Wahlaufruf der Sozialistischen Organisation Solidarität (Sol) zur Bundestagswahl 2021
Es ist sicher, dass diese Bundestagswahl zu einer Veränderung in der Regierung führen wird. Die Ära Merkel ist vorbei und eine Fortsetzung der Koalition aus CDU/CSU und SPD ist so gut wie ausgeschlossen. Und doch ist es ebenso sicher, dass diese Bundestagswahl zu keiner wirklichen Veränderung in der Politik führen wird, wie sie angesichts von Klimawandel, Corona-Pandemie, dem katastrophalen Zustand des Gesundheits- und Bildungswesens, des riesigen Niedriglohnsektors, zunehmender Ausbeutung und Armut, nicht endendem Rassismus und Sexismus usw. dringend notwendig wäre.
Das gilt unabhängig davon, wie die nächste Bundesregierung zusammen gesetzt sein wird und ob sie von Annalena Baerbock, Armin Laschet oder Olaf Scholz geführt wird und auch unabhängig davon, ob es zu einer Beteiligung der LINKEN im Rahmen einer – sehr unwahrscheinlichen – grün-rot-roten Koalition kommen sollte. Warum? Weil jede Regierung der Verteidigung der Profitmacherei der Banken und Konzerne verpflichtet sein wird, welche wiederum die Ursache aller Missstände sind.
Organisieren, mobilisieren, streiken!
Wirkliche Veränderungen können nur erkämpft werden durch massenhafte Mobilisierungen, Demonstrationen und Streiks der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend. Sie müssen den politisch und wirtschaftlich Mächtigen im Kampf abgerungen werden. Nur wenn sich die von den Folgen des Kapitalismus negativ Betroffenen organisieren und gemeinsam zur Wehr setzen, kann sich etwas ändern. Deshalb rufen wir anlässlich der Bundestagswahl 2021 vor allem dazu auf, die eigene Stimme gemeinsam zu erheben statt sie an Parteien in der Hoffnung auf parlamentarische Veränderungen abzugeben. Wir rufen dazu auf, selbst aktiv zu werden, sich zu organisieren und an Protesten, Demonstrationen und Streiks teilzunehmen. Konkret gibt es dazu in den Wochen vor den Bundestagswahlen viele Gelegenheiten. So die bundesweite #unteilbar-Demonstration am 4. September, die bundesweite Mieter*innendemonstration am 11. September, die zu erwartenden bundesweiten Streiks der Lokführer*innen und Bahnbeschäftigten und den globalen Klimastreik am 24. September. Aber auch lokal und regional wird es dazu Gelegenheiten geben: ob die möglichen Streiks der Krankenhausbeschäftigten in Berlin, Proteste gegen dass repressive Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen, antirassistische Proteste gegen den Wahlkampf der AfD in vielen Orten oder die wichtige Demonstration „Gemeinsam auf die Straße“ in Berlin am 18. September.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Bundestagswahl unwichtig ist oder ihr Ergebnis keinen Unterschied macht. Von dem Resultat wird abhängen, wie dreist die Kapitalist*innen und ihre politischen Vertreter*innen in den pro-kapitalistischen Parteien CDU/CSU, FDP, Grüne, SPD und AfD in den nächsten Jahren versuchen werden, die Rechte und Lebensbedingungen von Lohnabhängigen, Jugendlichen, Rentner*innen, Erwerbslosen und der Mittelschicht zu verschlechtern.
DIE LINKE wählen!
DIE LINKE ist die einzige Partei, die die Interessen der Arbeiter*innenklasse in den Mittelpunkt ihrer Forderungen rückt. Sie ist die einzige Partei, die sich eindeutig gegen Niedriglöhne, für Gewerkschaftsrechte, gegen Leiharbeit und den Missbrauch von Werkverträgen, für einen deutlich höheren Mindestlohn, für mehr Investitionen in Bildung und Gesundheit, eine gesetzliche Personalbemessung in den Krankenhäusern, gegen Privatisierung und für öffentliches Eigentum an Banken, Konzernen und großen Unternehmen ausspricht. Sie ist auch die einzige Partei, die im Bundestag gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und Asylrechtsverschärfungen gestimmt hat. Sie spricht sich gegen die Diskriminierung von Frauen und Minderheiten aus. Eine Stimme für DIE LINKE bringt zum Ausdruck, dass eine grundsätzlich andere Politik im Interesse der Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten nötig ist. Eine starke LINKE im Bundestag verschiebt das Kräfteverhältnis zwischen Kapitalist*innenklasse und Arbeiter*innenklasse zugunsten der letzteren. Sie kann die Bühne des Parlaments nutzen, um Argumente gegen die prokapitalistische Politik der anderen Parteien zu verbreiten und zu Protesten aufzurufen, sie kann auch die Ressourcen einer Bundestagsfraktion nutzen, um Gewerkschaften und soziale Bewegungen zu unterstützen, zum Beispiel indem sie Konferenzen organisiert, Informationen zur Verfügung stellt, wissenschaftliche Untersuchungen in Auftrag gibt, Geld aus ihrem Spendenfonds spendet. Aus all diesen Gründen ruft die Sol dazu auf, am 26. September DIE LINKE zu wählen.
Grüne und SPD
Angesichts von Klimawandel und Hochwasserkatastrophen erscheinen manchen die Grünen als die Partei, die den Kampf gegen den Klimawandel ernst nimmt. Doch die Grünen sind ganz und gar im Kapitalismus angekommen und sind alles andere als links und sozial ausgerichtet. Sie verbreiten die Illusion eines „grünen Kapitalismus“ und letztlich wird die Arbeiter*innenklasse für ihren Klimaschutz zahlen müssen. Die soziale Frage und die Umweltfrage müssen aber zusammen gedacht und gelöst werden – das geht nur, wenn man bereit ist, sich mit den Konzernen anzulegen und sich nicht ihren Profitinteressen unterordnet. Und niemand sollte vergessen: die Grünen haben uns im Bündnis mit der SPD die Agenda 2010 und Hartz IV und den ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr beschert. In Baden-Württemberg haben die Grünen mit ihrem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gezeigt, dass sie den Autobossen nicht weh tun. Dort plant die Landesregierung gerade auch einen Kürzungshaushalt, der zu sozialen Einschnitten führen wird.
Die SPD wiederum hat auch seit ihrem vermeintlichen Linksschwenk mit der Wahl des Vorsitzenden-Duos Walter-Borjans/Esken keinen Politikwechsel eingeleitet, sondern brav die Große Koalition im Bündnis mit CDU/CSU zu Ende gebracht. Sie geht mit dem Finanzminister Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten in die Bundestagswahl, der für die „Schwarze Null“ und Schuldenbremse auf Kosten der Lohnabhängigen und sozial Schwachen steht. Auch ein paar linke Forderungen, die die Partei jetzt wieder aufstellt, können nicht darüber hinweg täuschen, dass sie zu einer durch und durch pro-kapitalistischen Partei geworden ist. Die von ihr mit getragene Corona-Politik im Interesse der Konzerne hat das auch deutlich gemacht.
AfD stoppen
Die AfD präsentiert sich gerne als Anti-Establishment-Partei der sogenannten kleinen Leute. Viele wählen sie aus Protest und um den etablierten Parteien eins auszuwischen. Dabei stützt sie sich auf den von genau diesen Parteien über Jahre mit verbreiteten Nationalismus und Rassismus und treibt diesen auf die Spitze.
Aber die AfD ist eine Partei des bürgerlichen Establishments. Sie vertritt nicht die Interessen von Lohnabhängigen und Erwerbslosen. Sie ist gegen den Mindestlohn, gegen die Erbschaftssteuer, für Privatisierungen, für die Beibehaltung von Hartz IV. Sie leugnet den Klimawandel und ihre Politik hätte in der Corona-Pandemie zu einer Katastrophe geführt. Sie macht Migrant*innen zu Sündenböcken, um von der Verantwortung der deutschen Kapitalist*innen für die gesellschaftlichen Missstände abzulenken. Sie ist rassistisch und duldet in ihren Reihen Faschist*innen.
Die AfD ist ein Geschenk für die Reichen und Superreichen, deren Reichtum nicht zuletzt auf der Uneinigkeit der Arbeitenden basiert. Sie muss bekämpft werden. Deshalb beteiligt sich die Sol an Aktionen gegen AfD-Wahlkampfaktivitäten.
Für eine sozialistische Alternative!
So alternativlos die Wahl der LINKEN bei dieser Bundestagswahl ist, so unzureichend ist sie. DIE LINKE ist zwar die einzige Partei, die nicht zum neoliberal-pro-kapitalistischen Einheitsbrei der etablierten Parteien gehört, die eine Chance auf einen Einzug in den Bundestag hat. Sie hat aber einen falschen Kurs eingeschlagen. Deshalb setzen sich Mitglieder der Sol in der LINKEN und ihrem Jugendverband linksjugend [‘solid] für einen sozialistischen Kurswechsel ein.
Wesentliche Teile der LINKE-Führung und ihrer Landesverbände setzen auf eine Regierungskoalition mit SPD und Grünen. Solche Bündnisse in Landesregierungen haben schon in Berlin, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen dazu geführt, dass DIE LINKE sich an unsozialer Politik gegen die Interessen der Arbeiter*innenklasse beteiligt hat – aktuell zum Beispiel bei der Teilprivatisierung der S-Bahn durch den Berliner Senat.
Das ist eine logische Folge davon, dass es unmöglich ist mit prokapitalistischen Parteien, und das sind SPD und Grüne, eine linke Politik umzusetzen. Die Logik der „Politik des kleineren Übels“ führt dazu, dass eben doch üble Politik umgesetzt wird und vor allem, dass die Partei DIE LINKE als Instrument für gesellschaftliche Veränderung und Teil von Bewegungen und Klassenkämpfen verloren geht. Eine solche Partei, eine sozialistische Arbeiter*innenpartei, ist aber dringend notwendig. Denn der Kapitalismus ist ein krisenhaftes System, das nicht zu einem sozialen, friedlichen und ökologisch nachhaltigen System umgewandelt werden kann. Er muss durch eine sozialistische Demokratie ersetzt werden, in der nicht die Profitinteressen von Banken und großen unternehmen Richtschnur politischen Handelns sind, sondern die Interessen von Mensch und Umwelt. Eine sozialistische Partei darf nichts tun, was dieser Veränderung zuwider läuft, im Gegenteil muss sie deutlich machen, wie dringlich eine sozialistische Veränderung ist. Es ist ihre Aufgabe ein Programm zu vertreten, dass die Interessen der Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten zum Ausdruck bringt. Sie sollte erklären, dass die Interessen zwischen Kapitalist*innen und Lohnabhängigen nicht durch Kompromisse und Sozialpartnerschaft versöhnt werden können. Sie muss die Selbstorganisation und den Protest und Widerstand fördern und mitorganisieren. Und sie sollte Vorschläge für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft propagieren. Eine wirklich sozialistische Gesellschaft hätte nichts mit den Ein-Parteien-Diktaturen in der DDR oder der Sowjetunion gemein. In ihr wären nicht nur die Banken und großen Unternehmen in öffentlichem Eigentum, sondern würden durch die arbeitende Bevölkerung demokratisch kontrolliert und verwaltet, ihre staatliche Strukturen wären wirklich demokratisch organisiert, zum Beispiel durch jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit von allen Mandatsträger*innen und die Begrenzung deren Gehälter auf einen durchschnittlichen Facharbeiter*innenlohn.
Einige wichtige Forderungen aus dem LINKE-Wahlprogramm:
13 Euro Mindestlohn
Mindestrente von 1200 Euro – Aufstockung des Rentenniveaus
Krankenhäuser in öffentliche Hand – Fallpauschalensystem abschaffen
Gesetzliche Personalbemessung in der Pflege Corona-Impfpatente freigeben
1200 Euro sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV
Bundesweiten Mietendeckel einführen – 250.000 neue Sozialwohnungen jährlich
Nulltarif im öffentlichen Personennahverkehr, Halbierung der Bahnpreise
Vergesellschaftung der Energiekonzerne
Einführung einer Vermögenssteuer
Waffen- und Rüstungsexporte verbieten