Aufstand in Kasachstan

CC BY-SA 4.0 Esetok, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2022_Kazakhstan_protests_%E2%80%94_Aqtobe,_January_4_(01).jpg

Beispiellose Massenproteste breiten sich aus – Regime reagiert mit brutaler Repression

Vorbemerkung: Die Ereignisse in Kasachstan überschlagen sich. Dieser Artikel wurde am 5. Januar 2022 auf www.socialistworld.net veröffentlicht. Seitdem hat die Repression gegen die Demonstrierenden massiv zugenommen, es wird von vielen Todesopfern berichtet. Putin hat russische Truppen entsendet, um die kasachische Regierung zu unterstützen.

In den ersten Januartagen 2022 haben sich in Kasachstan wütende Massenproteste explosionsartig ausgebreitet. Der Funke war eine Verdoppelung des Preises für Flüssiggas – dem am häufigsten verwendeten Kraftstoff des Landes. In der zweitgrößten Stadt Almaty (wo das Bürgermeisteramt gestürmt wurde) und in Mangistau wurde der Ausnahmezustand mindestens bis zum 19. Januar ausgerufen. Es wurden nächtliche Ausgangssperren von 23:00 bis 07:00 Uhr verhängt.

Von Clare Doyle, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI)

Alle Straßen, die ins Zentrum von Astana (heute Nur-Sultan) führten, wurden sofort gesperrt. Regierungstruppen errichteten Barrikaden, um Demonstrationen oder Besetzungen in den zentralen Gebieten der Hauptstadt zu verhindern. Reuters berichtete, dass in der größten Stadt des Landes „Tausende Demonstrant*innen in Richtung Stadtzentrum von Almaty vordrangen … nachdem die Sicherheitskräfte es nicht geschafft hatten, sie mit Tränengas und Blendgranaten zu zerstreuen“. In vielen anderen Städten, darunter Schymkent und Taraz im Süden, wurden Angriffe auf Banken, Geschäfte, Restaurants und Regierungsgebäude gemeldet. Gebäude sind abgebrannt. Gegen Demonstrierende wurden Wasserwerfer und Blendgranaten eingesetzt. Hunderte sind verhaftet worden, andere werden immer noch auf der Straße brutal festgenommen. Die üblichen Lügen über ausländische Provokateure und Extremist*innen werden in den Medien verbreitet.

Es gibt Berichte über Streiks, auch in der Stadt Zhanaozen. Es ist erst zehn Jahre her, seit im Dezember 2011 streikende Ölarbeiter*innen in dieser Stadt von staatlichen Kräften ermordet wurden, und die Erinnerungen auf beiden Seiten sind noch frisch. Präsident Kasym-Žomart Tokayev, dessen Fäden eindeutig von seinem Vorgänger Nursultan Nazarbaev gezogen werden, hat die bisher schwache Marionettenregierung kurzerhand entlassen. Er kündigte an, den Kraftstoffpreisanstieg von 120 Tenge wieder auf 60 pro Liter zu senken, was auf die Angst des gegenwärtigen Regimes hindeutet, dass sich die Revolte zu einer Bewegung zu ihrem Sturz ausweiten könnte.

Weitergehende Forderungen

Kasachstan ist ein Land von der Größe Westeuropas, das sowohl an China als auch an Russland grenzt. China hat große Industrie- und Handelsinteressen im Land. (Ein Werk, in dem diese Woche Arbeiter*innen gestreikt haben sollen, ist ein chinesisches Joint Venture.)

Es gibt Spekulationen über eine Truppenbewegung von Putin, um die wirtschaftlichen und politischen Interessen Russlands zu verteidigen, unter dem Vorwand, die mehr als vier Millionen ethnische Russen im Land zu schützen. Nasarbajew hat in Kasachstan seit dem Zusammenbruch der UdSSR im Dezember 1991 praktisch eine Diktatur geführt. Der Achtzigjährige ist bis heute die Macht hinter dem Thron und Ziel Nummer 1 der Demonstrierenden, die riefen: „Der alte Mann muss gehen!“ . “Wir haben dreißig Jahre seiner schändlichen Diktatur hinter uns und haben nichts gewonnen!”.

Die Stimmung im Land entwickelt sich laut Berichten von Protesten gegen Preiserhöhungen hin zu Forderungen nach dem Rücktritt lokaler Gouverneure und einer demokratischen Vertretung. Noch im vergangenen Jahr schrieb ein Blogger von Azatiq im Gespräch mit Streikenden in der Gegend von Zhanaozen: „Einige der Demonstrierenden … forderten das Recht der Bevölkerung, ihre lokalen Führer*innen zu wählen … Eine Gruppe von Abgeordneten der regierungsfreundlichen Nur Otan und Ak Zhol-Parteien kamen, um mit den Arbeiter*innen zu sprechen. Sie sagten ihnen: „Wir sind Abgeordnete, die Ihr gewählt habt“, worauf die streikenden Arbeiter*innen antworteten: „Ihr wurdet für Eure Posten benannt; das Volk hat Euch nicht gewählt‘.“ (Bruce Pannier)

Perspektive

Zugeständnisse können die Stimmung bisher nicht beruhigen. Ebenso wenig wie die Verletzungen und Festnahmen von Hunderten Demonstranten. Viele Demonstrant*innen haben sich geweigert, die von ihnen besetzten Plätze aufzugeben, haben Zelte aufgestellt und über Nacht in der eisigen Kälte verbracht. In einigen Gegenden wurde beobachtet, wie die Polizei Angriffsbefehle offen ablehnte.

Es findet eine Bewegung statt, die sich zu einer Abrechnung mit den herrschenden Schichten entwickeln könnte. Arbeit*innen und Jugendliche sollten sich bemühen, das Regime durch eine demokratisch gewählte Regierung von Vertreter*innen aus der Arbeiter*innenklasse zu ersetzen. In der gegenwärtigen Situation sollten sich die Protestierenden in Komitees zusammenschließen, an denen Arbeiter*innen und junge Menschen beteiligt sind, und sich auf einen Kampf bis zum Ende vorbereiten. Sie sollten auf lokaler Ebene Vertreter*innen für solche Ausschüsse demokratisch wählen, die sich dann auf regionaler und nationaler Ebene vernetzen können.

Die jetzige Situation wirft die Frage auf, wer die Gesellschaft regiert, und es zeigt die Notwendigkeit, dass Arbeiter*innen eine eigene Partei haben, um eine Alternative zu Diktatur und Armut aufzuzeigen. Nasarbajew und Tokajew könnten verdrängt werden. Organisationen der arbeitenden Bevölkerung sollten jedoch nicht Teil einer Koalition mit prokapitalistischen Parteien sein, einschließlich solcher, die von oppositionellen Oligarchen, oder auch von selbsternannten Liberalen angeführt werden.

Es muss dafür gekämpft werden, dass alle demokratischen Rechte etabliert und respektiert werden: Rede- und Pressefreiheit, das Recht zu protestieren, zu streiken und Oppositionsparteien ohne staatliche Einmischung zu organisieren. Die arbeitenden Menschen müssen bis zum Ende kämpfen, um die Diktatur des Kapitals – sei es kasachisch, chinesisch, russisch oder eine andere Macht – vollständig zu beseitigen. Die Alternative dazu ist eine echte sozialistische Demokratie.

Das CWI wird alles in seiner Macht Stehende tun, um Aktivist*innen, die gegen das derzeitige Regime in Kasachstan kämpfen, zu verteidigen und zu schützen, und sich für die Freilassung der Verhafteten stark machen. Unsere Perspektive ist die einer zukünftigen Konföderation sozialistischer Staaten in der Region und weltweit.

Print Friendly, PDF & Email