LINKE und Gewerkschaften in die Offensive
Am 28. März finden im Rahmen eines europaweiten Aktionstags bundesweit Demonstrationen gegen Mieterhöhungen und Wohnungsmangel statt. Dazu rufen verschiedene Mieter*inneninitiativen und Organisationen auf.
von Michael Koschitzki, Berlin
Eine neue IW-Studie zeigt: Alle Lohnerhöhungen der letzten fünf Jahre wurden durch Mietsteigerungen fast komplett aufgefressen – in Städten wie Berlin übersteigen sie sogar die Lohnzuwächse. Doch aus den Gewerkschaftszentralen kommen trotzdem noch keine Anstrengungen zu den nächsten Demonstrationen am 28. März ernsthaft zu mobilisieren.
Wenn die eh schon nicht sehr üppigen Errungenschaften der letzten Jahre von Mieterhöhungen aufgefressen werden, muss hier aber reagiert werden. Wenn die Gewerkschaften ihre Millionen Mitglieder mobilisieren und dazu ernsthafte Anstrengungen in Betrieben und Verwaltungen unternehmen, könnte die Teilnahme und damit der Druck vervielfacht werden. Dafür müssen wir uns in ihnen einsetzen.
Klare Forderungen und Vorschläge
DIE LINKE ist vielerorts an den Vorbereitungen der Demonstrationen mit beteiligt und unterstützt lokale Bündnisse. Doch es ist noch nicht zu spüren, dass Mieten und Wohnen wirklich der beschlossene Schwerpunkt der Partei sind. Sie sollte deshalb einen Großteil ihrer Ressourcen und ihre öffentlichen Plattformen für die Mobilisierung nutzen.
Der Lackmustest der Mietenbewegung ist die Auseinandersetzung rund um die Enteignung von Deutsche Wohnen & Co. in Berlin. Ein Erfolg des Volksentscheids könnte bundesweite Auseinandersetzungen beflügeln – eine Niederlage zu einem Rückschlag für alle werden. Die zweite Stufe des Volksentscheids startet in wenigen Monaten. LINKE, Gewerkschaften und Mieter*innenbewegung sollten ihm volle Rückendeckung geben und auch bundesweite Unterstützung mobilisieren.
Die Immobilienlobby hat das bereits verstanden und startet eine Gegenkampagne nach der anderen. Dem muss entgegen getreten werden. Deshalb schlagen wir außerdem vor, dass die Mietenbündnisse ausgehend vom 28. März zu einer zentralen bundesweiten Großdemonstration gegen Mietsteigerungen in Berlin aufrufen, um den Widerstand hier zu bündeln.
Berliner Mietendeckel
Vorbild oder Ablenkung?
Der Entwurf des Berliner Mietendeckels, der nach Abschwächungen im März im Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen werden soll, sieht derzeit vor:
Einfrierung der Nettokaltmiete auf dem Niveau von Juni 2019 für fünf Jahre (Neubauten sind ausgenommen. Betriebskosten können weiter steigen. Modernisierungen können weiterhin bis zu ein Euro pro Quadratmeter auf die Miete umgelegt werden.)
Es wird eine Mietentabelle von 3,92 Euro (für eine über 100 Jahre alte Wohnung ohne Heizung und Bad) bis 9,80 Euro pro Quadratmeter eingeführt bis zu der eine Miete zulässig ist. Die Tabelle darf auch zwanzig Prozent darüber ausgereizt werden und es gibt jährliche Inflationssteigerungen.
Eine Absenkung auf dieses Niveau soll laut letzter Änderung nicht mehr beim Amt erfolgen können, sondern muss selbst gegen den Vermieter eingeklagt werden. Das Recht dazu haben schätzungsweise zehn Prozent der Mieter*innen ab Frühjahr 2021.
Auch wenn DIE LINKE Berlin sich für den ursprünglichen Entwurf hätte einsetzen und kämpfen sollen, ist das die weitestgehende Maßnahme, die es bundesweit gibt und geht viel weiter als die Mietpreisbremse, Milieuschutz oder vergleichbare Regelungen. Doch angesichts der horrenden Mieterhöhungen der letzten Jahre wären nötig: ein richtiger Mietpreisstopp, der keinerlei Anhebungen mehr zulässt, eine Verpflichtung der Vermieter*innen, die Miete der Vormieter*innen anzuzeigen sowie die gesetzliche Einführung einer reglementierten und kontrollierten Kostenmiete, die sich an den tatsächlichen Kosten eines Gebäudes orientiert und bei der Absenkungen nicht erst eingeklagt werden müssen. Ein positiver Effekt wäre, wenn die geplante Ankündigung von unverzüglichen hohen Geldstrafen eine abschreckende Wirkung auf Vermieter entfalten können, was sich in der Praxis erweisen muss.
Verfassungsgericht
Gleichzeitig will die Immobilienlobby den Mietendeckel vor dem Verfassungsgericht kippen und das Gericht könnte dafür sorgen, dass die Kapitalisten vor den Forderungen der Mehrheit der Bevölkerung geschützt werden. Dagegen muss die Mieter*innenbewegung in die Offensive gehen und Druck aufbauen.
Während eine Entscheidung vor Gericht lange dauern kann, wollen SPD und Grüne versuchen, auf den Mietendeckel zu verweisen, um zu erklären, warum eine Enteignung von Immobilienkonzernen nicht nötig ist. Denn die Forderung hat enorme Unterstützung bekommen und der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ muss zur zweiten Stufe rund 200.000 Unterschriften sammeln. Und die Forderung ist richtiger denn je: Schon die bestehenden Gesetze interessieren die Immobilienkonzerne recht wenig – wirklich kontrollieren kann man sie nur, wenn die Wohnungen der Allgemeinheit gehören. Deshalb sollte die Mieter*innenbewegung einerseits den Mietendeckel gegen die Angriffe der Immobilienlobby verteidigen, aber gleichzeitig erklären, dass er unzulänglich ist und sich für einen wirklichen Mietenstopp einsetzen und das mit der Forderung nach Enteignung und Überführung in demokratische Kontrolle und Verwaltung durch Mieter*innen, Beschäftigte und die arbeitende Bevölkerung verbinden. Für diese Forderungen darf sich nicht auf Gesetze, Gerichte oder Volksentscheide verlassen, sondern dafür muss mobilisiert und gekämpft werden. Dafür setzt sich die Sol Berlin ein und hilft beim Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ aktiv mit.
Aktionstag am 28. März:
„Der Ausverkauf der Städte im Interesse einiger weniger ist kein Naturgesetz, sondern die Konsequenz eines ungehemmten Wirtschaftssystems und einer Politik, die ihren Kompass der sozialen Verantwortung verloren zu haben scheint.“ (Ausschnitt aus dem Aufruf von 60 Initiativen aus 26 Städten).
Demonstrationen in Berlin, Bochum, Dresden, Frankfurt am Main, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Köln, Leipzig, Mannheim, München, Münster, Stuttgart
Infos unter: