Coronavirus infiziert Weltwirtschaft

Krankheit löst Börsencrash und Wirtschaftskrise aus

Dieser Leitartikel der englisch-walisischen Wochenzeitung The Socialist erschien zuerst am 10. März in englischer Sprache.

Der größte Rückgang innerhalb eines Tages an den Aktienmärkten seit der Finanzkrise, ein Ölpreiskrieg zwischen Saudi-Arabien und Russland und der schnellste Rückgang der Ölpreise seit dreißig Jahren. Die Auswirkungen des Coronavirus auf die ohnehin schwache Weltwirtschaft führen zu einer enormen Instabilität, die den bisherigen Rückgang verschärft und die Gefahr birgt, dass die Welt in eine Rezession abstürzt, die an die Krise von 2008 / 2009 herankommt.

Die Lieferketten wurden zunächst durch die vorübergehenden Fabrikschließungen in China unterbrochen. Das wiederum hat den Welthandel gesenkt und die Seefracht ist auf den niedrigsten Stand seit 2008 gesunken. Dies geht einher mit einem Rückgang der Nachfrage nach Flugreisen, Hotelbuchungen, Konferenzen und Unterhaltungsangeboten. Betroffen ist der Tourismus, einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Italien, einem Land, das stark vom Covid-19-Virus betroffen ist.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen wirken als Schereneffekt aus zwei Richtungen: „Angebotsschock” durch die Unterbrechung von Waren und „Nachfrageschock” durch Menschen, die mehr zu Hause bleiben und daher weniger Geld als üblich ausgeben. Immer mehr Menschen wurde geraten, sich selbst zu isolieren oder riskieren es einfach nicht mehr rauszugehen. Einige Unternehmen haben ihren Mitarbeiter*innen geraten, von zu Hause aus zu arbeiten, darunter eine Reihe großer Technologieunternehmen in den USA.

All dies hat zu einer Instabilität an den Aktienmärkten geführt, einschließlich des größten Ein-Tages-Rückgangs an den US-Börsen seit über zehn Jahren. Die Aktienmärkte spiegeln nicht den realen Wert der Unternehmensvermögen wider, dennoch findet auch eine reale Verringerung des globalen Wirtschaftswachstums statt.

Es ist noch nicht bekannt, wie weit sich das Virus ausbreiten wird und in welchem Zeitrahmen. Aber seit seinem Auftreten schreibt die OECD, dass das globale Wachstum im ersten Quartal 2020 sogar schrumpfen könnte. Sie prognostiziert einen Rückgang des BIP-Wachstums von mindestens 0,5 Prozent in diesem Jahr, bzw. 1,5 Prozent, falls es eine schwere Pandemie wird. Andere gehen davon aus, dass es einen viel schlimmeren Rückgang – eher von fünf Prozent – geben könnte .

Grundlegende Schwäche der Weltwirtschaft

Wie auch immer die wirtschaftlichen Auswirkungen aussehen mögen, sie kommen nicht allein von Covid-19, da die Weltwirtschaft bereits sehr anfällig für Schocks war. In dem Jahrzehnt seit der Finanzkrise 2007-08 haben die Regierungen weltweit darum gekämpft, das schwache Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Die Konjunkturmaßnahmen wurden nie ganz gestoppt, und die Zinsen wurden auf einem historisch niedrigen Niveau gehalten – derzeit sind sie in Japan und der Eurozone negativ. In jüngster Zeit mehrten sich die Anzeichen einer neuen Rezession.

Die Verschuldung war noch nie höher. Die Gesamtverschuldung – von Regierungen, Unternehmen und Haushalten – ist heute mehr als dreimal so hoch wie der Gesamtwert der Weltwirtschaft. Das Virus könnte schnell zu einem Faktor werden, der einige dieser Schulden in die Unhaltbarkeit kippen lässt.

Die Investitionen und die Produktivität sind nach wie vor gering. Angesichts der Anfälligkeit der Weltwirtschaft und ihres derzeitigen Stadiums im Konjunktur-Zyklus könnte der Ausbruch des Virus weltweit ein rasches Eintauchen in die Rezession auslösen.

Die Regierungen und Zentralbanken versuchen verzweifelt, dies durch weitere Konjunkturmaßnahmen zu verhindern. Die US-Notenbank hat den Notfall-Zinssatz um 0,5 Prozent gesenkt, die größte Senkung seit 2008, und auch eine Reihe anderer Zentralbanken haben die Zinsen gesenkt. Der IWF, die Weltbank und der US-Kongress haben Notfallfinanzierungspakete in Höhe von insgesamt über siebzig Milliarden Dollar geschnürt.

China und Japan gehören auch zu den großen Volkswirtschaften, die zusätzliches Geld in die Finanzinstitutionen gepumpt haben.

Die finanziellen Instrumente, die sie alle nutzen können, wurden jedoch während und nach der Krise 2007-08 teilweise aufgebraucht, insbesondere die Möglichkeit, die Zinssätze zu senken. Und wie das Magazin Economist hervorhob: “Keine Menge billiger Kredite kann Menschen davon abhalten, krank zu werden”. Regierungen und Banken fuchteln also umher, ohne dass es einen überzeugenden Weg gibt, eine sichere Landung zu erreichen.

Ein weiterer Faktor, der ihre Reaktion einschränkt, sind die im Vergleich zu vor zehn Jahren gestiegenen Spannungen zwischen den Weltmächten, die die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Virus und seiner Auswirkungen beeinträchtigen.

Öffentliche Daseinsvorsorge

Die Alarmglocke wird von den kapitalistischen Klassen geläutet darüber, wie schwach die öffentlichen Gesundheitsdienste im Allgemeinen sind, jetzt, wo ganze Volkswirtschaften mit Konsequenzen konfrontiert sind, die ihre Interessen direkt treffen könnten. In den USA hat ein Viertel der Beschäftigten keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und 28 Millionen haben keine Krankenversicherung. Der rechtsgerichtete Economist räumte ein, dass ein größerer Anspruch auf Krankengeld die Verbreitung des Virus eindämmen und dazu beitragen würde, “den Nachfrageschock abzumildern, der zusammen mit einem Angebotsschock und einer allgemeinen Panik die Volkswirtschaften trifft”.

Auch die OECD schrieb: “Diese Episode schwachen Wachstums verstärkt in vielen Ländern die Notwendigkeit stärkerer öffentlicher Investitionen, die im weitesten Sinne auch Bildungs- und Gesundheitsausgaben umfassen, um die Nachfrage zu unterstützen und den mittelfristigen Lebensstandard zu erhöhen”.

Man ist sich auch darüber im Klaren, dass die riesigen Konjunkturpakete einfach in den Taschen der Reichen landen können, wie es vor allem seit der letzten Krise der Fall war. So argumentiert der Economist: “Es ist besser, die Wirtschaft direkt zu unterstützen, indem man Menschen und Unternehmen hilft, Rechnungen zu bezahlen und Geld zu leihen, wenn sie es brauchen”.

Die Alarmstimmung ist hoch genug, dass einige begrenzte Maßnahmen angekündigt werden. Wir fordern dagegen, dass sie viel weiter gehen und dass es nicht die Arbeiter*innenklasse und der Mittelstand sind, die für die Kosten der Coronakrise aufkommen müssen. Es dürfen keine Arbeitsplätze verloren gehen oder Löhne gekürzt werden, und jede und jeder sollte Zugang zur bestmöglichen Gesundheitsversorgung haben. Wo nötig, sollten zur Erhaltung von Arbeitsplätzen und Löhnen große Unternehmen verstaatlicht werden, wobei Entschädigungen nur auf der Grundlage der nachgewiesenen Bedürftigkeit gezahlt werden sollten. Die Gewerkschaften müssen fordern, dass die Bücher der Unternehmen zur Einsichtnahme geöffnet werden, und die Regierung muss kleinen Unternehmen, die dies wirklich benötigen, Unterstützung gewähren.

Das sollte besonders gelten, wenn die Arbeitnehmer*innen erneut den Preis für den kommende Krise zahlen sollen.

Es wird verständlicherweise Wut geben über die unzureichende Reaktion der Regierungen auf die Verbreitung von Covid-19 und die mangelnde Transparenz. Dies ist bereits in China der Fall, aber auch in westlichen Ländern, wie den USA, wo Trump sich gefährlich abfällig verhalten hat und keine Vorbereitungen für die Krise ergriffen hat.

Der Kapitalismus ist ein System, das auf Profit und nicht auf menschlichem Wohlergehen basiert und sich im wirtschaftlichen Niedergang befindet. Es wird sich weigern, der Mehrheit der Gesellschaft bei Katastrophen – ob wetterbedingt, durch Krankheiten oder geologische Zwischenfälle – ausreichenden Grundschutz und Hilfe zu gewähren. Nur durch eine sozialistische Planung in jedem Land, die auf globaler Ebene koordiniert wird und die immensen Ressourcen nutzt, die durch den öffentlichen Besitz der wichtigsten Industrien verfügbar werden, wird dies möglich sein.

Großbritannien

Keine der bescheidenen Maßnahmen, die im Haushalt des Vereinigten Königreichs für diese Woche zur Bekämpfung von Covid-19 erwartet werden, wird die Tatsache grundlegend ändern, dass das Nationale Gesundheitswesen (NHS) mit einer großen Epidemie nicht fertig wird. Die unzureichende Finanzierung hat über viele Jahre hinweg zu einem verheerenden Personalmangel und einem Mangel an Betten und Ausrüstung geführt. Die schweren Kürzungen der Mittel für die lokalen Behörden werden noch deutlicher offen gelegt werden, da die Kommunen dafür vorgesehen sind, eine Schlüsselrolle bei der Reaktion auf Notfälle im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu spielen.

Auch die versuchten “Wohlfühlmaßnahmen” im Haushalt – die darauf abzielen, die Wähler*innen für die mehrheitliche Rückkehr der Regierung Johnson an die Macht zu belohnen – werden die seit langem stagnierenden Löhne und die Tatsache, dass die ärmsten Familien in den letzten Jahren ärmer geworden sind, nicht ausgleichen.

Da die Wirtschaft kaum wächst, wird der neue Kanzler, Rishi Sunak, nicht in der Lage sein innerhalb der Beschränkungen, die seine Partei und die Finanzinstitutionen aufzuerlegen versuchen, auch nur annähernd eine Lösung für die zahlreichen Krisen im Gesundheits- und Sozialwesen und den Lebensstandard im Allgemeinen zu finden.

Außerdem hat die Tory-Regierung akute Probleme in Bezug auf den Brexit. Die erste Runde der Handelsgespräche mit der EU endete damit, dass der Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, “sehr ernste und ernsthafte” Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf ein Abkommen betonte.

Der Ratschlag an Boris Johnson in dieser Frage kam von Simon Nixon, einem Leitautor der Times, der schrieb, dass die Regierung die Coronavirus-Krise als Gelegenheit nutzen könnte, die Übergangszeit zu verlängern, einige ihrer roten Linien aufzuweichen oder, neben anderen Vorschlägen, “eine Deckung für den Ausstieg aus der Übergangszeit am Ende des Jahres ohne Handelsabkommen zu bieten. Schließlich wird es inmitten einer Krise leichter sein, die wirtschaftlichen Folgen von Brexit auf das Virus zu schieben.“

Dies gibt einen Einblick in Diskussionen innerhalb des kapitalistischen Establishments, die normalerweise vor der Öffentlichkeit verborgen sind. Die Socialist Party (CWI England & Wales) wird weiterhin deren arbeiter*innenfeindliche Beratungen offenlegen und der Arbeiter*nnenbewegung helfen, eine Kraft aufzubauen, die den Lebensstandard verteidigt und die Tories so schnell wie möglich von der Macht entfernen kann, während sie gleichzeitig sozialistische Ideen weiter verbreitet.