… aus ökologischen, gesundheitlichen und sozialen Gründen
Das Thema kostenloser Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Die Forderung nach kostenlosem ÖPNV ist attraktiv und findet zum Beispiel in Deutschland 71 Prozent Befürworter*innen. Der Verkehr ist innerhalb der EU für fast 30% der CO2-Emissionen verantwortlich, davon fallen 72 Prozent auf den Straßenverkehr. Aus ökologischer Sicht ist diese Forderung also absolut verständlich. Doch nicht nur aus ökologischer Sicht.
von Lea Schmidt, Dortmund
Auch gesundheitliche und soziale Gründe sprechen für sie. Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung durch Autoabgase sind gesundheitsschädlich und verantwortlich für Hunderttausende vorzeitige Todesfälle. Gerade in Großstädten, wo die Luft sprichwörtlich steht, sich die schädlichen Partikel und Moleküle also nur schlecht verwirbeln können, um dadurch die Konzentration in der Luft zu senken, ist Smog ein massives Problem. Verstopfte Innenstädte, volle Stadtautobahnen zur Rushhour, Staus in Wohngebieten … hier werden die schädlichen Gase und Partikel direkt in Masse dort ausgestoßen, wo Menschen wohnen und leben.
Die Abgase von Autos enthalten nicht nur Feinstaubpartikel und Stickstoffdioxid, sondern auch das hochgradig klimaschädliche Kohlenstoffdioxid. Zur Senkung der CO2-Emissionen ist die Senkung des motorisierten Individualverkehrs dringend nötig. Diese würde man eben dadurch erreichen, dass viele Menschen für ihre alltäglichen Wege auf Bus und Bahn umsteigen.
Der soziale Aspekt der ÖPNV-Forderung wirft die Frage danach auf, wem die Stadt und der öffentliche Raum gehören. Es sind zunehmend private Unternehmen, Banken oder Konzerne, die Löhne drücken und Ticketpreise erhöhen. Der öffentliche Raum sollte der Gesellschaft und ihren Menschen gehören, die diese Gesellschaft aufbauen und am Leben erhalten. Dieser Aspekt macht, neben den wichtigen gesundheitlichen und ökologischen, die Forderung nach kostenlosem ÖPNV zu einer explosiven Forderung. Weniger radikale Vorschläge wie ein 365€-Ticket nehmen ihr den Wind aus den Segeln, weil es wieder nur um eine Vergünstigung geht, ohne daran festzuhalten, dass Mobilität ein Grundbedürfnis ist, zu dem man aus diesem Grund entgeltfrei Zugang haben sollte.
Systemfrage
Natürlich wird die Einführung eines wirklich kostenlosen ÖPNV allein nicht die Umwelt retten. Dazu sind globale Veränderungen nötig. Dass dies innerhalb eines des kapitalistischen Systems nicht möglich ist, zeigt nicht erst die aktuelle Corona-Pandemie, sondern schon seit langem die sich immer weiter zuspitzende Klimakrise. Es ist innerhalb dieses Systems aber nicht nur unmöglich, das Klima zu retten, es ist von Kapitalist*innen auch nicht gewünscht. Dies hieße nämlich den Verzicht auf Profit. Um kostenlosen ÖPNV zu verwirklichen – ohne Arbeitsplatz- oder Lohnkürzungen –, wäre es sinnvoll und notwendig, die Autoindustrie umzustellen und ökologisch sinnvolle Nah- und Fernverkehrsmittel (wie Busse, Züge und Straßenbahnen) herzustellen. Dies darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigen ausgetragen werden. Wir fordern daher eine Überführung der Konzerne in öffentliches Eigentum, unter Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und der Arbeiter*innenklasse selbst.
Außerdem ist es notwendig, alle Energiekonzerne zu enteignen und demokratisch zu verwalten, um die gesamte Energieversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen. Da allein die Braunkohlewerke in Deutschland 2018 über 130 Millionen Tonnen CO2 ausstießen, wäre ein deutlich früherer Ausstieg ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste, Schritt zur Lösung der Klimakrise. Auch Atomkraftwerke könnten so deutlich schneller als geplant vom Netz genommen werden. Dies darf jedoch nicht einen Verlust der Arbeitsplätze im Energiesektor entschuldigen. Auch hier muss den Beschäftigten eine Anstellung bzw. eine Umschulung und damit der Erhalt ihrer Arbeitsplätze ohne Lohnverlust garantiert sein.
Dies soll nicht über eine unsoziale CO2-Massensteuer finanziert werden, sondern aus den Gewinnen und dem verstaatlichten Vermögen der Energiewirtschaft. Um in Einklang mit der Natur leben zu können ist es nötig, nicht mehr Profitgier (und damit die Interessen der Banken und Konzerne) gegen den Erhalt unseres Lebensraums auszuspielen. Dies ist nur in einer demokratisch geplanten und damit sozialistischen Gesellschaft möglich.