23 Jahre Haft für Vergewaltiger Weinstein

Foto: Georges Briad, CC: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

Dieses Urteil ist kein Normalfall!

Insgesamt 80 Anklagen und und 44 Millionen Dollar, um weitere Verfahren neben den zwei verhandelten Klagen, die nun prozessiert wurden, abzuwenden und eine fast weltweite Protestbewegung hunderttausender Frauen waren nötig, um ein derart hohes Strafmaß für einen wiederholten Vergewaltiger zu erreichen.

Von Alexandra Arnsburg, Mitglied im Landesbezirksfrauenrat ver.di Berlin-Brandenburg*

Die Realität für die Mehrheit der Frauen sieht da leider anders aus. Die Mehrheit der Klagen, die Beschäftigte gegen Ihre Arbeitgeber wegen sexueller Nötigung in den USA vor die staatliche Kommission für Gleichberechtigung bringen, werden abgewiesen. In den einzelnen zugelassenen Fällen bekommt die Klägerin im Durchschnitt 30.000 Dollar und ist arbeitslos. Und vor Gericht? Lächerliche Strafen wie dreißig Tage für den Vergewaltiger einer 14jährigen, weil sie älter ausgesehen habe oder der Richter, der einen 16 Jährigen im letzten Jahr nicht wegen Vergewaltigung verurteilen wollte, obwohl er ein Video der Tat mit der Nachricht, dass es sich um eine Vergewaltigung handelt an seine Freunde verschickte, weil er gute Noten hat und keine Waffen benutzt hatte. Solche Urteile, die massiven Kosten und eine Quote bei Verurteilungen von drei Prozent sind keine Ermutigung für Frauen in den USA, eine Vergewaltigung zur Anzeige zu bringen.

Gerichtsverfahren – Traumatisierend, mit wenig Aussicht auf Verurteilung

Verschiedene Studien zeigen, dass auch in Deutschland die wenigsten Übergriffe angezeigt werden, in Niedersachsen nur sieben Prozent in Mecklenburg Vorpommern sogar nur ein Prozent. Im Vergleich: der EU Durchschnitt liegt bei 16 Prozent. Und dass, obwohl jede dritte Frau Übergriffe in unterschiedlichem Ausmaß erfahren muss. Neben der Meinungsmache der Medien, die Vergewaltiger als Sextäter bezeichnen und Frauemmorde als Familientragödien, ist auch hierzulande die Verurteilungsquote von 7,5 Prozent nicht besonders erfolgversprechend. Die seltene Verurteilung ist nicht der einzige Grund, den Täter nicht anzuzeigen: die erfahrene Gewalt immer wieder schildern, entwürdigende Details preisgeben, die eigene sexuelle Vergangenheit offenlegen und bewertet zu wissen, ärztliche Untersuchungen und das Gefühl, dass einem nicht geglaubt oder die Schuld immer bei einem selbst gesucht wird oder die Angst vor erneuter Gewalt – das erfordert viel Stärke von den Frauen, die meist eine traumatische Situation hinter sich haben.

Sicherlich gab es in den letzten Jahren einige Verbesserungen in einer Reihe von Ländern, wie das Einwilligungsgesetz in Schweden wonach nun aktiv eine Einwilligung zum Sex eingeholt werden und nicht mehr bei Unwillen eindeutige Ablehnungen artikuliert müssen. Das führte zu einem deutlichen Anstieg von Anzeigen in Schweden. Jedoch lag das Strafmaß für „unachtsame Vergewaltigung“ bei der ersten Verurteilung vor knapp einem Jahr nur bei acht Monaten. Für das höhere Strafmaß von 2,5 Jahren in dem konkreten Fall mussten noch weitere Tatbestände erfüllt werden, wie die Minderjährigkeit der Klägerin. Es ist ein Fortschritt, dass Vergewaltigung in der Ehe hier als Tatbestand gilt und Befragungen durch geschulte weibliche Polizistinnen erfolgen und es neue Rufnummern gibt für Nachbar*innen, die häusliche Gewalt mitbekommen. Jedoch wer über die Inhalte der Schulungen für Polizist*innen, Anwält*innen, Richter*innen usw. entscheidet, ist eigentlich niemandem bekannt. Das müsste durch transparent gewählte Komitees von Psycholog*innen, Therapeut*innen und Betroffenenorganisationen diskutiert werden.

Kampf gegen Gewalt = Kampf um ein besseres Leben

Um Gewalt gegen Frauen zu stoppen benötigen wir eine breite Kampagne der großen Arbeiter*innenorganisationen mit Unterstützung durch Verbände und Initiativen gegen Gewalt gegen Frauen, die Anlaufstellen in den Betrieben und Schulen und Universitäten und in den Bezirken schaffen, immer wieder Veranstaltungen anbieten, um zu erklären dass zum Beispiel es kein Witz ist, wenn eine Frau „Nein“ sagt, weil Frauen immer eigentlich „Ja“ meinen und dass jemandem Sex auch nicht zusteht, nur weil der oder die andere eine Einladung zum Essen angenommen hat oder alkoholisiert ist. 35 Prozent der Deutschen finden Sex ohne Einverständnis (so spricht die Studie – also gemeint ist eine Vergewaltigung) unter bestimmen Umständen wie oben in Ordnung. Wir benötigen ein Verbot sexistischer Werbung, damit uns nicht permanent gezeigt wird, dass es okay ist, weibliche Sexualität zu Werbezwecken zu nutzen. Aber auch jede bemühte Aufklärung, das Werben für Respekt und jedes Verbot werden nicht die Ursachen für Gewalt gegen Frauen beenden. Frauen sind Menschen zweiter Klasse und das auch noch heute und hier. Frauen verdienen 21,5 Prozent weniger als Männer, dabei leisten sie sechs Stunden mehr Arbeit pro Woche als Männer wenn neben der bezahlten Arbeit auch Haushalt, Pflege und Ehrenamt gezählt werden. Steigende Mieten sorgen dafür, dass Frauen ihre Partner nicht verlassen können, Kürzungen bei Frauenhäusern und Projekten und die Unterversorgung im Gesundheitssystem verhindern, dass Frauen dringend nötige Unterstützung bekommen. Hierfür ist der gemeinsame Protest und Streik für höhere Löhne und Renten, kürzere Arbeitszeiten und einen bedarfsgerechten Haushalt auf kommunaler und bundesweiter Ebene ein notwendiges Druckmittel, um die nötigsten Mittel zu beschaffen um die Ursachen für Gewalt zu bekämpfen.

Schlechte Lebensbedingungen und Gewalt schaden uns allen – ob Frauen, Männern oder divers geschlechtlichen Menschen. Wir wollen frei von Armut und Unterdrückung und Krieg leben. Wir wollen nicht gegeneinander aufgehetzt werden. In einem System wie dem Kapitalismus, das die Spaltung der Menschen auf allen Ebenen fördert, werden Menschen dazu gebracht, in anderen einen Feind oder eine Feind*in zu sehen und miteinander um Löhne und Lebensräume zu konkurrieren – obwohl die breite Masse der arbeitenden Bevölkerung eigentlich die gleichen Interessen hat. Damit muss Schluss sein, wir organisieren uns, gegen die Konkurrenz, Ausbeutung und Unterdrückung aufgrund von Geschlecht, Herkunft oder aus sonstigen Gründen als Teil des Kampfes aller Lohnabhängigen für eine bessere, für eine sozialistische Gesellschaft.

*Angabe der Funktion dient nur zur Kenntlichmachung der Person

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