. Die ver.di-Führung hat eine Arbeitszeitumfrage gestartet, an der sich über 200.000 Beschäftigte beteiligt haben. In dieser Umfrage ist allerdings – in Anlehnung an ähnliche Modelle in der Metallindustrie und bei der Bahn – nur erfragt worden, ob Beschäftigte lieber weniger Arbeitszeit oder mehr Lohn haben wollen. Im öffentlichen Dienst mit seinen niedrigen Einstiegsgehältern und Lohnerhöhungen, die im besten Falle die Inflation übersteigen, wirkt dieser Ansatz für viele Kolleg*innen wie ein Hohn. Nötig wäre, dass ver.di die bewiesene Kampfkraft der Belegschaften nutzt, und jetzt mit Diskussionen in den betrieblichen Strukturen eine Kampagne beginnt, um in der nächsten Tarifrunde für eine deutliche Arbeitszeitverkürzung UND eine spürbare Lohnerhöhung zu streiten.

Für offensive Forderungen

Bei einer Vollversammlung der ver.di-Vertrauensleute der Stadtverwaltung Dortmund legten einige Teilnehmer*innen dar, dass es notwendig ist, an Traditionen der Gewerkschaftsbewegung anzuknüpfen und eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich zu fordern, wie das in den achtziger Jahren der Fall war. Leider sehen viele Kolleg*innen gar nicht mehr diese Möglichkeit, weil die Gewerkschaftsführung schon seit langem so tut, als sei das utopisch. Es gilt, dieses Bewusstsein wieder zu stärken. 

Fehlende Durchsetzungskraft?

Sicher gibt es in vielen Betrieben das Problem, dass zu wenige Kolleg*innen bereit sind, sich als Vertrauensleute oder Aktive bei ver.di zu engagieren. Aber gerade mit Forderungen, für die es sich wirklich lohnt zu kämpfen, mit denen sich die Situation der Kolleg*innen durch erfolgreichen Arbeitskampf real und deutlich verbessern würde, können auch neue Kolleg*innen dafür gewonnen werden, sich einzubringen. Das zeigen alle Erfahrungen, wenn es eine Perspektive gab, wie im Streik des Sozial- und Erziehungsdienstes vor vier Jahren oder auch in einzelnen Krankenhäusern, wo der Kampf für Entlastung aufgenommen wurde. Es ist nötig, dass die Kolleg*innen, die für einen kämpferischen Kurs sind, sich zusammen tun, um die ver.di-Führung herauszufordern und den berechtigten Wünschen der Belegschaften Ausdruck zu verleihen.

In einer Gesellschaft, die es sich noch immer leistet, über hundert Milliardären die Taschen zu füllen, sind weitreichende Tarifforderungen überfällig und mit entschlossenen Arbeitskampfmaßnahmen auch bestens zu erstreiten. 

Jan Horsthemke ist ver.di-Vertrauensmann bei der Stadtverwaltung Dormund. (Funktionsangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person)