#EndSWAT: Wut in Nigeria über Regierungs-Betrug

Unterstützt die Youth Rights Campaign mit Soli-Botschaften

Vorbemerkung: Dieser Artikel erschien zuerst am 14. Oktober auf socialistworld.net. Seitdem sind die Proteste und die Repression gegen sie weiter gewachsen. Weitere Artikel finden sich auf www.socialistworld.net/category/international/africa/nigeria/ und www.socialistnigeria.org

Eine neue Welle der Wut brandet durch Nigeria, nachdem Polizeichef Mohammed Adamu verkündete, dass die brutale, mörderische und korrupte Special Anti Robbery Squad (SARS) durch eine Spacial Weapons and Tactics (SWAT) Einheit ersetzt werden soll.

Von socialistworld.net, veröffentlicht am 14. Oktober 2020

Nach Tagen ansteigenden Protests war die SARS am 11. Oktober aufgelöst worden, doch alle Angehörigen blieben im Polizeidienst. Adamu kündigte an, dass alle ehemaligen SARS-Mitglieder einer psychologischen und medizinischen Untersuchung unterworfen werden würden, bevor sie wieder in den Dienst zurück kehren könnten. Es war keine Rede davon, dass die Verbrechen, die die SARS über Jahre begangen hat, von denen viele auf Videos festgehalten sind, untersucht werden sollten.

Innerhalb einer Stunde nach Adamus Ansprache verbreitet sich der Hashtag #EndSWAT in Nigeria verstärkte die andauernden Proteste.

Trotz der Auflösung der SARS und einigen anderen versprochenen Zugeständnissen, ist die Wut, besonders unter jungen Menschen, weiterhin groß.

Die Armee unterstützte die Polizei dabei, die Proteste zu unterdrücken und die Brutalität, der sich die Demonstrant*innen gegenüber sahen, wuchs weiter. Amnesty International schätzt, dass während des Wochenendes (vom 10./11.10., A.d.Ü.) zehn Menschen getötet wurden.

Die Wut in Nigeria richtet sich gegen die Regierung, die allgemeine Armut, Massenarbeitslosigkeit und die mutwillige Plünderung von Nigerias Ölreichtum. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte die NECA, der Nigerianische Arbeitgeberverband, dass von den 205 Millionen Einwohner*innen Nigerias 102 Millionen in extremer Armut leben. In Verbindung mit der kürzlich erfolgten Erhöhung der Preise für Strom und Kraftstoffe stieg der Druck auf die Gewerkschaften, zu handeln und diese sahen sich gezwungen, einen unbefristeten Generalstreik auszurufen.

Doch nur Stunden vor dem angekündigten Beginn des Ausstandes sagten die Gewerkschaftsführer den Streik nicht nur ab, sie unterzeichneten sogar ein gemeinsames Dokument mit der Regierung, das besagt, dass die Preiserhöhungen unvermeidlich waren. Dieser Vorgang wurde allgemein als Verrat angesehen und löste unter Aktivisten und in den Medien eine Diskussion über die Zukunft der Gewerkschaften aus.

In diese Stimmung platze ein Video wie eine Bombe, das Zeigte, wie SARS-Beamte zwei Männer aus einem Hotel in Lagos herauszerren und einen davon auf offener Straße erschießen. Die Protestbewegung, die darauf folgte, dauert an. Das Video ist hier zu finden:

Die Mitglieder des DSM, der CWI-Sektion in Nigeria, sind selbstverständlich an diesen Protesten beteiligt gewesen.

Im Gefolge der weltweiten Proteste gegen die Ermordung von George Floyd, haben sich die #EndSARS Proteste ebenfalls international verbreitet. Es gab Solidaritäts-Aktionen in den USA und in Großbritannien (und mittlerweile auch in Deutschland, A.d.Ü.).

Wir dokumentieren hier ein Flugblatt der YRC (Youth Rights Campaign), einer Kampagne, die vom DSM angestoßen wurde. Die YRC bittet um internationale Solidaritätsbotschaften für ihren Kampf, den sie als Beispiel dafür sieht, wie Massenaktionen die Unterdrückung zurück drängen und Siege erringen können.

Schickt bitte Solidaritätsbotschaften an: youth_rights@yahoo.com

Flugblatt der YRC vom 14. Oktober:

#EndSARS – YRC begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung (von Nigeria, AdÜ) bezüglich der fünf Kernforderungen, doch deren Umsetzung muss gewährleistet sein

– Keine bloße Umbenennung der SARS. Wir lehnen die SWAT ab #EndSWAT

– Für einen 48-Stunden Generalstreik und Massenprotest der Arbeiter*innenbewegung in Solidarität mit den protestierenden Jugendlichen

– Keine Tricks, keine faulen Deals, Kampf für echte Veränderung, Schluss mit diesem korrupten System

Die Youth Rights Campaign (YRC, Kampagne für die Rechte von Jugendlichen) begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung, die fünf Kernforderungen der #EndSARS-Bewegung anzuerkennen. Gleichzeitig verurteilen wir die Entscheidung der selben Regierung, eine Special Weapons and Tactics (SWAT) Einheit aufzustellen, die die abgeschaffte SARS ersetzen soll. Diese wird eine vermutlich noch brutalere und tödlichere Einheit mit militärischen und halbmilitärischer Bewaffnung und Ausrichtung sein, wie sie von vergleichbaren Elitetruppen der Polizei in fortgeschritteneren kapitalistischen Ländern bekannt sind.

Hierin zeigt sich die Haltung der herrschenden Elite, die scheinbar die Forderungen der #EndSARS-Bewegung erfüllt, jedoch nicht bereit ist, den Charakter der Polizei zu ändern, von einem Unterdrückungs-Werkzeug zu einem Beschützer von Leben und Eigentum, wie es in der Verfassung vorgesehen ist.

Wir brauchen keine SARS unter einem anderen Namen, sondern eine Bürger-Polizei, bewaffnet nur dort, wo es erforderlich ist und unter der Kontrolle der Aktiven und der Vertreter*innen der Communities mit gewählten und abwählbaren Vorgesetzten.

Die YRC ruft daher die #EndSARS-Bewegug auf, die SWAT abzulehnen und weitere landesweite Proteste zu organisieren, die die Regierung zwingen, ihre Pläne zu den Akten zu legen. Das ist der einzige Weg zu verhindern, dass die SARS unter anderem Namen weiter geführt wird.

Die fünf Hauptforderungen, die erfüllt worden sind, lauten:

1 – Sofortige Freilassung aller inhaftierten Demonstranten

2 – Gerechtigkeit für die Todesopfer der Polizei-Brutalität. Angemessenen Entschädigungen für deren Familien.

3 – Einrichtung einer unabhängigen Kommission zur Untersuchung und Verfolgung aller Fälle von Fehlverhalten der Polizei innerhalb von zehn Tagen

4 – Im Zusammenhang mit einem neuen Polizeigesetz – psychologische Bewertung und erneute Ausbildung von allen SARS-Beamten, bevor sie wieder in den Dienst zurückkehren dürfen

5 – Anhebung der Polizei-Besoldung um diese so auszustatten, dass sie Leben und Eigentum der Bevölkerung verteidigen können

Zweifellos ist die Anerkennung dieser fünf Forderungen ein großer Sieg für die Bewegung. Trotzdem gibt es aus Sicht des YRC jetzt keinen Grund, erleichtert zu sein, noch die landesweiten Proteste jetzt abzubrechen. Wir meinen:

Erstens – der kapitalistischen Buhari-Regierung kann nicht getraut werden. Sie bricht gewohnheitsmäßig alle Vereinbarungen mit Organisationen der unterdrückten Massen. Ein Grund, warum die Universitäten bis jetzt geschlossen sind ist, dass diese Regierung, wie Ihre Vorgängerin, sich weigert, eine Vereinbarung umzusetzen, die sie 2009 mit der ASUU (Academic Staff Union of Universities, Gewerkschaft der Akademischen Mitarbeiter*innen an Universitäten) geschlossen hat. Vor einem Jahr hat die Regierung ein Gesetz zur Erhöhung des Mindestlohns verabschiedet, weigert sich aber bis heute, dieses voll umzusetzen. Bevor man nicht in den kommenden Tagen erkennen kann, dass die Forderungen der Bewegung umgesetzt werden, wäre es falsch, die laufenden landesweiten Proteste zu unterbrechen.

Zweitens – die Punkte zwei, drei und fünf der Forderungen können nicht glaubwürdig umgesetzt werden, ohne die Polizei-Chefs der Bundesstaaten Oyo und Lagos zu entlassen, ebenso den General-Inspekteur der Polizei, unter dessen Augen in den vergangenen sieben Tagen mehrere Demonstranten getötet, viele ernsthaft verletzt und verschleppt worden sind. Zu den Opfern der Polizei-Brutalität gehören auch mehrere Journalisten.

Drittens – alle Zugeständnisse die nach dem 11. Oktober gemacht wurden, kratzen nur an der Oberfläche der Probleme. Fundamentale Fragen darüber, wie die Polizei kontrolliert werden kann und wie sie ihren Dienst ausfüllen soll, sind bisher nicht beantwortet worden. Die Auflösung der SARS, Versprechen von psychologischer Bewertung und Respektierung von Menschenrechten eingeschlossen, sollte die Polizei grundsätzlich so weiter arbeiten, wie bisher, wird die Unterdrückung und Brutalität ebenfalls weiter gehen, wie bisher – keine öffentliche Kontrolle der Polizeiarbeit. Daher fordert die YRC demokratische Kontrolle der Polizei durch Aktivist*innen und die Communities, Wahl von Vorgesetzten und Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit, die sie schützen und der sie dienen soll. Ebenso fordern wir ein Recht der Polizisten auf gewerkschaftliche Organisation.

Die #EndSARS-Bewegung ist stark und hat entscheidende Zugeständnisse erzielt. Die YRC ist der Meinung, wir können weit mehr erreichen, wenn wir besser organisiert sind und ein klares Programm entwickeln, wofür wir kämpfen. Wir fordern daher die Bewegung auf, die Forderungen zu erweitern um die Forderung nach Beendigung der Massenarbeitslosigkeit, für bessere Arbeitsbedingungen oder 30.000 N (Naira, nigerianische Währung, ca. EUR 66,-) Arbeitslosengeld, Einschnitte bei der Bezahlung von politischen Beamten, Einführung eines Mindestlohns, von dem man Leben kann, Beendigung der Unterfinanzierung und Kommerzialisierung des Bildungssektors, Beendigung des Anstiegs von Strom- und Treibstoff- Preisen, Beendigung von Deregulierung und Privatisierung und Beendigung der Politik gegen die arme Bevölkerung. Das ist der einzige Weg, sicher zu stellen, dass diese mächtige Bewegung zu einigen Verbesserungen in den Lebensbedingungen von jungen Menschen und anderen Teilen der unterdrücktesten Schichten der Bevölkerung führt.

Es ist erforderlich, dass sich die #EndSARS-Jugendproteste mit der Arbeiter*innenklasse verbinden. Anderenfalls werden sie entweder zerschlagen oder sie werden sich zurück entwickeln. Die Arbeiter*innenklasse, selbst wenn sie derzeit von einer bürokratischen, regierungstreuen Führung ruhig gestellt wird, ist die einzige Klasse, die einen revolutionären Kampf für eine Transformation der Gesellschaft anführen kann, in dem die Jugendlichen eine unterstützende Rolle spielen werden.

Daher rufen wir die Arbeiter*innen Nigerias auf, den Kampf der Jugendlichen zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam auf die Barrikaden zu gehen, in dem sie einen 48-Stunden Generalstreik sowie Massenproteste als nächsten Schritt ausrufen. Wenn die bürokratischen Gewerkschaftsführer sich weigern, fordern wir die einfachen Aktivist*innen auf, diesen Schritt zu gehen und ihre Kollegen zu mobilisieren. Das ist der einzige Weg, die jungen Menschen zu unterstützen, die seit mehr als sieben Tagen ihr Leben aufs Spiel setzen. Es ist der einzige Weg sicher zu stellen, dass dieser Kampf, der bereits wertvolle Menschenleben gekostet hat, zur Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft führt, in der jeder Mensch, ob jung oder alt, leben und seinen täglichen Verrichtungen nachgehen kann, ohne die Angst von Erniedrigung, Belästigung, illegaler Festnahme, Verschleppung, Erpressung und illegaler Tötung.

Adaramoye Michael

Provisorischer Koordinator

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