Türkei: Entlassung durch Präsidialerlass

Beschäftigte des öffentlichen Dienstes kämpfen weiter

Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in der Türkei, die nach dem gescheiterten Putschversuch gegen die Erdoğan-Regierung im Juli 2016 gekündigt wurden, setzen ihren entschlossenen Widerstand fort. Ihr Kampf ist wegweisend für den Rest der Arbeiter*innenbewegung. Trotz der Untätigkeit ihrer Gewerkschaften und der brutalen Übergriffe durch die Polizei kämpfen sie für ihre Wiedereinstellung.

von Reporter*innen des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI)

Am 13. August wurden die Häuser von Acun Karadag, Alev Şahin, Armağan Özbaş, Mahmut Konuk, Mehmet Dersulu und Nazan Bozkurt von der Polizei durchsucht. Nachdem sie zunächst in Gewahrsam genommen wurden, wurden sie acht Tage später nach einer Gerichtsverhandlung verhaftet.

Diese Personen gehören zu den über hunderttausend Beschäftigten, die ihre Arbeit im öffentlichen Dienst nach dem gescheiterten Putschversuch gegen Erdoğans Regime verloren haben. Obwohl der Putsch von einem rechts-religiösen Clan, der Gülen-Bewegung, initiiert wurde, nutzte Erdoğan die durch den Putsch geschaffene Gelegenheit, um all jene linken Angestellten, die gegen sein Regime waren zu entlassen und um seine Macht im Staatsapparat weiter auszubauen.

Nachdem Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Ausnahmezustand ausgerufen hatte, um seine Macht zu vergrößern, erließ er Dekrete (KHKs) zur Entfernung aller Oppositionellen aus dem öffentlichen Dienst. In der Folge wurden Tausende von Lehrern*innen, Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens und Beamt*innen entlassen. Da sie aufgrund eines Präsidialerlasses ihren Arbeitsplatz verloren haben, wurden ihnen auch die Bürgerrechte aberkannt. Sie haben nicht nur ihren Arbeitsplatz – ohne auch nur eine Anhörung – verloren, sondern sie können auch keine andere Arbeit finden oder das Land verlassen. Ihre Rechte sind stark eingeschränkt.

Im Jahr 2016 begann Nuriye Gulmen – eine Akademikerin, die ihren Arbeitsplatz verloren hatte – ein Sit-in vor der Menschenrechtsstatue in der Yüksel-Straße in Ankara. Semih Ozakca, eine Grundschullehrerin, schloss sich ihr später bei diesem täglichen Protest an, um ihre Wiedereinstellung zu fordern. Danach traten sie 324 Tage lang in einen Hungerstreik, um auf die massive Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen, denen die Arbeiter*innen ausgesetzt sind. Sie erklärten, dass sie keine andere Wahl hatten, da es ihnen weder möglich war eine andere Arbeit aufzunehmen, noch das Land zu verlassen.

Trotz der Versuche der Polizei, diese Versammlungen zu stoppen, zogen die entschlossenen Kämpfe von Nuriye Gulmen und Semih Ozakca schnell mehrere andere Betroffene an. Viele entschieden, sich den täglichen Protesten in der Yüksel-Straße anzuschließen. Bald darauf kamen Hunderte von Menschen, um die Aktion zu unterstützen.

Mehrere andere Beschäftigte organisierten weiterhin Sitzstreiks in der Yüksel-Straße, darunter Acun Karadag, ein weiterer Lehrer, der letzte Woche von der Polizei verhaftet wurde. Diese täglichen Proteste dauerten über eintausend Tage an.

Am 11. August wurde Nuriye Gulmen erneut ohne triftigen Grund verhaftet. Der türkische Staat weigert sich, eine bedingte Kaution zu verhängen, obwohl dies möglich wäre. Acun Karadag wurde letzte Woche zusammen mit anderen Demonstrant*innen ebenfalls verhaftet.

Ungeachtet des Ausmaßes an Gewalt und Folter gegen die Demonstrant*innen der Yüksel-Straße gelang es der AKP-Regierung (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) nicht, den Geist der Demonstrierenden zu brechen. Die AKP griff zu solchen Taktiken, weil sie befürchtet, dass die Yüksel-Demonstranten “versuchen, einen Widerstand wie Gezi und Tekel zu schaffen”.

Die Proteste im Gezi-Park und der von Tabakbeschäftigten organisierte Tekel-Streik waren zwei Ereignisse, die das Erdoğan-Regime in Angst und Schrecken versetzen, weil beide Aktionen zu einer Massenbewegung gegen Erdoğans Regime in der Türkei führten.

Vierzehn Beschäftigte wurden auch vom multinationalen Unternehmen Cargill wegen ihrer Mitgliedschaft in der Gewerkschaft Tekgıda-İş entlassen. Die Beschäftigten organisieren seit über 860 Tagen Proteste gegen diese Zerschlagung der Gewerkschaft und für die Anerkennung der Gewerkschaft an ihrem Arbeitsplatz. Es gibt weitere Beispiele dafür, dass Beschäftigte für das Recht, einer Gewerkschaft beizutreten, oder für Wiedereinstellungen militante Maßnahmen ergreifen.

Arbeitslosigkeit und Inflation schießen in die Höhe, während sich die Wirtschaftskrise in der Türkei verschärft. Die Kämpfe der Yüksel-Protestierenden gegen die willkürlichen Aktionen Erdoğans und die zahlreichen militanten Aktionen der Arbeiter*innen für die Anerkennung von Gewerkschaften können ein Anstoß sein, der eine Massenbewegung in Gang setzt. Die Notwendigkeit einer solchen Bewegung – angeführt von der organisierten Arbeiterklasse – wird von Tag zu Tag wichtiger.

Solidarität ist dringend notwendig!

Die Yüksel-Demonstrant*innen knickten trotz schwerer Polizeirepression nicht vor Erdoğans diktatorischem Regime ein. Die türkische Regierung ist eindeutig besorgt, dass diese Proteste anderen Beschäftigten, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, als Vorbild dienen könnten.

Die internationale Solidarität der Arbeiterklasse ist notwendig, um die Yüksel-Proteste zu unterstützen und Druck auf die türkische Regierung auszuüben.

Bitte sendet Protestschreiben gegen die Entlassungen von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes per Präsidialerlass unter den folgenden Adressen

Republik Türkei – Innenministerium

diab@icisleri.gov.tr

bakanyrd.mince@icisleri.gov.tr

bakanyrd.mersoy@icisleri.gov.tr

bakanyrd.icatakli@icisleri.gov.tr

bakanyrd.tserdil@icisleri.gov.tr

Republik Türkei – Direktion der Sicherheitsdienste

bhim@egm

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