Ob Berlin oder NRW – mehr Personal ins Krankenhaus!

Kolleg*innen aus den Uniklinika in Nordrhein-Westfalen wollen mehr Personal erkämpfen

Es sind erschütternde Schilderungen, die man von Kolleg*innen der Universitätskrankenhäuser in Nordrhein-Westfalen in einem Video der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hören kann. Gerd Küpper Krankentransporteur an der Uniklinik in Essen hält dort fest: „Wir arbeiten alle am Limit, wir arbeiten alle deutlich zu viel.“ Lisa Schlagheck von der Uniklinik in Münster sagt sogar: „Ich möchte so in diesem Beruf nicht mehr arbeiten.“

von Steve Hollasky, Dresden

Nun machen sich auch die Uniklinika im bevölkerungsreichsten Bundesland und das Dresdner Universitätsklinikum auf den Weg, um Tarifverträge zur Entlastung abzuschließen. 

Tarifverträge hart erkämpft

Dass der Personalmangel in der Pflege und in Krankenhäusern ein enormes Problem darstellt, ist kein Geheimnis. Im Oktober letzten Jahres malte das „Ärzteblatt“ mit seiner Ankündigung, 2030 würden etwa eine halbe Million Pflegekräfte in Deutschland fehlen, ein düsteres, aber leider reales Bild von den Auswirkungen kapitalistischer Mechanismen im Gesundheitswesen. Dass dieser Mangel hausgemacht ist, bewies schon 2018 die Pflegecomebackstudie. Deren Ergebnis stellte klar, dass 200.000 Beschäftigte in ihren Beruf in Krankenhaus und Pflege zurückkehren würden, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbessern würden.

Längst ist klar, dass viele Pflegekräfte nicht mehr warten wollen bis „die da oben“ ihnen ein paar kleine Verbesserungen schenken werden. Tausende organisieren sich gewerkschaftlich und in Bündnissen vor Ort, um gegen Privatisierungen, Marktmechanismen und für mehr Personal zu kämpfen. 

Bundesweit ist es in 16 Kliniken gelungen, Tarifverträge zur Entlastung zu erstreiken. Zuletzt gelang das in Berlin. 

Bundesweite Solidarität

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Kämpfe um mehr Personal in der Pflege ein hohes Maß an Solidarität erfahren und zugleich sehr hart geführt werden müssen. In dieser Form äußerte sich auch Anne Pötzsch gegenüber der „Solidärität“, sie hat als Intensivkrankenschwester an der Berliner Krankenhausbewegung teilgenommen und warnt vor harten Reaktionen der Arbeitgeberseite: „Einstweilige Verfügungen, Einschüchterungen und mediale Degradierung“, seien die Mittel gewesen, derer sich die Arbeitgeberseite im Kampf in Berlin bedient hätten. Den Beschäftigten in NRW und Dresden gibt sie mit auf den Weg: „Vertraut Euch und Eurer Stärke.“

Strategie diskutieren

Gerade das zu erwartende Vorgehen der Gegenseite macht es nötig eine gewerkschaftliche Strategie im Kampf um mehr Personal zu diskutieren: Wie soll der Kampf weiter gehen? Wie kann man ihn erfolgreich führen? Welche Forderungen werden aufgestellt? 

Schon jetzt ist absehbar, dass der Kampf in Dresden und in NRW hart werden wird. Es wird darauf ankommen, umfassende Solidarität aus allen DGB-Gewerkschaften für die Kolleg*innen zu organisieren. Das muss am besten sofort geschehen. Den Wunsch nach Entlastung haben zahlreiche Beschäftigte und deshalb wird ihre Sympathie für diesen Kampf enorm ein. 

Zum Anderen steht die Frage, wie man den Kampf um Entlastung überhaupt erfolgreich führen kann. Kämpfe in einzelnen Einrichtungen sind ein wichtiger Ausgangspunkt für eine Verbesserung in der gesamten Pflege, können aber naturgemäß nicht alle Beschäftigten einbeziehen. Es wäre nötig, einen bundesweiten Kampf für eine gesetzliche und verbindliche Personalbemessung nach realem Bedarf und für die Abschaffung der Fallpauschalen vorzubereiten.. 

Ein solcher könnte mit einer breiten Solidaritätskampagne und Mobilisierungen aller Gewerkschaften zu einer gesellschaftspolitischen Bewegung  für ein Gesundheitswesen nach Bedarf anstatt auf Profite ausgerichtet werden.

Kapitalismus

Das bedeutet auch, es muss ganz klar gesagt werden, dass der Kapitalismus das Problem auch in Gesundheit und Pflege ist. Die Einführung der Fallpauschalen hat zur Folge gehabt, dass Personal immer weiter ausgedünnt wurde, weil Pflegende im Krankenhaus zum bloßen Kostenfaktoren gemacht wurden. Auch in der Altenpflege wird kräftig am Personal gespart, um Profite zu erhöhen.

Einen Ausweg bietet lediglich eine Pflege und ein Gesundheitswesen in öffentlicher Hand unter demokratischer Kontrolle durch Beschäftigte, Gewerkschaften und Patient*innenvertretungen.  

Dieses Ziel kann man nur durch Kampf erreichen. Dafür muss man organisiert sein. Der Kampf um Tarifverträge zur Entlastung in NRW und auch in Dresden könnten ein bedeutender Schritt sein, um den Kapitalismus in der Pflege als solchen infrage zu stellen.

Steve Hollasky ist aktiv im “Bündnis für Pflege Dresden”

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