Für eine Rentenreform im Interesse der Beschäftigten
Nach vierzig oder mehr Jahren schuften, bleibt aktuell eine Rente von durchschnittlich 982 Euro. Nun fordert der Präsident des Arbeitgeberverbands die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 69 oder 70 Jahre.
von Alexandra Arnsburg, Mitglied im ver.di -Landesfrauenrat Berlin-Brandenburg*
Als „Rentenkürzung durch die Hintertür“ bezeichnete DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel den erneuten Vorstoß. Eine Anfrage der LINKEN im Bundestag ergab, dass 14,4 Prozent aller 2019 Verstorbenen unter 65 Jahre alt gewesen sind. „Läge das gesetzliche Rentenalter bereits heute bei 67 Jahren, würde der Anteil derer, die vor Renteneintritt sterben, sogar 17 Prozent beziehungsweise ein Sechstel betragen.“
Als Grund für dies Forderungen wird die längere durchschnittliche Lebenserwartung angeführt; dadurch wäre die Rente „nicht finanzierbar“. Wichtig für die Finanzierbarkeit der Renten ist aber nicht, wie viele Menschen wie alt werden, sondern wie produktiv eine Gesellschaft ist. Die Produktivität ist heute um ein Vielfaches höher als in der Vergangenheit. Das Bruttoinlandsprodukt versiebenfachte sich seit 1950, obwohl sich die wöchentliche Arbeitszeit um durchschnittlich circa zwanzig Stunden verringerte. Es ist nicht zu wenig Geld da, um höhere Renten und ein früheres Renteneinstiegsalter zu finanzieren.
Arme sterben früher
Eine aktuelle Studie des DIW besagt, dass Geringverdiener*innen eine sieben Jahre geringere Lebenserwartung als Wohlhabende haben, was an der schlechten Gesundheitsversorgung läge. Laut Statista geht in einigen Bundesländern wie Sachsen, Bremen und Berlin die Lebenserwartung sogar zurück!
Diejenigen, die für die Erhöhung des Renteneinstiegsalters auf 67 Jahre und für Rentenkürzungen verantwrtlich sind – die Bundestagsabgeordneten der etablierten prokapitalistischen Parteien – können ohne Abzüge schon mit 56 Jahren in Rente gehen, wobei andere Einkünfte nicht auf die Pension angerechnet werden. Das schaffen sonst nur einige besondere Berufsgruppen oder eben Reiche.
Geld ist genug da, nur in den falschen Händen
Das Rentenniveau sank bereits in den letzten zwanzig Jahren von siebzig auf 48 Prozent. Der Druck ist groß, sich zusätzlich privat abzusichern. Kein Wunder, dass die Allianz einen Gewinn von 13 Milliarden Euro erwartet – trotz Unwetterschäden, Verlusten in Hedgefonds und Investorenklage! Bereits jetzt müssen 1,3 Millionen Renter*innen arbeiten, um zu überleben. Nach den Einschnitten bei der Rente, im Gesundheitswesen, Absenkungen der Reallöhne, die Aushöhlung von Tarifverträgen und Angriffen auf Arbeitslose wäre ein späterer Renteneintritt erneut ein Angriff auf die sozialen Errungenschaften , die in der Nachkriegszeit in der BRD mit Streiks und Massenprotesten erkämpft wurden.
Widerstand
Vor den Wahlen behaupten alle Parteien, sie wollen bei der Rente nichts ändern. Das kennen wir und dürfen nicht darauf reinfallen. Es wird zu Angriffen auf die Rente kommen. Um diese abzuwehren brauchen wir eine kämpferische Kampagne und branchenübergreifende Aktionen und Streiks organisiert durch die Gewerkschaften.
Doch es sollte nicht nur um die Abwehr zu erwartender Angriffe, sondern um eine grundlegende Rentenreform im Interesse der Beschäftigten gehen. Gewerkschaften und DIE LINKE sollten offensive Forderungen aufstellen. Dazu sollten zählen:
Als erster Schritt zu einer steuerfinanzierten staatlichen Rente: Ausweitung der gesetzlichen Rentenversicherung auf alle Erwerbstätigen bei Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze
Senkung des Renteneinstiegsalters auf 60 Jahre ohne Abschläge
Monatliche Mindestrente von 750 Euro plus Warmmiete
Für eine steuer- und abgabenfreie gesetzliche Rente von 70 Prozent des Nettolohns
Der Klassenkampf von oben wird nach den Bundestagswahlen zunehmen. Gemeinsam mit den Gewerkschaften könnte DIE LINKE erreichen, dass ein Angriff auf die Rente mit massiven Protesten beantwortet wird und die Frage des politischen Streiks auf die Agenda kommt. Darauf muss sich vorbereitet werden. Jetzt.
*Angabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person