Dreihundert Kolleg*innen bei Zoom-Konferenz mit Berliner Abgeordneten
Etwa dreihundert Beschäftigte, aus Berliner Krankenhäusern, unterstützt durch Kolleg*innen aus anderen Berliner Krankenhäusern sowie aus dem Bundesgebiet “übergaben” am Freitag den 17. April 2020 per Zoom-Konferenz eine Petition mit über 4500 Unterschriften an Berliner Abgeordnete.
von Marie Schulpig, Mitglied im ver.di Fachbereichsvorstand 3, Berlin*
Eigentlich hatten die Kolleg*innen ihren Brief unter anderem an die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) adressiert, die dann aber plötzlich doch keine Zeit fand. Stattdessen nahmen zwanzig Abgeordnete von SPD, Grünen, LINKE, CDU und FDP an der Zoom-Konferenz teil. In dieser Petition ging es vor allem um die Forderung nach mehr Schutzausrüstung, einem Pandemie-Zuschlag von 500 Euro monatlich, die Rückführung aller Tochterunternehmen und den Ausstieg aus dem Fallpauschalen-System.
Durch Vertreter*innen von Charité und Vivantes gab es Beiträge, die Probleme im Gesundheitssystem aufdeckten und Forderungen formulierten. So sprach Dana Lützgendorf, Krankenpflegekraft auf einer Covid-Intensivstation an der Charité und Landesbezirksfachbereichsvorsitzende von ver.di, davon, dass einem bereits auch vor der Corona-Krise viel abverlangt wurde. Nun wird noch mehr Flexibilität vorausgesetzt, was wiederum zu noch mehr Stress und Druck für die Beschäftigten führt: “All das, was wir seit Jahren anmahnen und auch von der Politik fordern, wird jetzt in der Krise noch deutlicher und zeigt wie recht wir damit hatten. Das Gesundheitssystem wurde auch auf unseren Rücken kaputt gespart und es ist Zeit jetzt zu handeln!”
Des Weiteren wurde in den Redebeiträgen immer wieder von einem eklatanten Materialmangel gesprochen. Die Beschäftigten werden dazu angehalten, Einmalartikel wie Schutzmasken, Handschuhe oder Schutzmittel “sparsam zu verwenden” und nicht direkt nach jedem Patient*innenkontakt zu wechseln. Dies verstößt nicht nur gegen Hygienevorschriften, welche allerdings von Tag zu Tag gelockert werden. Es kommt sogar so weit, dass auf onkologischen Stationen die Pflegekräfte nur noch einen Mundschutz für die ganze Schicht tragen sollen.
Heuchelei
Anja Voigt, Intensivpflegekraft bei Vivantes und aktiv im Berliner Bündnis für mehr Personal, prangerte die die Heuchelei der Politik an: “Jahrelang waren wir ein Kostenfaktor im Krankenhaus und plötzlich sind wir systemrelevant?!” Sie bekräftigte die Forderung nach einer Krisenzulage von 500 Euro monatlich, und machte klar, dass die vom Berliner Bürgermeister inzwischen zugestandenen 150 Euro monatlich viel zu wenig sind. Daniel Turek, Versorgungskraft bei der CFM (Charité Facility Management) und Mitglied des Betriebsrats, wies auf die bisherige “Geiz ist geil Politik” hin, die dafür sorgte, dass Lagerkapazitäten seit Jahren gekürzt wurden und es dementsprechend auch kein Wunder ist, wenn nicht genug Schutzmasken zur Verfügung stehen. Zudem forderte er die sofortige Rückführung aller Tochterunternehmen. Durch die enorm zahlreiche Beteiligung der Beschäftigten wurde sicher klar, dass es den Kolleg*innen ernst ist.
Proteste
Die Abgeordneten trafen keine konkreten Aussagen, wie es weitergehen soll oder was getan wird, um mehr Schutzkleidung zu bekommen oder wie es mit dem Pandemie-Zuschlag aussieht. Die Beschäftigten von Charité und Vivantes wollen über einen Berliner Krankenhauspakt beraten, für den sie eine Frist von drei Wochen einräumen wollen. Danach könne es Proteste geben, so äußerte sich auch Landesfachbereichsleiterin von ver.di, Meike Jäger, im rbb. Wir müssen darauf vorbereitet sein, die Beschäftigten in dieser Zeit und bei weiteren Protesten zu unterstützen. Natürlich ist ein Streik in Krankenhäusern während einer Pandemie schwer durchsetzbar. Allerdings sollten alle möglichen Protestformen in Erwägung gezogen werden, wenn die Verantwortlichen den Gesundheitsschutz ihrer Beschäftigten nicht gewährleisten und damit nicht nur die Beschäftigten selbst, sondern auch die Patient*innen gefährdet werden. Die Sol wird die Kolleg*innen nach Kräften weiter unterstützen. Es ist wichtig, auch in anderen Betrieben Solidarität zu organisieren. So konnte schon Unterstützung für die Resolution von betrieblichen und gewerkschaftlich Aktiven aus Bereichen wie der Bahn, Telekom, Daimler und anderen gewonnen werden. Der Kampf für eine bedarfsgerechte Ausstattung in den Kliniken und für das Personal geht alle an.
* Funktionsangabe dient zur Kenntlichmachung der Person