Enteignung gewinnt Mehrheit

(CC BY-NC-SA 2.0), Uwe Hiksch, https://www.flickr.com/photos/uwehiksch/46828678184

Über 56 Prozent der Berliner*innen stimmen für Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“

Frohe Nachrichten sind rar gesäht am Abend des 26. September 2021. Doch dann kommt die Hochrechnung über den Ausgang des Berliner Volksentscheids zur Enteignung der großen Immobilienkonzerne. Über 56 Prozent der Berlinerinnen und Berliner haben dafür gestimmt, 39 Prozent dagegen. Das ist ein riesiger Erfolg für die Kampagne und darüber hinaus! Damit ist schwarz auf weiß bewiesen, dass Enteignungsforderungen mehrheitsfähig sein können. Das wird bundesweit und international auf Mieteraktivist*innen aber auch auf andere soziale Bewegungen, Kapitalismusgegner*innen und zum Beispiel von Entlassungen betroffenen Beschäftigte ausstrahlen. Gleichzeitig geht jetzt in Berlin der Kampf um die Umsetzung des Volksentscheids mit Rückenwind weiter. Doch muss klar sein: Im neuen Senat werden (egal, wie er letztlich zusammengesetzt sein wird) die Vorschläge des Volksentscheids wenige Unterstützer*innen haben.

von Tom Hoffmann, Berlin

Erstmal ertönt ein unüberhörbares Signal aus der Hauptstadt: Raus mit den Spekulanten! Keine Profite mit der Miete! Noch im April war am Bundesverfassungsgericht auf Antrag von CDU und FDP der Berliner Mietendeckel gescheitert. Die Abstimmung vom Sonntag ist dafür nun eine Retourkutsche. Und sie ging deutlicher aus, als das die Vorabumfragen erahnen ließen. Nur in zwei Berliner Bezirken, Steglitz-Zehlendorf und Reinickendorf, gab es keine Mehrheit. Das ist umso bemerkenswerter als DIE LINKE die einzige aller großen Parteien war, die sich klipp und klar für den Volksentscheid ausgesprochen hat.

Die Grünen fassten keine eindeutige Positionierung – SPD, CDU, FDP und AfD waren strikt dagegen. Selbst sogenannte SPD-Linke wie Kevin Kühnert erklärten sich gegen den Volksentscheid. Zwar betonen nun die designierte neue Bürgermeisterin Giffey und die Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch, man werde das Ergebnis „respektieren“. Doch man muss davon ausgehen, dass sie alle Mittel suchen und finden werden, den Volksentscheid nicht zur Umsetzung kommen zu lassen – beispielsweise über entsprechende Rechtsgutachten – und stattdessen auf „runde Tische“ mit den Immobilienkonzernen zu setzen. Rechtlich bindend ist das Ergebnis ohnehin für einen neuen Senat nicht.

Druck aufrechterhalten

Umso wichtiger ist es, dass der Druck von der Bewegung um den Volksentscheid weiter aufrecht erhalten wird. Hunderte Aktive haben sich beim Unterschriften sammeln und in den Wahlkampf für die Enteignung eingebracht. Gemeinsame Beratungen über den Umgang mit diesem Ergebnis und eine Strategie zur Durchsetzung könnten auf einem Kongress demokratisch besprochen und beschlossen werden. Die vielen Organisationen, allen voran die Berliner Gewerkschaften, die die Kampagne unterstützen, sollten ihr Mitglieder zudem darauf vorbereiten, zeitnah wieder auf die Straße zu mobilisieren, um das Ergebnis zu verteidigen.

DIE LINKE

DIE LINKE hat zurecht für Stimmen im Wahlkampf damit geworben, dass sie als einzige Partei für den Volksentscheid und die Ziele einsteht. Sie wird nun daran gemessen werden, inwiefern das Teil ihrer praktischen Politik wird. Denn sie ist gleichzeitig gewillt, die Koalition mit SPD und Grünen fortzusetzen. Das wird zu Widersprüchen führen. Bisher hat die Parteispitze nicht einmal die Bedingung aufgestellt, dass der Gesetzentwurf der Kampagne umgesetzt werden muss. Die Sol hat sich gegen eine Fortsetzung dieser Koalition ausgesprochen, weil mit SPD und Grünen kein Senat zu machen ist, der für die Interessen der arbeitenden Mehrheit kämpft und solch eine Politik macht. Die Haltung von SPD und Grünen zum Volksentscheid, die Bereitschaft zur Teil-Privatisierung der Berliner S-Bahn und die skandalöse Hinhaltetaktik gegenüber den aktuell kämpfenden Krankenhausbeschäftigten sind nur einige Beispiele dafür. Jede soziale Verbesserung muss diesen Parteien mit Druck von unten abgerungen werden. Dafür werden wir weiter kämpfen; auch in der LINKEN.

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