Von der Pandemie in die größte Krise des Kapitalismus

Bild von Alexandra Koch auf Pixabay

Wir müssen uns organisieren! Jetzt!

Der diesjährige internationale Kampftag der Arbeiter*innen wird in die Geschichte eingehen. Denn die Klasse der Lohnabhängigen sieht sich weltweit einer der größten Krisen gegenüber, seitdem dieser Tag gefeiert wird.

Von Angelika Teweleit, Mitglied der Sol-Bundesleitung

Mehr als 245.000 Menschen sind laut WHO bisher am Corona-Virus gestorben. Auch Deutschland hat China mit offiziell 6275 an Corona Verstorbenen längst überholt (Zahl auf wikipedia am 7.5.2020). In Ländern, in denen die Regierungen anfangs versuchten, das Problem zu ignorieren und wo das Gesundheitswesen in noch maroderem Zustand ist als hier, herrschen grausame Zustände. Leider sind gerade auch in den USA, Großbritannien, Spanien, Frankreich und Italien besonders viele Beschäftigte im Gesundheitswesen, aber auch Busfahrer*innen und Beschäftigte in Zustellbetrieben gestorben, viele ohne Vorerkrankungen. Das liegt vor allem an den völlig unzureichenden Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten, besonders dem Mangel an Schutzkleidung und Tests. Gleichzeitig kommen die Krankenhäuser schnell an ihre Grenzen, weil das Personal seit Jahren im Interesse von Profitmaximierung und aufgrund von Sparzwängen so ausgedünnt wurde, dass Beschäftigte schon vor Ausbruch der Pandemie völlig überlastet waren. Entsprechend sehen wir überall Proteste von Beschäftigten in Krankenhäusern – trotz und wegen der derzeitig lebensbedrohlichen Zustände, unter denen sie zu arbeiten haben.

Gesundheitsschutz

Auch Beschäftigte in anderen Bereichen haben sich seit Ausbruch der Krise zur Wehr gesetzt – sei es bei Amazon in den USA, wo es keine ausreichenden Gesundheitsschutzmaßnahmen von Seiten des Managements gibt und im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gegangen wird. In Großbritannien haben gewerkschaftlich organisierte Busfahrer*innen, auch unter Führung von Mitgliedern der Socialist Party (Schwesterorganisation der Sol) nach Protesten durchsetzen können, dass die Vordereingänge geschlossen werden und Passagiere nur noch hinten einsteigen können. Zuvor waren in London mindestens 31 Busfahrer*innen an Covid-19 gestorben.

International wie auch hier in Deutschland werden nun nach weitreichenden Lockdown-Maßnahmen Lockerungen eingeleitet. Die öffentlichen Informationen über steigende oder fallende Infektionsraten, die Frage ob Kinder ansteckend sind oder nicht, ob Masken im Alltag helfen oder schaden, wechseln von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde, je nachdem von wem sie herausgegeben werden. Zwischen den Regierungen auf Bundes- und Länderebene ist ein großer Streit über die Lockerungen ausgebrochen. Die Einigung vom 6.5.2020 wird von führenden Virologen kritisiert, die darauf hinweisen, dass sie die Gefahr eines neuerlichen Anstiegs der Infektionszahlen bzw. des Ausbruchs einer „zweiten Welle“ erhöhen.

Für Lehrpersonal, Erzieher*innen, die meisten Eltern, Schüler*innen und Kleinkindern ist immer noch nicht klar, wie es mit Kitas und Schulen weiter gehen soll. Hier sind sicher auch Fragen der psychologischen Auswirkungen auf Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene zu berücksichtigen. Das Hauptproblem ist jedoch, dass alle Entscheidungen, die getroffen werden, nicht im Interesse der Mehrheit der Menschen und tatsächlich für den Schutz der Gesundheit aller getroffen werden. Stattdessen stecken hinter den Entscheidungen der Politiker*innen in Bund, Ländern und auch Kommunen handfeste Interessen von Unternehmern, Banken und Spekulanten, von denen einige Druck für schnelle Öffnungen machen. So wurde nun vor allem die Öffnung von Geschäften – inzwischen ohne Einschränkungen – und das Wiederhochfahren von Produktionsstätten möglich gemacht, währen das Privatleben weiter eingeschränkt bleiben soll. Dabei sind es gerade die Produktionsstätten, voll besetzte Bahnen und Busse, und natürlich die unzureichende Ausstattung mit Schutzkleidung in Arztpraxen, Krankenhäusern und Altenpflegeheimen, was eine Ausbreitung des Virus begünstigt. Innerhalb dieser Gemengelage besteht tatsächlich die Gefahr einer neuen Ansteckungswelle mit einer auch in Deutschland steigenden Belastung des Gesundheitswesens, und allen Folgen, die das bekanntermaßen in Ländern wie Spanien, Großbritannien, Frankreich, Italien nach sich gezogen hat.

Schon bis Mitte April hatten sich über 6000 Ärzt*innen und Pflegekräfte auch hierzulande infiziert. Was das besonders bei 12-Stunden-Schichten und verkürzten Ruhezeiten für die Betroffenen und Patient*innen bedeuten kann, liegt auf der Hand. Absurderweise werden dann noch Pflegekräfte in anderen Abteilungen in Kurzarbeit geschickt. Das alles zeigt auf, wie sinnvoll und notwendig die Übernahme der Kontrolle und Verwaltung durch gewählte Vertreter*innen von Beschäftigten und Gewerkschaften wäre.

Wissenschaft

Die Frage des Gesundheitsschutzes inmitten dieser Pandemie und auch der zu treffenden Maßnahmen wirft die Frage auf, wer in der Gesellschaft die Kontrolle hat und wer entscheidet. In Wahrheit ist es gerade so, dass man nicht einmal genau weiß, welcher Studie man überhaupt trauen kann, weil auch hinter den Wissenschaftler*innen, Virologen und Ärtz*innen jeweils Interessenverbände verschiedener Unternehmen stehen können. Die Forderung der LINKEN nach einem „unabhängigen Sachverständigen-Gremium“ (Bernd Riexinger in der Pressekonferenz der LINKEN am 27. April) lässt hier die Frage offen, wie denn innerhalb eines von Profitinteressen gesteuerten Systems eine solche Unabhängigkeit erreicht werden kann. Stattdessen müsste in dieser Situation gefordert werden, dass die Beschäftigten und ihre Organisationen, die Gewerkschaften, unter Hinzuziehung von medizinischen Fachleuten, darüber beraten und Konzepte entwickeln, wie das gesellschaftliche Leben in den verschiedenen Bereichen unter Berücksichtigung der Infektionsgefahren am besten organisiert werden kann. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass Lehrpersonal, Pädagog*innen, sowie die übrigen Beschäftigten an den Schulen, die Schüler*innen selbst, Elternvertretungen und die Gewerkschaften jetzt unter Hinzuziehung von medizinischen Fachleuten demokratisch darüber beraten müssten, wie schnell und unter welchen Bedingungen der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden könnte. Dasselbe Prinzip müsste für Betriebe und Dienstleistungen gelten.

Arbeitsplätze und soziale Krise

Zu den gesundheitlichen Gefährdungen und Folgen kommen nun die erschütternden Nachrichten über die sozialen Folgen der Krise. In den USA haben sich offiziell bis Ende April dreißig Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Hier in Deutschland sind es im April 308.000 zusätzliche Arbeitslose. Ein Großteil von Beschäftigten wird – noch – durch Kurzarbeit aufgefangen. Hier gehen die Zahlen durch die Decke: zum Stichtag 26. April waren es 10,1 Millionen Beschäftigte, für die Kurzarbeit angemeldet wurde. Das sind schon mehr als zehn Mal so viele wie in den Rekordmonaten des Krisenjahres 2009 (tagesschau.de vom 30.4.20). Diese Zahlen sind Vorboten dafür, wie dramatisch sich die Situation weltweit und auch hier in Deutschland für die Klasse der Lohnabhängigen, die Arbeiter*innenklasse, entwickelt. Denn im Zusammenhang mit den Prognosen für die Wirtschaft ist davon auszugehen, dass viele mehr von dem Verlust ihrer Arbeit bedroht sein werden. Deshalb ist von großer Bedeutung, jetzt trotz Corona-Einschränkungen auf allen Ebenen, in den Betrieben und Gewerkschaften, über die Verteidigung der Arbeitsplätze und Einkommen, wie auch über die Durchsetzung notwendiger Schutz- und Hygienemaßnahmen zu beraten und dafür in Aktion zu treten.

Natürlich sind hier alle Mittel, auch die von digitalen Treffen, zu nutzen. Klar ist: auch die Konzernleitungen beraten sich zur Zeit untereinander, wie sie die Kosten der Krise auf dem Rücken der Beschäftigten abladen können. In einigen Betrieben wird sogar die Situation genutzt, um Umstrukturierungsmaßnahmen an den Betriebsräten vorbei durchzudrücken. Im Daimler-Konzern wurden Führungskräfte angewiesen, Druck auf Kolleg*innen auszuüben, Aufhebungsverträge anzunehmen. Das zeigt, wie wichtig es gerade jetzt ist, die Kolleg*innen zu organisieren anstatt stillzuhalten.

Vor dem Hintergrund der Pandemie hilft die Regierung zudem der Kapitalseite, indem sie erkämpfte Rechte der Beschäftigten schleift, wie die Verlängerung der Maximalarbeitszeit sowie Verkürzung von Ruhezeiten. Während hier lang und hart erkämpfte Rechte in Windeseile außer Kraft gesetzt werden, fehlt jeglicher Aufschrei, geschweige denn Widerstand, von Seiten der Führungen der DGB-Gewerkschaften. In Bezug auf eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes appellierten sie zunächst an das soziale Gewissen der Unternehmer und forderten, dass die Arbeitgeberverbände sich zu einer Aufstockung des Kurzarbeitergeldes verpflichten. Diese winkten trotz voller Übernahme des Arbeitgeberanteils für die Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit ab. Der Bundestag beschloss dann eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes nach drei Monaten auf bis zu siebzig Prozent (Beschäftigte mit Kindern 77 Prozent) und nach sieben Monaten auf 80 bzw. 87 Prozent. Diese Regelung gilt nur bis Jahresende. Hier gab es wiederum nur leise Kritik des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann. Er bezeichnete die Regelung anfangs sogar als ersten Erfolg, der durch die SPD erreicht worden sei. Diese mickrige Erhöhung wird jedoch für viele Menschen und ihre Familien nichts an den massiven finanziellen Problemen ändern.

Von Seiten der Gewerkschaftsführungen fehlt bisher jegliches Zeichen zur Gegenwehr – und das angesichts der wahrscheinlich historisch größten Krise des Kapitalismus mit verheerenden Auswirkungen auf die Masse der Beschäftigten. Es ist ein Fehler, dass der DGB und die Führungen der Einzelgewerkschaften in vorauseilendem Gehorsam jegliche Aktionen zum 1. Mai in der Öffentlichkeit abgesagt haben. Es gab dennoch eine Vielzahl an Aktionen, die von Kolleg*innen von unten organisiert wurden, unterstützt auch von der Sol, der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) und einzelnen LINKE-Verbänden und Linksjungend-Gruppen. Diese Aktionen machten deutlich, dass es auch unter Wahrung von Schutzmaßnahmen und Abstandsregeln möglich ist, auf die Straße zu gehen. Tausende beteiligten sich bundesweit daran. Vielerorts wurde die Teilnehmer*innenzahl auf fünfzig oder sogar zwanzig begrenzt, doch es kamen häufig mehr, die sich die Kundgebungen aus einigen Metern Abstand ebenfalls anhörten. In Stuttgart und München kamen dem Aufruf von Gewerkschafter*innen jeweils etwa fünfhundert Menschen nach, und trotzdem konnten die Aktionen mit den nötigen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden. Das machte deutlich, dass viele Kolleg*innen spüren, wie nötig es ist, sich auf Abwehrkämpfe kollektiv vorzubereiten.

Gewerkschaften müssen aktiv werden

Seit dem 1. Mai scheint die Ernsthaftigkeit der Krise und welche Folgen dies für die Masse der Beschäftigten haben wird, langsam ins Bewusstsein vorzudringen. Selbst der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke musste in seiner Online-Rede anmerken, dass der Kapitalismus auch in Corona-Zeiten nicht Halt machen würde. Er sagte, für die „Heldinnen des Alltags“ reiche es nicht zu applaudieren, sondern es müsse mehr Geld her und stellte einen Kampf für Aufwertung dieser Berufe in Aussicht, wenn die Corona-Krise vorbei sei. Seine Forderung nach Konsumschecks geht da allerdings in die völlig falsche Richtung. Nötig sind keine einmaligen Almosen, mit denen letztlich nur dem Einzelhandel geholfen werden soll, sondern nachhaltige und spürbare Lohnerhöhungen. Zudem ist es falsch, die konkrete Gegenwehr auf unbestimmte Zeit nach Corona zu verschieben. Kolleg*innen in ver.di sollten deshalb jetzt beginnen, sich innerhalb der Gewerkschaft für Forderungen nach einer deutlichen Festgelderhöhung für alle sowie einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich für die verschobenen Tarifrunden stark zu machen. Gerade vor dem Hintergrund einer gestiegenen Arbeitslosigkeit wird der Kampf um Arbeitszeitverkürzung eine wichtige Rolle einnehmen, um die vorhandene und gesellschaftlich notwendige Arbeit auf alle zu verteilen. Es ist klar, dass die Verteilungskämpfe in der Zukunft harte Auseinandersetzungen werden. Denn schon jetzt ist klar: die immensen Kosten der derzeitigen Krise sollen auf dem Rücken der Masse der Bevölkerung ausgetragen werden, während das obere Prozent weiterhin auf seinen Milliarden sitzen bleibt. Dabei wären massive Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge und der Ausbau des öffentlichen Dienstes gerade jetzt dringend nötig. Umso wichtiger ist es, Kolleg*innen jetzt zu organisieren, auch wenn dies zunächst zum großen Teil über Online-Treffen stattfinden muss.

Gegenwehr beginnt jetzt!

Beschäftigte in der Krankenpflege machen deutlich, dass es trotz und sogar wegen der Corona-Krise nötig ist, sich im Hier und Jetzt zur Wehr zu setzen. “Protest ist auch in diesen Zeiten möglich und nötig” und “Wir lassen nicht nach – keine Profite mit unserer Gesundheit – mehr von uns ist besser für alle”, so rief Silvia Habekost, Krankenpflegerin bei Vivantes und ver.di-Aktive am 1. Mai den Kundgebungsteilnehmer*innen auf dem Berliner Alexanderplatz zu. In Berlin haben Beschäftigte dem Senat ein Ultimatum gesetzt, auf ihre Forderungen einzugehen und drohen ansonsten mit einer Steigerung der Proteste nach vier Wochen. Im ganzen Land gibt es aus den Krankenhäusern heraus massiven Protest, auch wenn dieser unter den erschwerten Bedingungen des Lockdowns stattfindet. Doch insbesondere wenn der Gesundheitsminister zuerst die Personaluntergrenzen aufhebt, und dann zu beschwichtigen versucht, ist klar, dass Kolleg*innen umso wütender reagieren müssen. So gibt es verschiedenen Petitionen und Brandbriefe, und am Tag der Pflege am 12. Mai, sowie zur Bundesgesundheitsministerkonferenz am 14. Juni sind weitere Proteste geplant. Dies ist eine wichtige und positive Entwicklung, die unbedingt die volle Unterstützung aus den restlichen Belegschaften, Gewerkschaften und der Partei DIE LINKE erhalten muss. Sie kann auch ein Anfang sein, um aus der verbreiteten Passivität in den Betrieben und Gewerkschaften heraus zu kommen.

Die Stillhaltepolitik der DGB-Gewerkschaftsführungen muss dringend überwunden werden. Denn diese Passivität birgt enorme Gefahren. Fehlt es an einem Angebot oder auch nur einer Perspektive, wie man sich gegen Einkommensverluste, Armut und alle weiteren sozialen Probleme, die mit der Krise einhergehen, wehren kann, führt das zu enormem Frust und Zukunftsängsten. Damit einher geht die Gefahr, dass sich innerhalb der Arbeiter*innenklasse Spaltungslinien entwickeln, zum Beispiel zwischen Beschäftigten, die aus ökonomischen Gründen wieder arbeiten wollen und solchen, die dies aus Angst vor dem Virus nicht wollen oder zwischen Eltern, die ihre Kinder wieder in Kita und Schule schicken wollen und Erzieher*innen bzw. Lehrer*innen, die Sorge vor einer Infektion haben. Diese Gefahr kann nur überwunden werden, wenn die Gewerkschaften Forderungen formulieren und Möglichkeiten zur Durchsetzung aufzeigen, wie die gemeinsamen Interessen aller Lohnabhängigen durchgesetzt werden können.Hier sollten auch Angebote wie von der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) vor Ort oder in bestimmten Branchen geschaffen werden, wo sich ein Kreis von Kolleg*innen bilden lässt. Diese können zum Beispiel Flugblattverteilungen organisieren, um Belegschaften zu informieren und sich in den Gewerkschaftsgruppen dafür einsetzen, dass zum Beispiel Betriebsversammlungen (physisch mit Einhaltung der Abstandsregeln oder per Online-Treffen) stattfinden.

Gefahr von rechts

Gibt es keine kollektive Gegenwehr und keine programmatischen Antworten von links, so kann das von rechten Kräften ausgenutzt werden. In den letzten Tagen hat zum Beispiel das Video einer Rede des von Ken Jebsen eine große Verbreitung erlangt. Er vermischt Kapitalismuskritik mit kruden Verschwörungstheorien, um sie dann in eine nationalistische Richtung zu lenken. Innerhalb eines Vakuums, also wenn Antworten von links nicht sichtbar werden, kann dies gerade jetzt, wo der Leidensdruck für viele Menschen enorm wächst, auf fruchtbaren Nährboden fallen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sowohl die Gewerkschaften beginnen, eine Perspektive für Gegenwehr aufzuzeigen, als auch dass DIE LINKE klar erkennbar als Alternative zu den bürgerlichen Parteien in Erscheinung tritt. Es reicht dabei nicht aus, wenn Fraktionschef Dietmar Bartsch am 1. Mai von einer Zunahme des Klassenkampfes spricht, um dann im nächsten Atemzug aber zu betonen, dass DIE LINKE nur für Nachbesserungen bei den vom Bundestag beschlossenen Maßnahmen eintritt. Stattdessen müsste die LINKE ein Programm aufzeigen, mit dem sie die kommenden Klassenkämpfe zusammen fassen und ihnen eine politische Richtung geben kann, sich konsequent auf die Seite der Lohnabhängigen stellen und organisierte Gegenwehr mit dem Ziel der Überwindung des Kapitalismus verbinden.

Verstaatlichung und demokratische Planung

Wie schon in der letzten großen Krise von 2007 bis 2009 werden Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um das krisenhafte kapitalistische System zu retten. Schon werden neben den bisherigen milliardenschweren Rettungspaketen für die großen Konzerne Forderungen nach staatlichen Geldern für Kaufprämien von Automobilen laut. Es wundert nicht, dass es die drei Ministerpräsidenten aus den Bundesländern mit den großen Autokonzernen sind, die nach der so genannten Innovationsprämie rufen: Markus Söder (Bayern, CSU), Stefan Weil (Niedersachsen, SPD) und Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg, Grüne). Hier wird deutlich, dass es parteiübergreifend weder um die Interessen der Beschäftigten noch um die Umwelt geht, denn einen “Mobilitätsbonus” für Fahrräder lehnen alle drei genauso ab wie ein Verbot der Dividendenausschüttung bei den Autokonzernen.

Im Interesse der Umwelt wie der Masse der lohnabhängigen Bevölkerung, die nun unter den Krisenauswirkungen zu leiden hat, ist es nötig, eine gesellschaftliche und politische Alternative aus der Sackgasse der kapitalistischen Profit- und Konkurrenzlogik aufzuzeigen. Dies muss mit den jeweiligen aktuellen Fragen und Problemstellungen in Verbindung gebracht werden.

Zum Beispiel hat in den letzten Tagen die Lufthansa Schlagzeilen gemacht. Der Lufthansa-Konzern bekommt jetzt staatliche Milliardenhilfen in Höhe von zehn Milliarden Euro. Lufthansa-Chef Spohr hatte noch mit Insolvenz gedroht, um staatliche Mitspracherechte im Konzern zu verhindern. Damit wollte er einerseits die Verluste auf die Gesellschaft übertragen, andererseits aber freie Hand erhalten, Tarifverträge zu missachten und zehntausende Beschäftigte zu entlassen. Damit konnte er sich nicht ganz durchsetzen, aber wie genau die Teil-Verstaatlichung jetzt läuft und welche Konsequenzen es für die Beschäftigten geben wird, wird maßgeblich davon abhängen, wie jetzt die Gewerkschaften reagieren. Bernd Riexinger hat die Vergesellschaftung von Lufthansa, die bis 1994 mehrheitlich in Staatshand war, gefordert. Das ist ein richtiger Ansatz, es sollte allerdings auch mit der Forderung nach der demokratischen Kontrolle und Verwaltung durch Leitungskomitees, mehrheitlich zusammengesetzt aus Vertreter*innen der Beschäftigten und Gewerkschaften, verbunden werden.

Es ist möglich, dass es im Zuge der Krise zu Verstaatlichungen von Unternehmen kommen wird. Das wird die Regierung nur als vorübergehende Maßnahme zur Rettung der Unternehmen durchführen, wir Bundeswirtschaftsminister Altmaier schon sagte. Sozialist*innen unterstützen Verstaatlichungen, aber fordern demokratische Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung, damit solche Maßnahmen auch im Interesse der arbeitenden Bevölkerung ergriffen werden.

Die Zielsetzung von Verstaatlichungen müsste sein, nicht die Verluste zu vergesellschaften, um später Profite zu privatisieren, sondern Konzepte für eine Umstellung der Produktion bzw. Dienstleistung zu erarbeiten und damit alle Arbeitsplätze und Einkommen der Beschäftigten sichern zu können. Linke und Sozialist*innen müssen gerade an der Eigentumsfrage jetzt die Stimme deutlich erheben.

Corona ist ein Brandbeschleuniger, aber nicht die Ursache für die wirtschaftliche Krise. Die Ursachen liegen im Kapitalismus selbst, einem System, welches auf Privateigentum, Konkurrenz und Profitmaximierung beruht und nicht darauf, die Bedürfnisse der Mehrheit der Menschen und der Umwelt zu befriedigen. Genauso wenig, wie dieses System in der Lage ist, für die Gesundheit von Millionen von Menschen zu sorgen und sie zu schützen, kann es auch die Mehrheit der Menschen nicht vor den Auswirkungen der sich nun abzeichnenden großen wirtschaftlichen Depression bewahren. Deshalb ist es höchste den Kapitalismus zu überwinden, um ihn durch eine sozialistische Demokratie zu ersetzen, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

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