„Mit Privatisierungen haben wir bittere Erfahrungen gemacht“

Interview mit Georg Heidel zur heutigen Demonstration “Gemeinsam auf die Straße”

Auf Anregung von u.a. der Sol gründete sich im Sommer eine neue Initiative für eine Demonstration eine Woche vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl, die zeitgleich zur Bundestagswahl stattfindet. Wir sprachen mit dem Mitinitiator Georg Heidel aus dem DGB-Kreisverband Berlin Tempelhof-Schöneberg.

Wie kam es zu der Initiative für diese Demonstration?

Allein der Zynismus der politisch Verantwortlichen in dieser Stadt gegenüber den Kolleginnen und Kollegen im Krankenhausbereich und der Pflege ist doch unerträglich. Seit Jahren gibt es eine massive ungleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit. Ausgliederungen von notwendigen Dienstleistungen führten und führen zu Einkommensverlusten. Die Liste ließe sich fortsetzen. Aus meiner Sicht ist unsere Initiative für diese Demonstration und den damit verbundenen Aufbau eines Bündnisses das Resultat gemeinsamer Erfahrungen der an dem Bündnis beteiligten Aktivist*innen. Das zeigt auch die große Liste der Unterstützer*innen für den Aufruf.

Eine wichtige Etappe zur Bildung unseres Bündnisses war die von der VKG (Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften) nitiierte erfolgreiche 1. Mai-Demonstration mit über 2000 Teilnehmer*innen als  Antwort auf die offizielle kleine DGB-Veranstaltung, Mitglieder unseres Kreisverbandes nahmen daran teil. Seit Herbst letzten Jahres engagiere ich mich in der VKG und habe dadurch sehr gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Sol gemacht. Dass die Sol im Sommer die Initiative für unsere Demonstration ergriff, war aus dem bisherigen Verlauf heraus begründet und zu begrüßen. Der nun vorliegende Aufruf wurde unter den beteiligten Kräften ausführlich diskutiert und entwickelt – mit einem tragfähigen Ergebnis.

Was fordert ihr?

Am drängendsten steht im Krankenhausbereich an, dass es einen TVÖD für alle Beschäftigten und endlich ausreichendes Personal gibt, dass die Privatisierung und Schließung von Krankenhäusern gestoppt wird. Dass die Privatisierung von Schulgebäuden unterbleibt und in den Neubau und Erhalt investiert wird, die S-Bahn nicht teilprivatisiert wird, Wohnen nicht zum Luxus wird und insgesamt die Bereich der lebensnotwendigen öffentlichen Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen nicht dem privaten Kapital ausgehändigt wird. Wir haben zum Beispiel bittere Erfahrungen mit dem Verkauf  von Wasser (inzwischen wieder in öffentlicher Hand) und Wohnen in Berlin gemacht. Wir wollen den Volksentscheid für die Enteignung der Immobilienkonzerne unterstützen und zeigen, dass Rekommunalisierungen nicht nur beim Wohnen eine gute Idee ist. 

„Öffentlich statt Privat“ bedeutet für uns allerdings auch die Abkehr von einem Geschäftsbetrieb, bzw. einer Verwaltung, in der von Oben nach Unten durchkommandiert wird. Die aktive Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen, die Offenlegung der Bücher und Bilanzen muss angestrebt werden. Eine betriebliche Mitbestimmung in Form des „Abnickens“ bringt nichts. Die unmittelbar Beschäftigten müssen im ersten Schritt die Ausrichtung und Entwicklung der Betriebe und Verwaltungen bestimmen und keine externen Leistungsbemessungen.  Wenn wir von „Öffentlich statt Privat“ sprechen, dann streben wir eine Kontrolle und demokratische Entscheidungsstrukturen in den Unternehmen an. 

Mietenbewegung, Pflegekräfte, Gewerkschafter*innen und Initiativen gegen Privatisierung: Kann das zusammengehen?

Das muss zusammengehen! Wer die genannten Verhältnisse grundlegend verändern will, der kann auf ein Bündnis von sozialen Bewegungen und Betrieben bzw. Gewerkschaften nicht verzichten. Es ist ja nicht so, dass die Gewerkschaften am sogenannten außerbetrieblichen Leben nicht teilnehmen würden, das ist doch bekannt. Aber es ist ein Unterschied, ob die Gewerkschaftsführungen eine soziale Bewegung durch Erklärung unterstützen, oder ob in den betrieblichen Basisstrukturen die außerbetrieblichen Themen diskutiert und aktiv unterstützt werden. Das allgemeine politische Leben endet nicht am Betriebstor. Umgekehrt wäre eine Überheblichkeit gegenüber der Kleinarbeit in Betrieb und Gewerkschaft völlig unangebracht. Dass die S-Bahn rollt, dafür sorgen rund um die Uhr die Menschen in den Werkstätten, da wünsche ich mir manchmal mehr Respekt vor der Arbeit unserer Kolleg*innen.

Was erhoffst du dir von der Demonstration?

Ich hoffe auf eine gute Mobilisierung und Beteiligung auf der Demo. Das aber sind Etappen, wir müssen den Kampf für unsere Ziele weit über die Demo- und Wahltage hinaus organisieren. Die Bildung eines stabilen, arbeitsfähigen Bündnisses aus unserer Initiative hinaus ist mir persönlich ein großes Anliegen. Wir müssen leider davon ausgehen, dass der Druck von Oben auf die Arbeiter*innenklasse zunehmen wird. Dagegen müssen fortschrittliche Kräfte zusammenarbeiten und sich organisieren.

Demo heute ab 14 Uhr vom Berliner Hauptbahnhof!

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