Gründungstreffen von LINKS Wien – Chance genutzt?

Eine erste Einschätzung der Sozialistischen Offensive (CWI in Österreich)

Am 10. Und 11. Januar fand im Haus der Begegnung in Wien 15 das Gründungstreffen von LINKS Wien statt. 350-450 Menschen nahmen daran teil, das ist zwar weniger als die ursprünglich angemeldeten 600 Menschen, aber zeigt dennoch das Potential und die Tatsache, dass die Menschen nach einer Alternative suchen. Die Anwesenden waren zu einem großen Teil aus Wien, überwiegend jung (in den 20ern bzw. 30ern), eher aus akademischen Schichten, dennoch waren auch Menschen außerhalb von Wien da und einige Menschen die nicht in dieses Raster passen. Gerade die Bildung der neuen Regierung dürfte noch einmal mobilisiert haben. Besonders deshalb ist daher schade, dass Schwarz-Grün zwar in Wortmeldungen vorkam, aber der Widerstand gegen die Maßnahmen der neuen Regierung sich nicht inhaltlich in den Beschlussvorlagen wiederfand.

Das Treffen schließt an die Erfahrungen von „Aufbruch“ an, der am Gründungskongress 2016 über 1000 Aktivist/innen mobilisieren konnte, aber durch den Nicht-Antritt zu den Wahlen 2017 zum Zuseher auf der politischen Bühne wurde und schließlich versandete. Positiv war, dass viele Aktivist/innen aus Aufbruch sich auch als Aktivist/innen von LINKS Wien wiederfanden. Die Tatsache dass der Antritt zu den Wahlen diesmal außer Diskussion steht, ist ein Fortschritt, und bedeutet, dass die Aktivist/innen Schlussfolgerungen aus der Erfahrung 2017 gezogen haben. Dennoch besteht nun die Gefahr, sich zu sehr auf die Wahlebene zu konzentrieren. Ein Wahlkampf kann ein Mittel sein, die politische Bühne zu nutzen um die Ideen bekannter zu machen – ein Mittel für längerfristigen Aufbau einer Bewegung bzw. Partei. Er muss Ausdruck von realen Kämpfen sein bzw. solche aufgreifen. Es ist daher Schade dass der Kampf gegen die Maßnahmen der neuen Regierung bzw. die Frage des Nulldefizits der Wiener Stadtregierung nur eine untergeordnete Rolle spielte. Auch besteht die Gefahr bei den Wiener Wahlen zerrieben zu werden, wenn eine Dynamik entsteht, rotgrün gegen schwarzblau zu verteidigen (durch ein Antreten einer eigenen Strache Liste wäre diese Gefahr etwas entschärft). Wichtig wäre auf jeden Fall sich auch durch ein schlechtes Abschneiden nicht entmutigen zu lassen – diese Gefahr ist dann geringer, wenn klar ist, dass ein langfristiger Aufbau (auch außerhalb von Wien) das Ziel ist.

Besonders in den Diskussionen in den Kleingruppen und den Bezirksgruppen wurde klar, dass die Initiative neue Menschen in die Aktivität bewegt hat. Dennoch fanden sich die guten Diskussionen, die dort stattfanden, zwar in den Rückberichten ins Plenum wieder, aber die Diskussion im Plenum wurde dem nicht wirklich gerecht. Im Plenum standen hauptsächlich vorbereitete Reden im Zentrum, die z.B. Zeit für die tatsächliche Diskussion der Beschlussvorlagen wegnahm. In den Kleingruppen wurde u.a. zu Recht kritisiert dass viele Reden aber auch die Beschlussvorlagen in einer eher abgehobenen, akademischen Sprache verfasst waren. Eine weitere Schwäche war, dass viele der Redner/innen bzw. der Organisator/innen einen Identity Politics Zugang zur Frage, wie Rassismus und Sexismus bekämpft werden sollten, hatten. Quoten spielten daher eine große Rolle. Das führte zu teils absurden Situationen, in denen Inhalte bei den Kandidat/innen kaum noch eine Rolle spielten, sondern nur noch die Frage ob sie Mann oder Frau seien bzw. ob sie Migrationshintergrund hätten. In der Beschlussvorlage wurde festgehalten, dass Gremien einen 60% Frauenanteil und einen 33% Migrationsanteil haben sollten. So standen z.B. vier Kandidat/innen zur Wahl, drei sollten gewählt werden. Davon war eine Frau mit Migrationshintergrund, eine ohne, ein Mann mit Migrationshintergrund und einer ohne. Drei Kandidat/innen konnte man auf dem Wahlzettel auswählen, aber nur einen der beiden Männer – natürlich wurde der Mann ohne Migrationshintergrund nicht in den Kreis der drei Sprecher/innen gewählt. Dass Quoten nichts über die Inhalte aussagen, zeigt sich darin, dass Schwarz-Grün genau den hohen Frauenanteil der Regierung als Alibi nutzt um sich fortschrittlich zu präsentieren – und ihre teils reaktionäre Politik zu rechtfertigen. Es gilt eine Partei aufzubauen, die Arbeitnehmer/innen, Frauen, Migrant/innen, Jugendliche, Arbeitslose, Pensionist/innen und unterdrückte Schichten im Kampf vereint, aber Quoten sind dabei nicht hilfreich, wenn das Programm und die Inhalte nicht attraktiv für diese Schichten ist.

Eine weitere Schwäche war das Fehlen von Aktivist/innen aus dem Gewerkschaftsbereich oder Beschäftigten in Kämpfen – wenn Gewerkschaftsaktivist/innen anwesend waren, waren sie kaum sichtbar oder traten nicht als solche auf. Ein Antrag, dass die Interessen arbeitender Menschen im Zentrum stehen sollten, wurde leider mit 55 zu 106 Stimmen abgelehnt. Dieser Aspekt wäre besonders angesichts der drohenden wirtschaftlichen Krise wichtig, die bereits beginnt Auswirkungen zu zeigen mit ersten Betriebsverlagerungen/-schließungen  und Personalabbau (Secop, Rehau, Opel,…). Gleichzeitig wäre es nötig, Jugendliche anzusprechen, die von der wirtschaftlichen Krise getroffen werden und die in einem eigenen Jugendflügel einer neuen Partei eingebunden werden könnten.

Der Modus der Antragseinbringung war nicht wirklich nachvollziehbar. Einige Anträge waren schon im Vorfeld eingebracht worden, ihre Einbringer/innen konnten daher im Plenum sprechen. Andere Anträge wurden durch die Kleingruppen eingebracht, aber dann durch Delegierte mit der Antragsredaktion abgestimmt, in einem nicht nachvollziehbaren Prozess, der durch „Konsensfindung“ geprägt gewesen sein dürfte. Viele Anträge fanden nur dann den Weg ins Plenum wenn der/die Delegierte darauf beharrte. Wie in der Vergangenheit bei Aufbruch war aber  vielen Aktivist/innen das Mandat der Delegierung gegenüber der Gruppe nicht klar – das sorgte für Verwirrung. Es wäre daher besser gewesen, wenn die Delegierten die Möglichkeit gehabt hätten Rücksprache mit der Gruppe zu halten.

Die Beschlussvorlage selbst war sehr vage. Es wird zwar von Überwindung des Kapitalismus gesprochen, aber weder konkret gemacht was das bedeutet noch klar gemacht was die Alternative sein müsste. Denn Überwindung des Kapitalismus bedeutet auch sich nicht auf die Logik des Kapitalismus einzulassen – und damit die Spar-  und Sachzwang-Logik abzulehnen, wie sie gegenwärtig die Grünen in der Regierung (oder auch Rotgrün in Wien) an den Tag legen mit der Unterstützung des Nulldefizits. Links müsste als Teil seines Selbstverständnisses haben Widerstand gegen jede Form von Sozialabbau und neoliberaler Politik zu organisieren und zu initiieren. Gleichzeitig vermeidet es Links peinlichst von Sozialismus als Gesellschaftsalternative zu sprechen – obwohl in den Kleingruppendiskussionen z.B. in der Wohnungsfrage die Frage von Enteignung der Spekulant/innen zur Sprache kam.

Eine weitere Schwäche war, dass Aktivist/innen aus den Bundesländern nichts oder wenig angeboten werden konnte. Es wurde zwar in den Beschlüssen festgehalten, dass man langfristig und bundesweit aufbauen wolle, aber in der Organisationsstruktur fanden sich neben Themen- bzw. Interessensgruppen nur die Bezirksgruppen in Wien. Damit gab es kein organisatorisches Angebot an diese Menschen.

Die Sozialistische Offensive hat an der Konferenz teilgenommen und Vorschläge eingebracht.

Hier ein Antrag zu Beschlusstext 2 den die Sozialistische Offensive über eine der Kleingruppen eingebracht hatte, der es aber nicht ins Plenum schaffte:

„Links beteiligt sich an und initiiert Widerstand gegen neoliberale Regierungspolitik auf allen Ebenen.“

Hier ein Teil der Sondernummer, die wir bei der Konferenz verkauft haben, zur Nachlese:

„LINKS Wien“: Wie aufbauen?

„LINKS“ ist eine neue Chance, Schritte in Richtung einer neuen Partei zu setzen.

Folgende Punkte wären dabei wichtig:

– Eine neue Kraft muss Teil von Kämpfen sein bzw. sie initiieren und mobilisieren. Eine neue Kraft muss ein Programm entwickeln das Antworten gibt auf die Auswirkungen der Krise wie Betriebsschließungen, Kürzungen und Personalabbau (z.B. bei Secop, Opel Wien, Magna, Mondi,…).

– Sie muss gegen jede Form der Kürzungspolitik stehen und für konkrete Verbesserungen im Leben von Arbeitnehmer/innen mobilisieren – in den Betrieben und Nachbarschaften

– Sie muss gegen Angriffe durch die neue Regierung und für die Rücknahme der Maßnahmen von Schwarzblau mobilisieren – 12h-Tag, Kassenfusion und Mindestsicherungskürzung, aber auch deren rassistische und repressive Maßnahmen – und darf sich nicht auf Lokalpolitik beschränken.

– LINKS muss Druck auf die ÖGB-Führung ausüben, damit diese die vereinzelten Kämpfe zu einem branchenübergreifenden Streiktag zusammenführt und für eine bundesweite Demonstration als erstem Schritt mobilisiert.

– Sie muss Gewerkschaftsaktivist/innen mit einschließen bzw. könnte einen wichtigen Beitrag für den Aufbau einer Gewerkschaftsopposition leisten, indem sie Aktivist/innen zusammenbringt – für die Umwandlung der Gewerkschaften in demokratische und kämpferische Organe

– Sie muss über ein reines Bündnis hinausgehen – d.h. es braucht demokratische Strukturen, wo man mitmachen und sich beteiligen kann, für Einzelpersonen wie auch organisierte Kräfte

– Sie muss versuchen jene, die in Bewegungen gegen den Klimawandel, gegen Sexismus und gegen Rassismus auf die Straße gegangen sind, einzubinden – um eine breite Bewegung für sozialistische Gesellschaftsveränderung aufzubauen.

– Sie muss Raum geben für inhaltliche Debatten darüber, welches Programm nötig ist

„Sozialistische Offensive“ würde sich an solchen Projekten beteiligen, aber wir würden für ein sozialistisches Programm argumentieren. Wir würden das nicht als Ultimatum stellen hinsichtlich unserer Teilnahme. Wir würden aber argumentieren, dass nur mit einem sozialistischen Programm konsequent Widerstand gegen die Symptome der Krise geleistet und dauerhafte Verbesserungen für Arbeitnehmer/innen erreicht werden können.

Das Beispiel Syriza zeigt, dass ohne ein sozialistisches Programm, das bereit ist mit dem Kapitalismus zu brechen, eine Regierung klein beigeben wird. Corbyns Forderungen in Britannien für ernsthafte Verbesserungen z.B. lassen sich nur umsetzen, wenn weite Teil der Wirtschaft in Gemeinbesitz übernommen werden und nach den Bedürfnissen der Menschen geplant werden, unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und der Gesellschaft.