Bankenkrise eröffnet neue Phase kapitalistischen Niedergangs

Sozialistische Alternative dringender denn je

Die globale und vielschichtige Krise des Kapitalismus ist mit den Turbulenzen auf den Finanzmärkten und dem Zusammenbruch der Banken in den USA und der Credit Suisse in der Schweiz in eine neue Phase getreten.

Von Tony Saunois, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI)

Es ist wahrscheinlich, dass viele Merkmale der aktuellen Systemkrise nun beschleunigen werden. Die Möglichkeit einer globalen wirtschaftlichen Rezession in den Jahren 2023/24 ist jetzt sehr wahrscheinlich, wenn auch noch nicht sicher. Die Arbeiter*innenklasse und Marxist*innen müssen sich auf dramatische wirtschaftliche, soziale und politische Folgen einstellen, die sich daraus ergeben. Vor allem eine noch schärfere Form der klassenmäßigen und politischen Polarisierung und mehr soziale Umwälzungen als bisher sind kurzfristig ernsthafte Aussichten.
Die herrschenden Klassen fürchten sich vor der Aussicht, dass sich die Bankenkrise in den USA und der Schweiz ausbreitet und einen großen globalen Finanzzusammenbruch auslöst, wie er 2007/8 stattfand und zur “Großen Rezession” führte. Es ist nicht sicher, dass sich die derzeitige Krise kurzfristig ausbreitet oder sich zu einer langwierigen Serie von Krisen im Finanzsystem ausweitet. Doch wie der bürgerliche politische Ökonom Nouriel Roubini argumentierte, ist die aktuelle Bankenkrise der “Beginn des Blutbades”.

Wenn es sich eher um ein Zugunglück in Zeitlupe handelt, werden die herrschenden Klassen wie Jäger sein, die Maulwürfe im Garten erlegen – wenn einer erlegt ist, taucht ein anderer auf! Die Krise 2007/8 entwickelte sich, wie viele andere Finanz- und Wirtschaftskrisen, nicht in einem einzigen Akt. Der Rezession von 2008 gingen eine Reihe von Krisen und finanziellen Implosionen im Februar, September und Oktober 2007 voraus. Sicher ist jedoch, dass sich das globale Finanzsystem, wie der Kapitalismus insgesamt, in einer Systemkrise befindet. Was sich in den letzten Wochen ereignet hat, “sollte nicht passieren”, so einige bürgerliche Kommentator*innen, die hofften, dass die nach 2007/8 ergriffenen Maßnahmen solche Ereignisse verhindern würden.
Jede Krise des Kapitalismus hat ihre eigenen Merkmale, und das ist auch bei dieser Krise nicht anders. Die grundlegenden Probleme, mit denen der Kapitalismus nach 2007/8 konfrontiert war, sind nicht gelöst worden und explodieren nun in Turbulenzen und Verwerfungen. Der Auslöser der aktuellen Finanzturbulenzen ist nicht derselbe wie in den Jahren 2007/8. Damals waren es in erster Linie massive zweifelhafte Kredite und Spekulationsblasen, die sich in der Subprime-Hypothekenkatastrophe widerspiegelten. Dahinter stand eine sich entwickelnde systemische Krise. Die jüngsten Ereignisse wurden durch andere Faktoren und in einer völlig anderen Weltlage ausgelöst, mit zunehmenden geopolitischen Konflikten, dem Anstieg der Inflation und der Erhöhung der Zinssätze, dem Ende der Ära des “billigen Geldes” und anderen Faktoren. Das fehlende Vertrauen in die gesamtwirtschaftliche Situation, der Mangel an Investitionen, die Unsicherheit über die geopolitische Lage, Probleme in der Lieferkette und andere Faktoren verschärfen die Krise.


Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB), der Signature und der Silvergate-Banken in den USA, gefolgt von der Krise der First Republic und dem Zusammenbruch der Credit Suisse, ist darauf zurückzuführen, dass die Banken mit einem Ansturm konfrontiert waren, da die Anleger ihre Gelder abzogen und die Aktienkurse fielen. Obwohl dieser Run auf die Banken über Computerbildschirme erfolgte, handelte es sich um einen klassischen Ansturm auf die Banken. Einigen Kommentator*innen zufolge war dieser Ansturm der größte und schnellste aller Zeiten. Bei der Credit Suisse wurden im Vorfeld des Zusammenbruchs zehn Milliarden Euro pro Tag abgezogen. Am 7. März, wenige Tage vor dem Zusammenbruch der SVB, zogen die Einleger 42 Milliarden US-Dollar ab. Dies ist auch auf die Auswirkungen der veränderten Politik der Federal Reserve, der Europäischen Zentralbank (EZB) und anderer Zentralbanken zurückzuführen, die vor zwölf Monaten begannen, die Zinskosten zu erhöhen. Die Folgen dieses Politikwechsels – ein Versuch, die Inflation zu bekämpfen – sind nun im gesamten Bankensystem zu spüren.


Zusammenbruch der SVB

Der Zusammenbruch der SVB und anderer Banken wurde weitgehend durch das Ende der Ära des billigen Geldes ausgelöst. In der Ära des billigen Geldes investierten die Banken, darunter auch die SVB, große Vermögenswerte in langfristige Staatsanleihen, die bei niedrigen Zinsen als sichere Anlage galten. Als die Zinssätze angehoben wurden, verloren die Anleihen an Wert, und die Banken waren einer unzureichenden Liquidität ausgesetzt. Zwar hat jede Bank ihre eigenen Probleme, aber dieses Engagement vor dem Hintergrund höherer Zinssätze bedroht nun auch andere Banken. Die Signature Bank wurde auch durch ihre Investitionen in unselige Kryptowährungen in Mitleidenschaft gezogen, was die destabilisierenden Auswirkungen des “Schattenfinanzsystems” (das mehr als nur die Kryptowährungen umfasst) widerspiegelt.
Die Einlagen der SVB stiegen von 62 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 auf 189 Milliarden US-Dollar Ende 2021. Ihre Investition in Staatsanleihen war im Wesentlichen eine 100-Milliarden-US-Dollar-Einwegwette auf niedrige Zinsen, die verloren war, sobald die Zinsen stiegen. Als die Zinssätze stiegen, verloren sie ihren Wert. Das derzeitige Finanzsystem arbeitet seit langem mit niedrigen Zinssätzen. Die SVB hatte spezifische Probleme, doch das Problem, mit dem sie konfrontiert war, ist ein allgemeines Problem des gesamten Finanzsystems. Nach den Zinserhöhungen zogen die Einleger ihr Geld ab, und die Anleihen wurden verkauft, was zu hohen Verlusten und einem Mangel an Liquidität führte.
Die herrschenden Klassen, die zum Teil aus der Krise von 2007 gelernt hatten, reagierten schnell und schritten ein, um zu verhindern, dass sich eine Ansteckung ausbreitet und einen Zusammenbruch des Bankensystems auslöst. Die US-Notenbank und Präsident Biden griffen auf eine Form der quantitativen Lockerung (QE) durch die Hintertür zurück, um für die Banken in den USA zu bürgen und sie zu retten. Die Bankenkrise in den USA hat bisher nur kleinere oder mittlere Banken betroffen. Kleinere und mittlere Banken sind in den USA im Allgemeinen viel zahlreicher und bedeutender als in Europa. Ein zusätzlicher Faktor bei der SVB war ihre Bedeutung für den Technologiesektor. Nach eigenen Angaben der SVB sind 25 Prozent der Tech-Startups mit ihr verbunden. Dies ist ein entscheidender Bereich der US-Wirtschaft, nicht zuletzt wegen des Wettbewerbs mit China.
Doch das ursprüngliche Darlehen – oder Rettungspaket – war nicht ausreichend, wie sich im Laufe der Krise immer wieder gezeigt hat. Die erste Finanzspritze für SVB, Signature, First Republic und Credit Suisse reichte nicht aus. In jedem Fall wurde mehr und mehr Geld in das System gepumpt. Die US-Banken liehen sich in Panik 164,8 Mrd. US-Dollar aus dem Backstop der Federal Reserve. In der Vorwoche waren es noch 4,58 Milliarden US-Dollar. Die herrschende Klasse war bereit, massive Mittel zur Rettung dieser Banken aufzuwenden. Morgan Stanley schätzt, dass in den USA Mitte März 2023 etwa fünfzig Prozent der Mittel, die 2007 zur Stützung der Banken bereitgestellt wurden, abgerufen worden sind. Die Kapitalistenklasse versucht verzweifelt, einen Zusammenbruch zu verhindern. In Wirklichkeit haben sie bestenfalls Zeit gekauft, und weitere Bankenzusammenbrüche sind in der kommenden Zeit so gut wie sicher.
Der Zusammenbruch der Credit Suisse ist eine wichtige internationale Entwicklung. Dies war keine unbedeutende Bank. Das 167 Jahre alte Institut war eine der “1-Billionen-USD-Banken” und ein wichtiger Pfeiler des globalen Finanzsystems. Sie war in einen Skandal nach dem anderen verwickelt, von Mosambik bis Russland, und strebte nach immer höheren Renditen. Offensichtlich hat die SVB die Maxime des Herzogs von Wellington vergessen: “Hohe Zinsen sind ein anderer Name für schlechte Sicherheit”. Die Abhebungen der Einleger verwandelten sich von einem Rinnsal in eine Flut, als die SVB implodierte.


Ein auffälliges Merkmal der Bankenkrise war die Brutalität, mit der die Schweizer Regierung die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS durchsetzte – bis hin zur Aufhebung der eigenen früheren Vorschriften. Die anfängliche Rettungsaktion in Form eines Notkredits in Höhe von 54 Milliarden US-Dollar reichte nicht aus, um die Fäulnis zu stoppen. Die Verweise der Kommentatoren auf die “Fusion” der beiden Banken sind eine Farce. Die Credit Suisse ist zusammengebrochen und gibt es nicht mehr! Dies deutet auf eine weitere Tendenz hin, die sich mit dem Zusammenbruch weiterer Banken noch verstärken könnte – eine noch stärkere Monopolisierung des Bankensystems in einigen Ländern. Das riesige Konglomerat, das durch die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS entstanden ist, entspricht 220 % des BIP der Schweiz. Ein weiterer Bailout im Falle eines Scheiterns wäre sehr problematisch!
Die Scheu der Vertreter*innen der Bourgeoisie zu sagen, was ist, spiegelt ihre Angst vor den Konsequenzen wider. Eine totale Übernahme wird in der Sprache der Banken und Regierungen zu einer “Fusion”! In den USA suchen Biden und Kommentator*innen nach einem anderen Begriff als “Bailout” (Rettungspaket), weil es mit dem Geld, das 2007/8 in das zusammenbrechende Bankensystem geflossen ist, und der äußerst unpopulären Sparpolitik in Verbindung gebracht wird. Dies und das, was darauf folgte, hat zu Donald Trump und Bernie Sanders geführt.


Bankensystem “gesund”?

Die Beteuerung von US-Finanzministerin Janet Yellen, das US-Bankensystem sei “solide”, täuscht über die tatsächliche Situation und die bestehende Anfälligkeit hinweg. Das US-Bankensystem weist 620 Milliardeb US-Dollar an nicht realisierten Verlusten auf, was 28 Prozent des Eigenkapitals der Banken entspricht. Bei kleineren Banken liegt der Anteil sogar bei fünfzig Prozent. Insgesamt ist der Marktwert der Vermögenswerte des US-Bankensystems um zwei Billionen US-Dollar niedriger als der Buchwert der Vermögenswerte vermuten lässt. Sollte die Hälfte der nicht versicherten Einleger beschließen, ihr Geld abzuziehen, sind fast 200 Banken gefährdet.
Im Hinblick auf Europa ist anzumerken, dass die Kapital- und Liquiditätsquoten der Credit Suisse im Jahr 2022 nur geringfügig unter dem europäischen Durchschnitt lagen. Sobald das Vertrauen schwindet, bedeutet das wenig. Die Banken der Eurozone erwirtschaften nicht genug Gewinn, um die Kapitalkosten zu decken. Der Wert für die Aktionär*innen wird effektiv vernichtet. Darüber hinaus werden steigende Zinssätze, die die EZB jetzt aufgrund der Inflation in einem noch nie dagewesenen Tempo erhöht hat, mit Sicherheit die riesigen Bestände der Banken an Staatsanleihen, Hypotheken und anderen Schulden treffen.
Der US-Imperialismus verfügt über enorme Ressourcen, um einzugreifen und die Banken zu stützen, sollte die Krise auf andere Banken übergreifen. Sollte die EU mit einer größeren Bankenkrise konfrontiert werden, wird es ihr noch schwerer fallen, die Krise einzudämmen. Dies liegt zum einen an den Ressourcen der EZB und zum anderen an der Aussicht, dass es zu nationalen Spaltungen und Konflikten zwischen den Regierungen der Eurozone kommen könnte, die alle über unterschiedliche Volkswirtschaften und Bankensysteme verfügen. Obwohl diese Krise in den USA begann, ist es möglich, dass sie auf Europa übergreift, das im Falle einer Ansteckung noch härter getroffen werden könnte.
Der Kapitalismus steht nun vor einem unüberwindbaren Dilemma. Sollen sie die Zinsen senken, um die sich entwickelnde Finanzkrise abzuwenden und einzudämmen, oder sollen sie höhere Zinsen beibehalten, um die Inflation zu bekämpfen? Sie können nicht beides tun. Sie sind verdammt, wenn sie es tun und verdammt, wenn sie es nicht tun! Was auch immer sie tun, es wird die grundlegenden Probleme in der Wirtschaft, einschließlich der inflationären Merkmale, nicht lösen. Die Vorstellung, dass die Anpassung der Zinssätze allein irgendwie auf magische Weise die inflationären und anderen Probleme lösen wird, ist falsch. Sollten sie versuchen, die Inflation aus dem System herauszupressen, wird eine brutale Rezession nötig sein; ein Vorgehen, zu dem einige der Kapitalist*innenklasse bereit sind. Der Anstieg der Zinssätze kann auch viele der so genannten “Zombie-Unternehmen” auslöschen.
Keine der ergriffenen Maßnahmen hat dazu beigetragen, das Vertrauen der Bourgeoisie zu stärken, wie sie gehofft hatte. Die massive Hortung (von Geld, A.d.Ü.), die vor dem Ansturm auf die Banken begonnen hatte, geht weiter, anstatt zu investieren. Die derzeitige Krise im Bankensektor wird diese Tendenz eher noch verstärken. Die aus der Bankenkrise resultierende Kredit- und Liquiditätsknappheit kann den Rezessionsdruck noch verstärken.
Die EZB hat sich angesichts eines Inflationsschubes für eine Zinserhöhung um 0,5 Prozent entschieden. Dies geschah jedoch, bevor sich die Bankenkrise voll entwickelt hatte. Jay Powell, der seit 2018 den Vorsitz der Federal Reserve innehat, sprach sich vor Beginn der Bankenturbulenzen nachdrücklich für eine Anhebung der Zinssätze aus. Diese Entscheidungen würden die Wirtschaft in eine Rezession und möglicherweise in eine tiefe Rezession oder Depression treiben (ein Kurs, von dem die Fed wusste, dass er eintreten könnte, den sie aber für notwendig hielt, um die Hydra der Inflation zu bändigen). Nun haben Powell und die Fed die Zinssätze um 0,25 % erhöht. Sowohl Powell als auch Christine Lagarde, seit 2019 Präsidentin der Europäischen Zentralbank, haben nun deutlich gemacht, dass sie die Zinsen weiter anheben werden, sollte die Inflation nicht gebändigt werden, ungeachtet der Konsequenzen, die dies haben könnte. Der Anstieg der Zinssätze ist angesichts der explosionsartigen Zunahme der weltweiten Verschuldung, sowohl der öffentlichen als auch der privaten, von entscheidender Bedeutung. Zahlungsausfälle von Ländern, Institutionen oder Einzelpersonen werden sich auf die Finanzkrise auswirken. Dies gilt für den industrialisierten Westen, aber vor allem für Asien, Afrika und Lateinamerika.

Jetzt findet ein heftiger Kampf zwischen verschiedenen Flügeln der herrschenden Klasse darüber statt, was sie tun sollen. Es ist möglich, dass sie die Zinserhöhungen für eine gewisse Zeit in der Zukunft aussetzen werden. Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass es sofort zu einer Zinssenkung kommen wird. Innerhalb weniger Tage wurde das “QE durch die Hintertür” ausgeweitet, und die von der Fed diskutierten höheren Zinserhöhungen wurden vorerst zurückgeschraubt. Die Ereignisse haben sie gezwungen, ihre Politik zu ändern. Angesichts der sich abzeichnenden Turbulenzen wird die herrschende Klasse in der kommenden Zeit wahrscheinlich von einer Politik zur anderen schwanken und taumeln. Das Aussetzen der Zinserhöhungen, die anschließende Anhebung und möglicherweise die spätere Senkung der Zinssätze usw. sind ein verzweifelter Versuch, die zahlreichen Krisen, die sich abzeichnen, in den Griff zu bekommen.
Abgesehen von der bereits erfolgten massiven Zunahme staatlicher Interventionen, die oft unter “falscher Flagge” versteckt wurden, um die Bankenkrise abzuwenden, sind weitere Maßnahmen denkbar. Versuche, die Banken zu regulieren, sind möglich, insbesondere in den USA, nachdem der ehemalige Präsident Trump die nach 2007/8 eingeführten Maßnahmen abgeschwächt hatte. Die systemische Krise des Finanzsystems lässt sich jedoch nicht allein auf die Frage der Regulierung reduzieren, auch wenn diese einen vorübergehenden Effekt haben kann. Der Wechsel von “billigem Geld” zu höheren Zinsen ist ein entscheidender Faktor, der in einer Zeit steigender Inflation nicht einfach überwunden werden kann.
Staatliche Regulierung?
Die Aussicht auf eine stärkere staatliche Regulierung wird jedoch angesichts der unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Ländern nicht einheitlich sein. Im Vereinigten Königreich beispielsweise wurde vor der aktuellen Krise eine geringere Regulierung angestrebt. Dies ergibt sich aus der veränderten Situation, in der sich der Finanzsektor im Vereinigten Königreich nun befindet, insbesondere im europäischen Kontext. Das Gleichgewicht hat sich von London weg in die Niederlande, nach Frankfurt und anderswohin verlagert. Die Tory-Regierung und Premierminister Sunak, die das Finanzkapital vertreten und direkt mit ihm verbunden sind, könnten in dem Versuch, das Finanzkapital wieder anzuziehen, noch weniger staatliche Regulierung anstreben, aber das ist nicht sicher.
Der globale Kapitalismus sieht sich mit einer Reihe von miteinander verknüpften Krisen konfrontiert, sowohl in wirtschaftlicher als auch in politischer Hinsicht. Diese Entwicklungen können nicht von den aktuellen geopolitischen Konflikten getrennt werden, die sich auf die unmittelbaren wirtschaftlichen Aussichten des Kapitalismus auswirken können und werden. Die Bedrohung durch eine sich rasch entwickelnde Bankenkrise in den USA veranlasste den US-Imperialismus, Japan, Kanada, Großbritannien und die EZB zu koordinierten Maßnahmen. Diese zielten darauf ab, dass täglich Währungs-Swaps stattfinden, um sicherzustellen, dass die Banken über die für ihre Tätigkeit erforderlichen Dollars verfügen. Ein wichtiger Trend in der kommenden Zeit könnte eine Abschwächung des US-Dollars sein. Diese Entwicklung zeichnet sich bereits ab, da die Anleger in “sichere Häfen” wie Gold und andere Edelmetalle umsteigen. Einigen Schätzungen zufolge bewegt sich der Goldpreis in Richtung 3000 US-Dollar pro Unze. Es gibt eine Bewegung weg vom Dollar, die von China und Russland angeführt wird, aber auch in Lateinamerika, Asien und Afrika zu beobachten ist.
Nach 2007/8 konnte der Weltkapitalismus vom Wachstum und der Entwicklung der chinesischen Wirtschaft profitieren, die durch die Beziehungen zu den USA gestützt wurde. Dieser “Fluchtweg” ist heute nicht mehr vorhanden. China ist mit einer wirtschaftlichen und sozialen Krise im eigenen Land konfrontiert, was bedeutet, dass das Land nicht mehr die gleiche Rolle spielen kann wie in der Zeit nach 2007/8 und davor. Das vom Regime angekündigte reduzierte Wachstumsziel von fünf Prozent verdeutlicht dies. China wird auch durch das Einfuhrverbot wichtiger Mikrochips aus den USA getroffen, die für die Entwicklung der Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sind. Die Vorherrschaft Taiwans bei der Produktion fortschrittlicher Mikrochips ist entscheidend für die künftige Entwicklung der Weltwirtschaft und auch der geopolitischen Beziehungen.
Die chinesischen Banken, die weitgehend vom Staat gelenkt werden und in gewissem Maße von den westlichen Finanzmärkten abgeschottet sind, werden von der derzeitigen Bankenkrise vielleicht nicht direkt oder dramatisch betroffen sein. Die enormen Schulden, die sie in Asien, Afrika und Lateinamerika haben, bedeuten jedoch, dass sie in einem bestimmten Stadium von den Auswirkungen anderer globaler Entwicklungen betroffen sein werden. Angesichts der Krise in China sind die internationalen Megaprojekte des Neue Seidenstraße-Projekts weitgehend auf Eis gelegt worden.
Der Kapitalismus ist auch mit einer Reihe anderer, miteinander verbundener Probleme in der Wirtschaft konfrontiert. Es gibt ein großes Problem mit den Versorgungsketten. Diese und andere Faktoren schüren den Inflationsdruck in einer Weise, wie es in den 1970er Jahren nicht der Fall war. Das Problem der Versorgungsketten wird sich wahrscheinlich noch verschärfen, wenn der Trend zu regionalen Blöcken zunimmt und die Hyperglobalisierung endet – Faktoren, die in den 1990er Jahren vorherrschend waren. Die derzeit stattfindende Umstrukturierung der Lieferketten im Rahmen des “Nearshoring” (Rückholung von Produktion in Marktnähe, A.d.Ü.) spiegelt dies wider.
Neben all diesen Entwicklungen werden sich die Folgen des Krieges in der Ukraine und anderer möglicher militärischer Auseinandersetzungen, wie sie im Nahen Osten möglich sind, auf die Weltwirtschaftslage auswirken und drohen, die Aussicht auf eine Rezession im Jahr 2023 oder 2024 zu erhöhen. Die herrschenden Klassen können vielleicht einige empirische Maßnahmen ergreifen, um die Situation eine Zeit lang zu “entschärfen”. Doch der Weg geht ihnen aus. Angesichts der Widersprüche im System ist eine Rezession oder tiefe Depression irgendwann unvermeidlich.
Dramatische Veränderungen
Die Arbeiter*innenklasse und Marxist*innen müssen sich auf dramatische Veränderungen einstellen, die sich aus diesen Prozessen ergeben können. Sie werden zu einer massiven Polarisierung und Konfliktverschärfung führen. Bittere Klassenkämpfe brechen bereits aus, was sich in den verschärften Klassenkämpfen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und anderswo widerspiegelt. Die Rezession von 2008 führte schließlich zur Massenbewegung um Bernie Sanders in den USA, Jeremy Corbyn in Großbritannien und zu Massenrevolten und Umwälzungen in Asien, Afrika und Lateinamerika. Sie führte auch zur Wahl von Trump in den USA, Bolsonaro in Brasilien und anderen reaktionären Regimen.
Die Rechtspopulist*innen werden versuchen, aus der aktuellen Bankenkrise Kapital zu schlagen und die “Rettungsaktionen” der Banker anzugreifen. Teile der Republikanischen Partei in den USA haben bereits gegen die Rettungsaktion für die “reichen Techies” gewettert, deren Gelder in die SVB geflossen sind. Die Angst vor weiteren Bankenzusammenbrüchen kann sehr mächtig sein, vor allem in Ländern, in denen das Trauma, was dies in der Vergangenheit bedeutete, Teil des Massenbewusstseins ist. Die Rechtspopulisten können sich dies zunutze machen, wie wir in der Schweiz zu sehen bekommen haben. Der Beginn einer Rezession birgt die Gefahr, dass die Rechtsextremen die Finanzkrise, die Einwanderung und andere Themen nutzen, um ihre Unterstützung zu stärken. Eine tiefe Rezession kann auch Teile der Arbeiter*innenklasse “betäuben”, wenn die Arbeitslosigkeit in die Höhe schießt, zusammen mit anderen Angriffen auf den Lebensstandard. Sie kann auch zu einer entscheidenden politischen Radikalisierung und Polarisierung führen.
Auf dieses Szenario einer sich verschärfenden kapitalistischen Krise müssen sich Sozialist*innenen und die Arbeiter*innenklasse vorbereiten. Wie das CWI erklärt hat, haben die Schwäche und der ideologische Zusammenbruch der Linken in der letzten Zeit und ihr Versagen, eine Alternative zum Kapitalismus vorzuschlagen, ein politisches Vakuum hinterlassen. Der Aufbau von Arbeitermassenparteien mit einem sozialistischen Alternativprogramm zum Kapitalismus, das einen Ausweg aus den Widersprüchen und Dilemmata des Profitsystems bietet, stellt sich angesichts der sich entfaltenden Krise umso dringlicher. Die Forderung nach Verstaatlichung des Bankensystems unter demokratischer Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung als Alternative zu kapitalistischen Rettungsaktionen ist eine zentrale Forderung. Ein Kampf zur Bekämpfung der verheerenden Inflation durch die Einführung eines existenzsichernden Lohns, der an die Inflation und die Preissteigerungen angepasst wird, ist unerlässlich. Ausschüsse von Arbeiter*innen, Verbraucher*innen und Gewerkschafter*innen, die in jedem Land die reale Inflationsrate bestimmen, sind eine Forderung, für die es zu kämpfen gilt. Wir können den von kapitalistischen Ökonom*innen und Politiker*innen festgesetzten Inflationszahlen nicht trauen. Diese Politik, zusammen mit einem sozialistischen Sofortprogramm, das mit dem Kapitalismus bricht und einen demokratischen sozialistischen Plan einführt, ist der einzige Weg aus der Sackgasse, in der sich der Kapitalismus befindet.

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