Kurswechsel der Gewerkschaften nötig!

Mit Burgfrieden gehen Arbeitsplätze und Löhne den Bach runter.

Am 25.3. beschloss der Bundestag einen Rettungsschirm in Höhe von insgesamt 600 Milliarden Euro, inklusive einer Neuverschuldung von 156 Milliarden Euro. Die Prioritäten wurden klar gesetzt. 

Von Angelika Teweleit, Berlin

Kein Wort von besonderen Zulagen für diejenigen Beschäftigten, die das Leben am Laufen halten, indem sie sich und ihre Familien der Ansteckungsgefahr aussetzen. Keine Zusagen, dass alle weiteren Beschäftigten keine Einkommensverluste haben dürfen. Keine Erhöhung der Bezüge für Hartz IV Empfänger*innen. Fünfzig Milliarden Euro sollen an kleine Betriebe und Selbständige gehen, aber für viele wird das nicht reichen. Ein paar Milliarden sollen an die Krankenhäuser gehen, doch es würde noch viel mehr benötigt, allein um Personal auf der Grundlage einer besseren Bezahlung wieder zu gewinnen. Der überwiegende Teil der riesigen Summe, für die sogar die Schuldenbremse von heute auf morgen ausgesetzt wurde, aber wird für große Konzerne bereit gestellt, wenn sie Bedarf anmelden. Über die Rekordprofite der letzten zehn Jahre wird jedoch geschwiegen. 

Logik der Sozialpartnerschaft

Die Gewerkschaftsführungen übten sich prompt in harmonischer Zusammenarbeit. Sie begrüßten die Maßnahmen der Regierung, insbesondere die Ausweitung der Kurzarbeit. Sie verschieben Tarifrunden. Wie schon vor der Corona-Krise sind sie zu weitgehender Zusammenarbeit mit Regierung und Kapital bereit. 

Die Logik dahinter: wenn die Unternehmen gestützt werden, dann können sie nach der Krise wieder loslegen, die Arbeitsplätze bleiben erhalten, und somit würden die Interessen der Mitglieder am besten vertreten. Einige erinnern an den Begriff „Burgfrieden“, als die Gewerkschaftsführungen zu Beginn des Ersten Weltkrieges versprachen stillzuhalten. Schon damals bedeutete diese Politik ein Aufgeben der Interessen der Arbeiter*innenklasse im Interesse des kriegführenden Kapitals. Nun mag man einwenden, der Vergleich passe nicht, schließlich werden zur Zeit keine Arbeiter*innen eines Landes gegen die eines anderen Landes in die Schlacht geführt, sondern es handelt sich um die Abwehr einer Pandemie. Doch ähnlich wie in Kriegszeiten, oder auch in jeder tiefen Krise des Kapitalismus, stimmt es nicht, dass alle in einem Boot sitzen. 

Kurzarbeit: kein Einlenken

Gerade laufen die Gewerkschaftsvorsitzenden bei den Arbeitgeberverbänden auf, wenn sie an die „soziale Verantwortung“ appellieren. Hatten sie noch fest daran geglaubt, das Zugeständnis abzuringen, dass bei Kurzarbeit eine Verpflichtung für die Arbeitgeber verabredet würde, von den mickrigen sechzig Prozent (67% bei Beschäftigten mit Kindern) eine Aufstockung zu zahlen, so wurde sie enttäuscht. Nein, das sei nicht möglich. Möglich aber ist die vollständige Befreiung auch von den Sozialversicherungsbeiträgen für die Bosse! Das zeigt, wie wenig gewillt große Teile des  Kapitals sind, irgendwelche Zugeständnisse, und seien sie noch so billig, in der Krise zu machen. Auch, wenn einige große Autokonzerne eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds auf neunzig Prozent oder mehr zahlen, ist das noch kein großes Opfer. Schließlich werden sogar die Anteile der Arbeitgeber bei der Sozialbeiträgen übernommen. 

Bosse sind nicht solidarisch

Es geht den Bossen nicht um den Erhalt der Arbeitsplätze oder darum, dass es den Beschäftigten gut geht. Es geht ihnen um die Sicherung ihrer Profite. Ja, und auch auf ihren persönlichen Luxus sind sie nicht bereit zu verzichten. Bei VW, Porsche, Audi – überall gab es eine Steigerung der Manager-Boni, teilweise über zwanzig Prozent. Die Multimilliardäre Jeff Bezos (Amazon), Dieter Schwarz (Lidl, Kaufland) und andere freuen sich über riesige Extraprofite. Die Geschwister Quandt (BMW) sitzen weiter auf ihren (geschätzten) über 35 Milliarden (!) Dollar Privatvermögen, Dieter Schwarz auf zwanzig Milliarden Dollar. Milliarden, die jetzt dringend für sinnvolle Investitionen gebraucht würden. In Wirklichkeit wird es keine Almosen von den Bossen geben, stattdessen nutzen sie den Windschatten der Pandemie und des damit verbundenen Ausnahmezustandes, um alle möglichen Maßnahmen zu rechtfertigen, die ihnen nützlich sind. Und auch die Regierung könnte weitere Überraschungen in der Schublade zu haben, wie eine Senkung des Rentenniveaus, wie einer Empfehlung der Rentenkommission Ende März zu entnehmen war. 

Klassenkämpferische Politik nötig

Soviel ist klar: Milliarden werden den Konzernen in den Rachen geworfen. Doch irgendwer wird all das bezahlen müssen. Private Vermögen (2019 insgesamt mehr als 6300 Milliarden Euro, mehr als die Hälfte davon bei den oberen zehn Prozent der Bevölkerung in  Deutschland) werden nicht angetastet. Also wird die große Mehrheit der Beschäftigten zur Kasse gebeten. Es wäre daher dringend nötig, dass die Gewerkschaften die Politik der so genannten Sozialpartnerschaft beenden. Es gibt in der Krise keine gemeinsamen Interessen von abhängig Beschäftigten und Kapitalisten. Es muss zu einer klassenkämpferischen Politik der Gewerkschaften kommen. Die nächsten Wochen und Monate werden die Widersprüche der Krisenpolitik der Regierung schärfer zutage treten lassen. Mehr und mehr Kolleg*innen werden die jetzige Politik der Gewerkschaftsführungen in Frage stellen. Denn sie werden mit dem Rücken an der Wand stehen, um ihre Interessen zu verteidigen. Die Losung muss lauten: die Lohnabhängigen, Rentner*innen, Erwerbslosen dürfen nicht für diese Krise zahlen. Harte Abwehrkämpfe stehen bevor.  

Es ist daher enorm wichtig, dass im Januar der Schritt für eine Strategiekonferenz derVernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) gelungen ist, um einen Anfang für den Aufbau einer klassenkämpferisch ausgerichteten Politik in den Gewerkschaften zu machen. Seit der Konferenz und seit Ausbruch der Corona-Krise wurde Material erstellt und die Reichweite hat sich vergrößert. Tretet mit der VKG in Kontakt, wenn Ihr Interesse habt: info@vernetzung.org 

Angelika Teweleit ist Mitglied im Ko-Kreis der VKG und der Sol-Bundesleitung

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