SPD-Wahlsieg, CDU-Einbruch und wachsende Entfremdung

Foto: Sven Mandel, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

Zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz

Am vergangenen Sonntag haben rund zwei Millionen Rheinland-Pfälzer*innen einen neuen Landtag gewählt. Trotz Pandemie und Wirtschaftskrise konnte die SPD mit Malu Dreyer ihre Sitze im Landtag verteidigen. Laut einer aktuellen SWR Umfrage glauben immer noch 52 Prozent der Menschen in Rheinland-Pfalz, dass die Landesregierung ein gutes Corona-Krisen-Management leistet. Deutschlandweit hingegen glauben dies nur 37 Prozent von der Bundesregierung. DIE LINKE hat es nicht geschafft das Versagen der Landesregierung aufzudecken und als kämpfende Alternative wahrgenommen zu werden.

Von Caspar Löttgers, Mainz

Die Landtagswahl hat vor allem eins verdeutlicht: ein Teil der Bevölkerung wendet sich von den bestehenden Parteien ab, was sich in der sinkenden Wahlbeteiligung zeigte und ein anderer Teil wünscht sich angesichts der Krise Sicherheit, was sich in den Wahlergebnissen für SPD, FDP und Grüne widerspiegelt. Trotzdem ist der Wahl-„Sieg“ der Landesregierung auf keiner soliden Grundlage. Noch vor kurzem führte die CDU in den Umfragen und musste erst mit der Maskenaffäre einstecken. Auch die Parteien in der Regierung haben alle selbst mit Affären zu tun, welche auch noch größeren Unmut provozieren können. Zuletzt darf man nicht vergessen, dass gerade mal 75 Prozent der Rheinland-Pfälzer*innen überhaupt wahlberechtigt sind. Zieht man die Nichtwähler*innen und die Nichtwahlberechtigten hinzu hat die Landesregierung gerade mal eine Unterstützung von 23 Prozent der Bevölkerung. Sollte es zu sozialen Auseinandersetzungen über die Frage kommen, wer die Kosten der Krise zu zahlen hat, kann auch die gerade als sehr solide wirkende rheinland-pfälzische Landesregierung schnell ins Wanken kommen.

SPD und CDU

Die Zeiten, in denen die CDU und SPD auf solide Mehrheiten aufbauen konnten sind lange vorbei. 1991 erzielten beide Parteien noch 83,5 Prozent. Dieses Jahr waren es bloß noch 63,4 Prozent. Auch wenn die SPD dieses Jahr besser wegkam als die CDU, ist auch sie am Wackeln und die Ergebnisse dürfen nicht über den Fakt hinwegtäuschen, dass auch ihre Wahlergebnisse schrumpfen. 2016 glaubten noch 49 Prozent der Wähler*innen, dass sich die SPD für mehr soziale Gerechtigkeit einsetze. 2021 waren es nur noch 39 Prozent. Durch den Rückgang in der Wahlbeteiligung erhielt die SPD zwar nur einen leicht kleineren Prozentsatz, die Anzahl der absoluten Stimmen ging aber um rund 80.000 zurück. In der Zukunft wird es immer schwieriger für die bürgerlichen Parteien klare Mehrheiten zu schaffen. Dies zeigt sich auch darin, dass im neuen Landtag zum ersten mal sechs Parteien sitzen.

Freie Wähler

Der Wahlerfolg der Freien Wähler kam für viele als Überraschung. Im Vergleich zu 2016 haben die Freien Wähler ihren Stimmenanteil mehr als verdoppelt und ziehen mit 5,4 Prozent in den Landtag ein. Stimmen bekamen sie vor allem von ehemaligen CDU- und SPD- Wähler*innen (zusammen etwa 32.000), aber auch ehemalige FDP- und AfD-Wähler*innen machten bei den Freien Wählern ihr Kreuz (etwa 14.000). Der Wahlkampf der Freien war vor allem davon dominiert sich als kommunal verankerte Kraft darzustellen und die Interessen der Kleinunternehmen in den Vordergrund zu rücken. Auf ihren Plakaten dominierten Sprüche, wie „Alle Läden jetzt öffnen!“. Dies kam sicher bei einer Schicht von Kleinunternehmen gut an, die unter den Auswirkungen der Krise stark leiden und im Vergleich zu TUI, Lufthansa und Co. Keine wirklichen Hilfen der Bundesregierung bekommen.

AfD

Die AfD hat insgesamt verloren. Dieser Verlust ging vor allem zugunsten der Nichtwähler*innen. Insgesamt stimmten 40.000 Wähler*innen, die 2016 noch die AfD gewählt hatten, 2021 nicht ab. Dennoch bleibt auffällig, dass die AfD in Rheinland-Pfalz vor allem im Süden überdurchschnittliche Werte einfahren konnte (wenn auch hier mit Verlusten im Vergleich zu 2016), wie zum Beispiel in Pirmasens und Ludwigshafen. In beiden Städten ist die Arbeitslosigkeit fast doppelt so hoch, wie in anderen Städten. Hinzu kommen die massiven Schulden, die die Kommunen haben. Primasens ist die am fünf höchsten verschuldete Kommune Deutschlands. Jahrelanger Neoliberalismus und Massenentlassungen und eine fehlende Alternative von links haben hier unter anderem dafür gesorgt, dass sich die berechtigte Frustration mit einem Kreuz bei der AfD ausdrückte.

Der Versuch der AfD Rheinland-Pfalz, sich als bürgerlich-konservative Partei zu präsentieren hat dagegen aber offensichtlich nicht funktioniert. Auch der interne Streit, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene zwischen dem national-konservativen und dem sozialdemagogisch-rechtsextremen Flügel hat sicher vormalige Wähler*innen abgeschreckt. Der Spitzenkandidat Frisch war ein Kompromisskandidat.

Nicht zu Letzt spielte das Kernthema der AfD, Zuwanderung, dieses mal kaum eine Rolle im Vergleich zu 2016. Vielmehr standen Fragen wie soziale Sicherheit, Arbeitsplatzgarantie etc. auf der Tagesordnung. Die AfD stellte hier keine wirkliche Alternative da und ging auch deswegen ein Stück unter. Die Gefahr, die von der AfD ausgeht, ist damit aber auf keinen Fall gebannt. Sie ist, trotz ihrer Stimmenverluste, stabil in den Landtag eingezogen. Sollte es keine klare Antwort von Links auf die Krise geben, können rechte Parteien und Gruppen auch wieder mehr Zulauf erhalten.

Linke sollten sich deshalb aber auch nicht einfach über die Verluste der AfD freuen. Zwar ist jede Stimme weniger für die AfD erfreulich, aber genauso unerfreulich ist, dass DIE LINKE vor allem in den Kreisen mit hoher Arbeitslosigkeit keine überzeugende Alternative darstellt.

DIE LINKE

DIE LINKE setzt ihre Stagnation in Rheinland-Pfalz fort und hat dieses Jahr rund 12.000 Stimmen verloren. Zwar konnte sie in den studentisch geprägten Stadtkernen wie Mainz und Trier auch bessere Ergebnisse erzielen, stellte in der Breite keine überzeugende Alternative dar. Die Partei schwankte dabei zwischen Annäherung an die bürgerlichen Parteien und Opposition. Ein klarer Kurs war für viele nicht erkennbar. In einem Interview wurde der Spitzenkandidat David Schwarzendahl gefragt, wie er zu seiner früheren Mitgliedschaft in der Roten Hilfe stand, welche vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Er beteuerte umgehend, dies sei eine Jugendsünde gewesen und er sei bereits ausgetreten. Die bürgerliche Presse versucht Linke so immer aus der Reserve zu locken und Positionen, welche von ihr als zu „radikal“ betrachtet werden, sollen zu Gunsten eines angepassten und gemäßigten Kurses aufgegeben werden.

Wichtige Themen, wie der Pflegenotstand, welcher sich durch die Corona-Pandemie noch verstärkt hat und wo sich bereits ein Bündnis von Pflegekräften gebildet hat, kamen viel zu kurz. Im Kurzwahlprogramm sucht man das Thema vergebens. Auf Plakaten konnte man nur wenig konkrete und für die meisten unverständliche Slogans lesen wie „Querbeet von Familien bis Pflege: Familien entlasten.“ Hier wäre viel Potential gewesen, mit einem starken, sozialistischen Programm aufzutreten und dem Unmut der Kolleg*innen und der Bevölkerung Ausdruck zu verleihen.

Klar ist aber auch, dass allein eine radikale Rhetorik nicht reicht. DIE LINKE muss auch als aktiv kämpfende Partei wahrgenommen werden, die in aktuellen Auseinandersetzungen eine Rolle spielt, wie etwa der Metall-Tarifrunde, bei Kämpfen in der Pflege oder in Initiativen für niedrigere Mieten oder besseren ÖPNV. In Rheinland-Pfalz ist dies kaum der Fall. Größere Aktivität entfaltet sich nur in den Wahlkämpfen und ebbt danach wieder ab. So wird die Partei weiterhin kaum wahrgenommen und verankert sich nicht in den Betrieben, den Universitäten, Stadteilen und bei der lohnabhängigen Bevölkerung.

Was wäre stattdessen notwendig?

Um als wirkliche Alternative wahrgenommen zu werden, hätte DIE LINKE vielmehr ihre prinzipielle Opposition zu den bürgerlichen Parteien und ihrem Politikverständnis aufzeigen müssen. Warum hat DIE LINKE nicht vielmehr die Schuld der Landesregierung für den Pflegenotstand (vor allem in den ländlichen Gebieten) aufgezeigt? Warum hat DIE LINKE nicht die Tarifrunde in der Metallindustrie genutzt, um den Kampf gegen Massenentlassungen auf die Tagesordnung zu stellen? Warum haben die Spitzenkandidat*innen nicht erklärt, im Falle des Einzuges in den Landtag von ihren Diäten nicht mehr als einen durchschnittlichen Facharbeiter*innenlohn zu nehmen und den Rest zu spenden?

Alles Personalfragen?

Noch in der Wahlnacht ging ein Papier von Parteimitgliedern rum, dass den amtierenden Landesvorstand dazu aufrief sofort zurückzutreten. Laut den Unterzeichner*innen ist die Clique um die Bundestagsabgeordneten Alexander Ulrich und Katrin Werner schuld am schlechten Wahlergebnis. Auch wenn wir den Unterzeichner*innen recht geben, dass beide ihre Macht ausnutzen, um ihre persönliche Stellung innerhalb der Partei zu sichern und damit den Aufbau der LINKEN in Rheinland-Pfalz schaden, denken wir nicht, dass das schlechte Ergebnis der LINKEN alleine durch einen personellen Neuanfang gelöst werden kann. Stattdessen braucht es eine offene und ehrliche Diskussion über die Ausrichtung und Ziele der Partei. Statt nur den Rücktritt des Landesvorstandes zu fordern, sollte der linke Flügel der Partei auch eine inhaltliche Opposition zu Ulrich und Werner aufbauen.

Aktiv für einen sozialistischen Kurs in der LINKE und linksjugend[‘solid]

Als Sol-Mitglieder in der linksjugend[‘solid] Rheinland-Pfalz waren wir am Jugendwahlkampf beteiligt und brachten hier einen sozialistisches und kämpferischen Kurs ein. Es wurden Plakate und Flyer mit konkreten Forderungen gedruckt, in denen wir zur Wahl der LINKEN aufriefen, aber auch klarmachten, dass es vor allem darum geht selbst aktiv zu werden. Im Laufe des Wahlkampfes versuchten wir aktuelle Ereignisse aufzugreifen, wie etwa die Situation an Schulen und haben in Mainz eine eigene Kundgebung organisiert. Auch haben wir mit dem örtlichen Aktiventreffen von DIE LINKE Mainz/Mainz-Bingen eine Kampagne mit Kundgebung zum Pflegenotstand mitorganisiert und verteilten im Vorfeld tausende Flyer und Wandzeitungen in der Umgebung. Zuletzt nahmen wir an der Aktion des Pflegebündnisses am 8. März teil und verteilten hunderte Extrablätter der „Solidarität“ zur Landtagswahl.

Trotz des Wahlergebnisses werden wir uns auch weiterhin für einen kämpferischen und sozialistischen Kurs in der LINKEN und linksjugend[‘solid] in Rheinland-Pfalz einsetzen. Es ist klar, dass ein „weiter so“ im Landesverband Rheinland-Pfalz keine Option ist. Es muss jetzt über die Ausrichtung der Partei diskutiert werden und ein Kurswechsel hin zu einer sozialistischen Partei eingeschlagen werden, welche auch zwischen den Wahlkämpfen aktiv ist und eine deutliche Alternative zu den bürgerlichen Parteien darstellt. Damit wäre es auch möglich ein Anziehungspunkt für sich radikalisierende Arbeiter*innen und Jugendliche zu werden, die eine glaubhafte Alternative zum kapitalistischen Elend suchen. Wenn du unsere Ideen und Arbeit gut findest, dann nimm doch gerne Kontakt zu uns auf: mainz@solidaritaet.info

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