„Aufrüstung ist Diebstahl“

Kleine Geschichte der Aufrüstungsskandale in Deutschland

Das deutsche Aufrüstungsprogramm ist das größte seit 1945. Skandale begleiteten jedoch die meisten dieser Programme.

Von Steve Hollasky, Dresden

Eine Redewendung sagt, die Mächtigen würden stets dann zu Friedensengeln, wenn sie ihre Macht auf immer verloren hätten. Mitunter machen sie dann Aussagen, die Beachtung verdienen, gerade weil sie vorher so gar nicht nach diesen Ideen zu leben gewillt waren.

Dwight D. Eisenhower, von 1953 bis 1961 Präsident der Vereinigten Staaten, führend beteiligt an der Aufrüstung der US-Armee und „Kalter Krieger“, der China hinter vorgehaltener Hand gar mit dem Einsatz taktischer Nuklearwaffen drohte, hinterließ kurz vor Ende seines Lebens ein solches Zitat: „Jede Kanone, die gebaut wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel gelassen wird, jede abgefeuerte Rakete bedeutet letztlich einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen, denen, die frieren und keine Kleidung haben. Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld allein. Sie verpulvert auch den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder.“ Es war eine späte Konterkarierung all dessen, wofür der erzkonservative republikanische Präsident bis heute steht.

Das macht den Ausspruch – isoliert betrachtet – nicht weniger wahr. Ordnet man ihn in Eisenhowers militaristisches Leben ein, hinterlässt er freilich Kopfschütteln. Beweist er doch auch und nicht zuletzt, dass sich die Herrschenden durchaus bewusst sind, was sie mit Rüstungsausgaben anrichten, was sie nicht davon abhält zu tun, was sie tun.

Deutschlands Rüstungsprogramm

Und so hält das Kopfschütteln auch an, wenn man dieser Tage die deutsche Innen- und Außenpolitik betrachtet. Nicht weniger als 100 Milliarden Euro will die Bundesregierung in einem schuldenfinanzierten Sondervermögen der Bundeswehr für Beschaffungsmaßnahmen zur Verfügung stellen. Die jährlichen Rüstungsausgaben sollen sogar über das von der NATO für ihre Mitgliedsstaaten geforderte Ziel von zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt hinaus gesteigert und im Grundgesetz festgeschrieben werden. Wie Christian Lindner von der FDP im Interview bemerkte, solle diese Maßnahme ergriffen werden, um jede nachfolgende Regierung auf diese Ausgaben festzulegen. Folgt man Eisenhowers für ihn so eigenartigem Zitat, ist das Diebstahl.

Noch dazu ist es Diebstahl großen, ja astronomischen Ausmaßes. Noch nie seit 1945 hat es in Deutschland ein derartiges Aufrüstungsprogramm gegeben. Dass die Grünen ihre in Sonntagsreden gern formulierten Grundsätze in Windeseile über Bord werfen, kann spätestens seit ihrer letzten Beteiligung an einem Bundeskabinett kaum überraschen. Omid Nouripour, Bundesvorsitzender der Bündnisgrünen, formulierte von Journalist*innen auf das Aufrüstungsprogramm angesprochen den irrwitzigen Satz, nach dem Abrüstung weiterhin Ziel bleibe, das Sicherheitsbedürfnis im Moment aber wichtiger sei. Die Herrschenden dürften ihren Diebstahl in Form von Kanonen und Panzern zu keiner Zeit auf andere Art gerechtfertigt haben.

Doch selbst Christian Lindner, der beispielsweise auf seiner Facebookseite davor warnt, man könne „nicht nur Geld ausgeben“, man müsse es auch „im verschärften globalen Wettbewerb verdienen“, räumt in seiner Freude auf die „schlagkräftigste Armee Europas“, von der er selbstbekennend träumt, mit alten Grundsätzen auf und begrüßt die Neuverschuldung von satten hundert Milliarden.

Man hört aus allen Bundestagsfraktionen – mit Ausnahme der LINKEN – die Bundeswehr sei kaputt gespart worden. Die Geschichte von Flugzeugen, die nicht fliegen und Panzern, die nicht fahren, werden in Permanenz wiederholt und laufen über alle Kanäle.

Goldgräberstimmung“

Ein nüchterner Blick auf die Zahlen lässt die Frage aufkommen, ob aus Sicht der Bundeswehr nicht weniger wehmütige Klage, sondern eher Partystimmung angesagt sein sollte. Seit 2005 – und damit in eben jener Zeitspanne, in der die deutsche Armee nicht nur laut Lindners Darstellung kaputt gespart wurde – wuchsen die Aufwendungen für das deutsche Militär jährlich um mehr als eine Milliarde Euro. Bereits 2020 lagen die deutschen Rüstungsausgaben bei 52,8 Milliarden und damit fast wieder so hoch wie zum Ende des Kalten Krieges. Es dürfte schwerlich ein Ressort des Bundeshaushalts zu finden sein, das sich über eine solche Art des „Kaputtsparens“ nicht freuen würde.

Zum Vergleich, dass Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird sich laut Eckpunktevereinbarung der Bundesregierung in diesem Jahr mit weniger als 2,7 Milliarden Euro zufrieden geben müssen. Der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird verglichen mit 2021 einen um etwa 1,6 Milliarde Euro geschrumpften Etat zugewiesen bekommen und sich mit 10,8 Milliarden begnügen müssen. Den traurigen Negativrekord dürfte jedoch nach zwei Jahren Pandemie ausgerechnet das Gesundheitsministerium halten. Gerade 16 Milliarden will man sich die Gesundheit der Menschen in Deutschland kosten lassen. Die Mittel für Bildung und Forschung werden zusammengestrichen. Ganze 19,4 Milliarden Euro wird der Bund in Schulen und Hochschulen stecken. Rüstung heißt, eine Gesellschaft verpulvere „die Hoffnung ihrer Kinder“. Wie erwähnt, es fällt schwer, Eisenhower in diesem Punkt zu widersprechen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Bundesregierung gerade viel tut, um ihn so glänzend zu bestätigen. Nur hat sich eben der Herr US-Präsident im Amt genauso verhalten.

Und sollten die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Regierungserklärung vom 27. Februar angekündigten haushaltspolitischen Maßnahmen umgesetzt werden, dürften die Ausgaben für die Bundeswehr noch in diesem Jahr auf 71 Milliarden steigen. Kein Wunder, dass sich in der deutschen Rüstungsindustrie längst „Goldgräberstimmung“ eingestellt hat, wie der „Spiegel“ einen namentlich nicht genannten deutschen General zitiert.

Die deutsche Regierung ist sehr bemüht, die Eurozeichen in den Augen der Rüstungsindustriellen noch heller leuchten zu lassen. Gleich zweimal innerhalb von nur einer Woche forderte das Verteidigungsministerium Deutschlands Waffenschmieden auf, doch Vorschläge zu machen, welche Vorhaben schnell umgesetzt werden könnten. Es dürfte sich um einen einmaligen Vorgang handeln, dass nicht etwa der Staat Waffen ordert, sondern der Industrie im Endeffekt einen Blankoscheck ausstellt, auf dem quasi geschrieben steht, man würde schon nehmen, was einem Heckler & Koch oder Rheinmetall aufzuschwatzen gedenken.

Eine Kette von Skandalen

Noch ist kein Cent des angekündigten Geldes ausgegeben, doch man bekommt langsam eine Vorstellung davon wie es in der Praxis aussehen dürfte. Der Skandal ist schon da, bevor er überhaupt begonnen hat.

Dabei kann das kaum überraschen. Wirft man nur einen flüchtigen Blick in die Geschichte der deutschen Bundeswehr gesellt sich ein Rüstungsskandal an den nächsten, aufgereiht wie die Perlen auf einer Kette.

Schon 1953 und damit zwei Jahre vor Gründung der Bundeswehr bemühte sich das Amt Blank, der Vorläufer des Bundesverteidigungsministeriums, um die Beschaffung eines Schützenpanzerwagens. Beauftragt wird die in Genf ansässige Firma Hispano Suiza, die wiederum britische Firmen und die deutschen Konzerne Hentschel und Hanomag anheuerte – beide als NS-Rüstungsfirmen hinlänglich bekannt. Das ganze Unternehmen ist illegal, im Grundgesetz stand damals noch, dass die Bundesrepublik entmilitarisiert bleiben solle. Daher wird das Projekt im Auftrag der deutschen Regierung zunächst über einen windigen Geschäftsmann namens Rudolf Ruscheweyh abgewickelt. Ruscheweyhs Firma Octogon, in der sich ehemalige Agenten von NS-Geheimdiensten, deutsche Industrielle und andere zwielichtige Gestalten die Klinke in die Hand geben, hatte aus welchen Gründen auch immer, Zugriff auf riesige Summen, die in den letzten Kriegsmonaten von NS-Spionen zur Seite geschafft worden waren. Monate später wird Bundesminister Franz-Joseph Strauß (CSU) einen Vertrag über zweieinhalb Milliarden D-Mark unterschreiben. Auch dieser Schritt wird weitgehend im Dunkel der Halblegalität erfolgen.

Für diesen Preis geordert wird die irrsinnige Menge von mehr als 10.000 Schützenpanzerwagen HS-30, ausgeliefert wird nur ein Viertel. Prototypen, die man etwa begutachten hätte können, existierten damals nicht. Man kaufte die Katze im Sack für eine Summe von – in heutiger Währung inflationsbereinigt ausgedrückt – fast acht Milliarden Euro. Kaum, dass die ersten HS-30 gebaut wurden, offenbarten sie auch schon Mängel, die das Projekt als solches infrage hätten stellen müssen – doch gekauft war gekauft. Da half es nichts, dass man sich über gerissene Ketten oder einen nicht funktionstüchtigen Motor beschwerte und sich darüber beklagte, dass Infanteristen, die im Fahren absitzen wollten, aufgrund der Bauweise dieses Produkts in Lebensgefahr gerieten.

Der Skandal flog auf, als erste Zeugen ihr Schweigen brachen und währenddessen verstarben. Werner Plappert beispielsweise, der Zigarrenfabrikant und Heidenheimer Bürgermeister, sagte 1970 vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages bezüglich der Affäre um den HS-30 Schützenpanzerwagen aus, die CDU habe aus dem HS-30-Geschäft 50 Millionen D-Mark für den Wahlkampfkostenfonds abgezweigt – nicht das einzige Verbrechen im HS-30-Skandal, aber ein gewichtiges, sollte es denn wahr sein. Ob es das war, ließ sich nicht mehr abschließend klären, weil Plappert kurz nach seiner Aussage verschwand und erst 1974 durch Taucher vom Grund des Bodensees geborgen wurde.

Unter eigenartigen Umständen war lange vorher auch Otto Lenz dahingeschieden, der zeitweise einer der engsten Mitarbeiter des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer (CDU) gewesen war. Als Mitglied im Bundestagsausschuss für Verteidigung hatte er über die Anschaffung des HS-30 mitzuentscheiden und vertrat eine Tochterfirma von Hispano Suiza dennoch zugleich als Rechtsanwalt.

Lenz starb noch 1957 in einer schlecht ausgestatteten Klinik in Neapel, nachdem er anonym in einer kleinen Pension abgestiegen war. Seine Ende passte so gar nicht zu diesem sehr wohlhabenden Mann. Eine offizielle Untersuchung erfolgte nicht, obwohl Lenz‘ Rolle in der deutschen Politik unbestritten war. Die Gerüchte um eine Vergiftung konnten nie ausgeräumt werden.

Auf einer Liste des Herstellers, die 1958 irgendwo hervorgekramt wurde, standen neben Lenz‘ noch 14 weitere Namen und hinter diesen siebenstellige Zahlen. Dass es sich um Bestechungsgeld gehandelt hat, vermuteten viele, bewiesen wurde es nie.

Die Zahl der Toten, die im Umfeld des HS-30-Skandals zu beklagen waren, war nichts gegen die Zahl der Toten im nächsten Bundeswehrrüstungsskandal. Deutschland kaufte den F-104G Starfighter.

Der Hersteller Lockheed war äußerst erfreut, hatte die US Airforce doch nur sehr wenige F-104 in die Ausrüstung aufgenommen, zu schlecht und vor allem störanfällig war der Starfighter. Dennoch vermarktete die US-Administration den Jet, der für den Piloten wenigstens ebenso gefährlich war wie für einen potentiellen Gegner. Eingefädelt hatte auch diesen Deal wieder Franz-Josef Strauß.

Da Deutschland in den zweifelhaften Genuss der „atomaren Teilhabe“ kommen, also Atomwaffen im Auftrag des US-Militärs im Kriegsfalle ins Ziel tragen wollte, brauchte die Bundesluftwaffe ein Flugzeug, das nuklear bestückt werden konnte. Dafür und für weitere Aufgaben sollte der F-104G umgebaut werden. Im Grunde wurde ein neues Flugzeug konstruiert und wieder einmal schloss Strauß den Vertrag ab, bevor irgendwelche greifbaren Ergebnisse vorlagen.

Was dann in die Bewaffnung der Bundesluftwaffe eingeführt wurde, war risikoreicher Edelschrott. Nicht weniger als 269 Starfighter fielen vom Himmel, 108 Piloten verloren ihr Leben. Mutige Angehörige, die auf Nachforschungen bestanden, wurden immer wieder eingeschüchtert. Bewegung kam erst in die Sache, als die Ehefrau des CDU-Verteidigungsministers von Hassel sich den Hinterbliebenen anschloss, weil auch ihr Sohn Joachim im Starfighter ums Leben gekommen war. Bitter witzelten die Bundesbürger*innen in jenen Jahren: „Wie komme ich an meinen eigenen Starfighter? Kauf Dir einen Garten und warte ab!“

Dann 1966 der Donnerschlag im Spiegel: Den Kauf von Starfightern in anderen europäischen Ländern hatte Lockheed durch Bestechungsgeld an zahlreiche Politiker ermöglicht, die räumten dann schnell ihre Stühle. Beweise für Zahlungen an deutsche Politiker gab es damals nicht. Damit würde Deutschland dann aber die Ausnahme bilden.

Den Tod so vieler Piloten nutzte die Bundesregierung in den folgenden Jahren, um den Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie zu rechtfertigen. Die beste Antwort auf fehlerhafte Technik aus dem Ausland sei eben eigene.

In der Endkonsequenz entstand so auch der Eurofighter, der die Steuerzahler*innen pro Stück satte 130 Millionen Euro kostete. Insgesamt war der Eurofighter das teuerste Rüstungsprojekt der bundesdeutschen Geschichte – bisher. Doch gerade bei seiner Einführung glänzte auch dieses Tötungsgerät mit allerlei Mängeln.

Die Aufzählung der Skandale ließe sich beliebig fortsetzen. Mancher wirkt geradezu skuril. Die ersten U-Boote der Bundesmarine – millionenschwer – vertrugen leider kein Salzwasser.

Ein Rüstungsskandal der besonderen Art hingegen soll nicht fehlen. Auch wenn dieses Stück militärischer Ingenieurskunst vor allem dadurch besticht, dass es – anders als die vorangegangenen – nicht etwa schlecht oder nicht, sondern leider sehr gut funktioniert. Das seit mehr als einem halben Jahrhundert von Heckler & Koch produzierte G3-Sturmgewehr wurde bisher in alle Konflikt- und Kriegsregionen der Welt verkauft. Gegenüber dem Tagesspiegel stellte Jürgen Grässlin, Autor des „Schwarzbuchs Waffenhandel“ 2013 bereits fest, es gebe nur zwei Regionen, in denen das G3 nicht zum Einsatz komme, den ehemaligen Ostblock – dort wird mit Kalaschnikows geschossen – und die Antarktis. Nach seiner Rechnung sterben an diesem Gerät, an dem der deutsche Hersteller sehr gut verdient, jeden Tag 114 Menschen.

Aktuelle Rüstungsprojekte

Und nun soll kräftig weiter gebaut und geschossen werden, wenn es nach der Bundesregierung, der CDU/CSU und der AfD geht. Mit den europäischen Partnern will Scholz die nächste Generation von Kampfflugzeugen entwickeln. Gemeint sein dürfte eine Wiederbelebung des Projekts Future Combat Airystem (FCAS) mit Frankreich und Spanien. Allein die Entwicklungskosten werden auf 100 Milliarden Euro geschätzt. Milliardenschwer dürfte auch das deutsch-französische Kooperationsprojekt für einen neuen Panzer werden. Main Ground Combat System (MGCS) soll 2040 in die Truppe eingeführt werden. Die Entscheidungen legen Deutschland nicht auf Jahre, sondern auf Jahrzehnte fest. Wann im Angesicht dessen dann die Abrüstung kommen soll von der Nouripour gesprochen hat, dürfte ein Geheimnis bleiben. Beschlossen wurden diese Projekte übrigens alle lange von Scholz‘ Bekenntnis zum Turborüsten.

Doch auch für die nächsten Jahre haben es die deutschen Pläne in sich. Während 2020 – mitten in der Coronapandemie, als das Personal und die Betten noch knapper waren als ohnehin – 20 Kliniken und 2021 weitere neun dicht gemacht wurden, beschloss man für neun Milliarden den Kauf neuer Kampfflugzeuge. Nicht weniger als sechzig nagelneue Eurofighter sollen ältere des gleichen Typs ersetzen. Zudem entschloss man sich zum Kauf von 30 F/A-18 Super Hornet von Boeing. Nötig wurde dieser Kauf, weil Deutschland auch weiterhin Atombomben über Städten abwerfen können möchte, wenn dies irgendwann einmal irgendwem nötig erscheinen sollte.

Übrigens wird die Super Hornet nun wohl doch nicht beschafft werden. Die Bundesregierung gibt anscheinend doch der teureren F-35 Lightning II den Vorzug. Allein der Pilotenhelm dieses todbringenden, mit Atomwaffen bestückbaren Spielzeugs kostet so viel wie etwa 30 VW Golf oder in Zahlen ausgedrückt 737.000 US Dollar. Pro Jet dürften die Steuerzahler*innen in Deutschland gut 100 Millionen Dollar (92 Millionen Euro) rechnen müssen, womit der zu zahlende Stückpreis wenigstens sieben Millionen über dem der ursprünglich avisierten Super Hornet liegen dürfte. Genau sagen lässt sich das erst, wenn das Rüstungsprojekt konkrete Formen annimmt und die Konfigurationen des Flugzeugs detailliert festgelegt wurden.

Interessant bleibt hieran die Tatsache des Wechsels. Hatte man ursprünglich Flugzeuge der zweitgrößten US-Rüstungsschmiede im Sinn, kauft man nun beim größten Anbieter ein. Der Name? Lockheed-Martin, der Hersteller des F-104G Starfighters, der in den 1960er Jahren europaweit nicht vor Bestechung zurückschreckte, um seinen „Sargfighter“, wie er wegen der häufigen Abstürze damals genannt wurde, an den Kunden zu bringen. Und auch die technischen Probleme der F-35 sind beträchtlich.

Aber nicht nur das: Nässe- und Kälteschutz, eine bessere persönliche Ausrüstung für Soldat*innen, neue Munition, die Liste der Rüstungsprodukte ist lang. Derweil haben Schüler*innen aus einkommensschwachen Haushalten nach wie vor nur eingeschränkten Zugang zu Endgeräten oder zum Internet. Aber die Ausstattung der Schüler*innen mit entsprechender Technik ist selbstverständlich zu kostspielig. Und wieder: Ja, Rüstung ist Diebstahl!

Rüstungsindustrie verstaatlichen – Kapitalismus abschaffen

Was Rüstungsausgaben betrifft muss sich Deutschland – entgegen aller weinerlichen Darstellungen – nicht verstecken. Ganz im Gegenteil: Das Land, welches in der Rangfolge der Länder mit den meisten Einwohner*innen auf Platz 17 zu finden ist, steht bei Rüstungsausgaben auf Platz sieben noch vor Frankreich. Und nun sollen die Rüstungsausgaben noch einmal dramatisch gesteigert werden.

Wenn demnächst Pfleger*innen für mehr Personal in der Altenpflege und im Krankenhaus auf die Straßen gehen werden, werden sie dann mit dem Hinweis auf die angeblich nötigen Mittel für Rüstung vertröstet werden? Es steht zu befürchten.

Was könnte man mit dem Geld, das künftig durch Kanonen geht alles an Gutem tun? Würden die führenden zwanzig Industriestaaten nur ein Jahr auf Rüstung verzichten, würden acht Jahre lang alle Menschen von dem gesparten Geld satt werden können. Wenn nun weltweit aufgerüstet wird, wenn Australien ankündigt, die eigene Armee um ein Drittel zu vergrößern, dann werden diese Zahlen noch erdrückender werden. Die Herrschenden organisieren weltweit den „Diebstahl an denen, die hungern“, von dem Eisenhower gesprochen und an dem er zu seiner Zeit selbst teilhatte.

Daran wird sich nichts ändern, wenn wir das Schicksal nicht selbst in die Hand nehmen. Es wird sich nichts ändern, selbst wenn noch 100 weitere aus der Riege des Herrn Eisenhowers 200 weitere schöne Zitate formulieren. Sie alle legen lediglich bloß, dass die Herrschenden uns kein Leben in Sicherheit und Wohlstand für alle schenken werden, selbst wenn sie im Grunde wüssten, was zu tun wäre.

Die Rüstungsindustrie weltweit muss unter Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung verstaatlicht und ihre Produktion auf sinnvolle zivile Produktion umgestellt werden. Damit würde nicht nur kein Arbeitsplatz verloren gehen, es würden zahlreiche neue geschaffen werden, weit mehr als es die Rüstungsindustrie vermag.

Technisch ist das, was bei Rheinmetall in Deutschland oder Lockheed in den USA produziert wird, meistens atemberaubend modern. Man könnte dieses Wissen, diese Kenntnisse in den Dienst der Menschheit stellen, statt sie dazu zu benutzen, um Menschen zu töten. Die ungeheuren Mittel würden uns Forschung an sinnvollen Projekten erlauben, zum Klimaschutz, zur Heilung von Krankheiten und zum Kampf gegen Armut.

Möglich wird dies nur, wenn wir es lernen, gemeinsam und über Grenzen hinweg für unsere gemeinsamen Interessen einzutreten und uns zu organisieren, in kämpferischen und demokratischen Gewerkschaften und sozialistischen Organisationen: Die Herrschenden führen ihre Kriege und bringen uns die Toten und das Leid, sie rüsten ihre Armeen aus, mit denen sie dieses Elend über uns bringen. Wir müssen aufhören dafür zu bezahlen! Mehr Rüstung heißt nicht mehr Sicherheit – im Gegenteil. Obwohl die NATO über 5,5 Millionen Soldat*innen verfügt und Russland über 1,3 Millionen; obwohl die NATO 17 mal so viel Geld für Rüstung ausgibt wie Russland, hat Putin dennoch die Ukraine überfallen.

Es muss Schluss sein mit Rüstung und dafür gilt es sich zu organisieren: In Russland, in der Ukraine, in Deutschland, in den USA – überall. Möglich wird dies endgültig nur in einem System, in dem Mensch und Umwelt im Mittelpunkt stehen und nicht der Profit. Wollen wir Kriege verhindern, müssen wir den Kapitalismus abschaffen und ihn ersetzen durch eine sozialistische Demokratie, die es uns allen ermöglicht, demokratisch darüber zu entscheiden, was und wie produziert wird und wie wir den gesellschaftlich erwirtschafteten Reichtum zum Nutzen aller einsetzen.