Eine Antwort auf Putins Hetze gegen Lenin
Bevor Russland die “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” anerkannte und in die Ukraine einmarschierte, hielt der russische Präsident Wladimir Putin eine Fernsehansprache, in der er die ukrainische Regierung und die ukrainischen Oligarchen als Werkzeuge des Westens angriff. Weiter beschuldigte er den sozialistischen Revolutionsführer Wladimir Lenin, die Ukraine unnötigerweise “geschaffen” zu haben.
Von Niall Mulholland, Internationales Sekretariat des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI)
Nach der sozialistischen Revolution von 1917 sei es das Hauptziel der Bolschewiki gewesen, “um jeden Preis an der Macht zu bleiben, um jeden Preis. Sie taten alles zu diesem Zweck”, einschließlich der Erfüllung “aller Forderungen und Wünsche der Nationalisten im Lande… Die Sowjetukraine ist das Ergebnis der Politik der Bolschewiki und kann mit Recht als ‘Wladimir Lenins Ukraine’ bezeichnet werden. Er war ihr Schöpfer und Architekt.”
Laut Putin führten Lenins künstliche Gründung der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik und der anschließende Zusammenbruch der UdSSR im Jahr 1991 zu dem “historischen Fehler”, dass die Ukraine ein unabhängiger Staat wurde.
Putins Schmähungen gegen Lenin und die Bolschewiki, die die Oktoberrevolution und die Existenz der Sowjetunion als Staatenbund anprangern, sind durch und durch reaktionär. Seine Ansichten spiegeln die Ansichten eines Großteils der oligarchischen kapitalistischen Führungselite in Moskau wider. Putins Tiraden erinnern an die unterdrückerische zaristische Herrschaft und die Verweigerung nationaler Rechte sowie an den Stalinismus, der einige der schlimmsten Züge des “großrussischen” Chauvinismus wieder aufleben ließ.
Die “nationale Frage” ist eines der schwierigsten und komplexesten Themen, mit denen Sozialist*innenen und die Arbeiter*innenbewegung heute konfrontiert sind. Da der Kapitalismus in eine neue Phase der sich vertiefenden Krise eintritt, werden sich nationale Spannungen und nationale Unterdrückung verschärfen. Konflikte und Kriege können ausbrechen, wie wir in der Ukraine sehen, wo die Rechte der Nationen und die nationale Souveränität sowie das Selbstbestimmungsrecht der unterdrückten Nationalitäten von allen Seiten beschworen werden.
Um diese Prozesse zu analysieren und ein Programm für die Arbeiter*innenbewegung zur nationalen Frage zu formulieren, müssen wir uns zunächst mit den Ideen und dem Programm der großen marxistischen Denker*innen zu dieser Frage befassen, nicht zuletzt mit Lenin. “Was auch immer das weitere Schicksal der Sowjetunion sein mag”, schrieb Lenins Mitstreiter während der Oktoberrevolution 1917, Leo Trotzki, 1930, “die nationale Politik Lenins wird ihren Platz unter den Schätzen der Menschheit finden.”
Lenin über das Selbstbestimmungsrecht
Lenin vertrat die Ansicht, dass die Ablehnung des Selbstbestimmungsrechts unter der Herrschaft des Zaren eine Unterstützung der russischen Großgrundbesitzer und Kapitalisten bedeute. Eine neue sozialistische Welt könne nicht aufgebaut werden, wenn die nationale Unterdrückung der 57 Prozent Nicht-Großruss*innen, die im Zarenreich die Mehrheit bildeten, auch nur im Geringsten vorkomme.
Lenin vertrat die Ansicht, dass das Vertrauen der unterdrückten Nationalitäten nur durch das Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht gewonnen werden könne. Befreite Nationen könnten dann nach dem Sturz des Zarismus, des Großgrundbesitzertums und des Kapitalismus freiwillig in einer sozialistischen Föderation bleiben.
Dieses prinzipielle Programm überwand nationalen Chauvinismus und Spaltungen. Es ermöglichte es den Bolschewiki, die größtmögliche Einheit der Arbeiter*innenklasse zu erreichen, und war für den revolutionären Sieg im Oktober 1917 unerlässlich.
Lenins prinzipielle Position zum Recht der Nationen, sich abzuspalten, wenn sie dies wünschten, wurde im Falle Finnlands verwirklicht, wo der Wunsch des finnischen Volkes nach Unabhängigkeit von der bolschewistischen Regierung im Dezember 1918 erfüllt wurde.
Die Situation, mit der die Bolschewiki in der Ukraine nach der Oktoberrevolution konfrontiert waren, war komplizierter. Das Zarenreich war, wie Lenin es ausdrückte, “das Gefängnis der Nationen”. Das zaristische Russland errichtete ein Imperium, das aus Gebieten bestand, die von Russ*innen und vielen anderen Gruppen bewohnt waren.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts war im Zuge der Entwicklung des modernen kapitalistischen Nationalstaates in Europa und anderswo bei diesen Gruppen in unterschiedlichem Maße ein Nationalbewusstsein erwacht. Der großrussische Chauvinismus der zaristischen Herrschaft neigte dazu, Ukrainer*innen und Weißruss*innen ebenfalls als Russ*innen zu betrachten, da sie ebenfalls slawisch waren, ähnliche Sprachen wie das Russische sprachen und überwiegend orthodoxe Christ*innen waren. Das Zarenreich bezeichnete die Ukrainer*innen als “Kleinruss*innen”. Die heutige Westukraine war Teil der damaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, in der viele ihrer Bewohner*innen katholisch waren und sind und als “Ruthen*innen” bezeichnet wurden. Viele Ukrainer*innen sahen sich jedoch als eigenständige, unabhängige Nation.
Die Unterstützung der Bolschewiki in der Ukraine nach 1917 war kompliziert, da der Großteil der ukrainischen Bevölkerung in ländlichen Gebieten lebte. Andere nationale und ethnische Gruppen, wie Russ*innen, Jüdinnen und Juden und Pol*innen, lebten eher in Städten. Die nach der Februarrevolution 1917 gebildete “Rada” (“Ukrainische provisorische Regierung”) wurde von Kräften dominiert, die dem sozialistischen Programm der Bolschewiki feindlich gegenüberstanden, und erhob den Anspruch, das Sprachrohr der ukrainischen Nation zu sein.
Nach der Machtübernahme der Bolschewiki in der sozialistischen Oktoberrevolution brach ein Bürgerkrieg aus, als die zaristischen weißen Armeen, unterstützt von den kapitalistischen Westmächten, versuchten, den jungen Arbeiter*innenstaat zu zerschlagen. Die konterrevolutionären Kräfte fanden eine gewisse Unterstützung unter den kleinbürgerlichen Schichten in der Ukraine, indem sie die nationale Frage ausnutzten.
Angesichts dieser Situation hielt Lenin es für umso wichtiger, dass der junge Arbeiter*innenstaat ein sensibles Vorgehen wählte: “Nur die ukrainischen Arbeiter und Bauern selbst können und werden auf ihrem gesamtukrainischen Sowjetkongress entscheiden, ob die Ukraine mit Russland verschmolzen werden soll oder ob sie eine eigenständige und unabhängige Republik bleiben soll, und in letzterem Fall, welche föderalen Beziehungen zwischen dieser Republik und Russland hergestellt werden sollen.”
Von 1917 bis 1921 wurde die Ukraine von verschiedenen Mächten überrannt, unter anderem von der polnischen und der deutschen Armee (die Rada bemühte sich um die Gunst der deutschen Besatzungsmacht, die sie auflöste), bis die Bolschewiki die Kontrolle über das Land gewannen. Im Jahr 1922 wurde die Sowjetukraine zu einer der Gründungsrepubliken der Sowjetunion. In den 1920er Jahren förderte der Sowjetstaat die ukrainische Bildung, Kultur und Sprache.
Bei der Ausarbeitung einer föderalen Struktur für die neue Sowjetunion verlangten die Bolschewiki große Sensibilität gegenüber den Nationalitäten. Lenin und Trotzki kritisierten Stalins ursprünglichen Verfassungsentwurf für den jungen Arbeiter*innenstaat scharf, der vorsah, dass die kaukasischen Republiken sich Sowjetrussland anschließen mussten. Damit wurde eine echte Gleichberechtigung aller Nationalitäten in der Sowjetunion, einschließlich des Rechts auf Trennung, das in der Verfassung der frühen Sowjetunion verankert war, vernachlässigt.
Gleichheit zwischen den Nationen und ethnischen Gruppen
Am Vorabend des zwölften Kongresses der Kommunistischen Partei, der 1923 stattfand, schlug Stalin auch eine Dreiteilung der Nationen der Sowjetunion auf der Grundlage ihrer wirtschaftlichen Entwicklung vor. Auch hier wurden die Grundsätze der Gleichheit der Nationen und ethnischen Gruppen mit Füßen getreten.
Stalin wurde mit diesen Positionen von Lenin und Trotzki zurückgewiesen, die für eine Föderation gleichberechtigter Republiken plädierten, von denen jede das Recht hatte, sich abzuspalten. Diese Politik wird heute von Putin vehement abgelehnt. Als jedoch die stalinistische Degeneration der Sowjetunion aufgrund der Isolation und der wirtschaftlichen Unterentwicklung des jungen Arbeiter*innenstaates einsetzte, machten der bürokratische großrussische Chauvinismus und die Überzentralisierung den sensiblen und prinzipienfesten Ansatz Lenins zunichte. So wurde beispielsweise Lenins Forderung nach einer rotierenden Präsidentschaft der Sowjetunion, an der Persönlichkeiten mit russischem, ukrainischem und kaukasischem Hintergrund beteiligt sein sollten, ignoriert, und ein Russe (Michail Kalinin) übernahm das Amt.
Nach Lenins Tod im Jahr 1924 schritt die stalinistische Degeneration der Sowjetunion voran, und die Arbeiter*innendemokratie wurde abgeschafft. Die irrsinnige Politik der herrschenden Bürokratie, die Landwirtschaft in der Ukraine zwangskollektivieren zu lassen, führte zu einer großen Hungersnot. Stalins Politik des “großrussischen” Chauvinismus führte dazu, dass die ukrainischen kulturellen und sprachlichen Rechte zurückgedrängt wurden.
Diese Bedingungen führten dazu, dass Trotzkis Linke Opposition in der Ukraine eine starke Basis an Unterstützung gewann. Einer von Trotzkis engsten Mitarbeitern, Christian Rakowski, war von 1919 bis zu seiner Absetzung durch Stalin im Jahr 1923 ein wichtiger Führer der Ukrainischen Sowjetrepublik. In der Ukraine wurden umfangreiche stalinistische Säuberungen durchgeführt, bei denen unter anderem die klassenbewusstesten und aufopferungsvollsten marxistischen Arbeiter*innen eliminiert wurden.
Nach ihrem Einmarsch in die Tschechoslowakei hatten die Nazis ein Gebiet mit ukrainischsprachiger Bevölkerung unter ihrer Kontrolle. Den Nazis war es damals gelungen, in der Ukraine aufgrund des tiefen Hasses auf die stalinistische Diktatur Unterstützung zu gewinnen. Hungersnöte, Massendeportationen und nationale Unterdrückung schürten den Widerstand gegen Stalins Herrschaft. Trotzki wies darauf hin, dass die Oktoberrevolution die arbeitenden Massen der Sowjetunion zusammenschweißte, während der Stalinismus zu Spaltung und separatistischen Tendenzen führte. Von Stalin ins Exil gezwungen, schlug Trotzki die Losung einer “unabhängigen Sowjetukraine” vor, um die Bauern und Bäuerinnen anzusprechen und die ukrainische nationalistische Kollaboration mit Hitler zu überwinden.
Die Forderung nach einem unabhängigen ukrainischen Arbeiter*innenstaat würde auch einer politischen Revolution, mit der die Arbeiter*innenklasse die stalinistische Bürokratie in der gesamten Sowjetunion stürzen und die Arbeiter*innenherrschaft wiederherstellen könnte, einen enormen Auftrieb geben: “Natürlich könnte eine unabhängige Arbeiter- und Bauern-Ukraine später der Sowjetföderation beitreten; aber freiwillig, zu Bedingungen, die sie selbst für akzeptabel hält, was wiederum eine revolutionäre Erneuerung der UdSSR voraussetzt. Die wirkliche Emanzipation des ukrainischen Volkes ist ohne eine Revolution oder eine Reihe von Revolutionen im Westen, die letztlich zur Schaffung der Vereinigten Sowjetischen Staaten von Europa führen müssen, nicht denkbar. Eine unabhängige Ukraine könnte und wird zweifellos dieser Föderation als gleichberechtigtes Mitglied beitreten.” (Die ukrainische Frage, April 1939)
Im Zweiten Weltkrieg kam es zu einer Zusammenarbeit zwischen ultrarechten ukrainischen Nationalisten und den Nazis, die zu schrecklichen Pogromen und Massenmorden an der fast drei Millionen zählenden jüdischen Bevölkerung in der besetzten Ukraine führte. Doch viele Ukrainer*innen schlossen sich ihren russischen Genoss*innen aus der Arbeiter*innenklasse und anderen Völkern der ehemaligen Sowjetunion an, leisteten heldenhaften Widerstand und besiegten schließlich die Nazi-Barbarei.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg der Lebensstandard in der Ukraine und in der gesamten Sowjetunion im Rahmen der Planwirtschaft eine Zeit lang an. Doch in den folgenden Jahren der wirtschaftlichen Stagnation, die auf die Erblast der herrschenden bürokratischen Elite zurückzuführen war, verschärften sich die nationalen und ethnischen Spannungen.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion und nationale Spannungen
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einigte sich Boris Jelzin, der damalige Präsident der Russischen Republik, mit den Führern der Ukraine und Weißrusslands darauf, die Sowjetunion im Dezember 1991 formell aufzulösen.
Die kapitalistische Restauration in der ehemaligen Sowjetunion war mit der Plünderung des Staatsvermögens durch Gangster-Oligarchen und einem dramatischen Rückgang des Lebensstandards der Arbeiter*innenklasse verbunden. Um ihre unpopuläre Herrschaft zu festigen, schürten die neuen kapitalistischen Kräfte nationale und ethnische Spaltungen in der Ukraine und Russland sowie in der gesamten ehemaligen Sowjetunion und nutzten sie aus.
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion schwankt die Ukraine zwischen der Herrschaft rechter, pro-russischer und rechter, pro-westlicher Präsidenten. Die Massenunzufriedenheit über die drückende Armut und das korrupte, brutale und moskautreue Regime von Viktor Janukowitsch löste 2014 einen Aufstand aus.
Doch das Fehlen einer Alternative aus der Arbeiter*innenklasse ermöglichte es reaktionären Kräften mit westlicher imperialistischer Unterstützung, die Protestbewegung zu dominieren. Während sich ein neues prowestliches Regime konsolidierte, vertieften sich die ethnischen Spaltungen auf gefährliche Weise. Demokratische Rechte wurden beschnitten, die faschistischen Paramilitärs des Rechten Sektors wurden in die ukrainischen Streitkräfte eingegliedert, und es wurden diskriminierende Sprachgesetze gegen russischsprachige Menschen und andere Minderheiten eingeführt. Im Jahr 2017 wurde beispielsweise der Unterricht in wichtigen Fächern wie Geschichte und Physik in Minderheitensprachen wie Russisch und Ungarisch an Sekundarschulen verboten. Bis dahin unterrichteten zehn Prozent der Schulen in der Ukraine auf Russisch.
Während der Ereignisse im Jahr 2014 trat das CWI für das Recht auf Unabhängigkeit der Ukraine ein, lehnte jedoch das Kiewer Regime und dessen Politik, sich bei der Unterdrückung der Rechte ethnischer Russ*innen und anderer Minderheiten auf Neofaschisten und rechtsgerichtete ukrainische Nationalisten zu stützen, entschieden ab.
Das CWI wandte sich entschieden gegen die zynische und heuchlerische Einmischung der westlichen imperialistischen Mächte und der EU der Bosse in die Angelegenheiten der Ukraine. Ebenso wandten wir uns gegen den großrussischen Chauvinismus von Wladimir Putin. Wir haben zur Klassenunabhängigkeit im Kampf für eine sozialistische Konföderation in der Region aufgerufen.
Es ist wichtig, die echten demokratischen und nationalen Bestrebungen der verschiedenen Völker der Ukraine und der Region zu unterstützen. Marxist*innen lehnen die gewaltsame Eingliederung verschiedener Nationalitäten in einen Staat gegen deren Willen ab.
Krim
In Bezug auf die Krim unterstützte das CWI das Recht auf Selbstbestimmung – einschließlich der Abspaltung von der Ukraine -, was offenbar der Wunsch der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung war. Gleichzeitig verteidigte das CWI die Rechte aller Minderheiten auf der Krim, einschließlich der Tatar*innen und anderer, und wandte sich gegen den reaktionären Nationalismus von Putin und den Oligarchen in Russland.
Mit “getarnten” russischen Truppen auf den Straßen der Krim ist klar, dass das Referendum über die Unabhängigkeit 2014 nicht fair und frei durchgeführt wurde. Dennoch schien es kaum Zweifel daran zu geben, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die Rückkehr nach Russland befürwortete. Alle Zweifel, so argumentierte das CWI damals, könnten jedoch entweder durch die Wahl einer revolutionären verfassungsgebenden Versammlung, die durch Massenkomitees einberufen wird, um den Willen des Volkes zu ermitteln, oder durch ein wirklich demokratisches Referendum ausgeräumt werden.
Zersplitterung
Der blutige Kampf zwischen ukrainischen nationalistischen Kräften und ethnisch-russischen Kräften, insbesondere in der Ostukraine, führte zu einer Zersplitterung und einem Prozess der Kantonisierung der Region.
Die Städte Donezk und Luhansk in der Region Donbas erklärten ihre Unabhängigkeit von der Ukraine. Diese verarmten abtrünnigen Gebiete gerieten bald unter die Herrschaft von Putins Regime und dienten den Interessen des russischen Imperialismus.
Wolodymyr Selenskij wurde 2019 mit einem Erdrutschsieg gewählt, der auf einer Welle der Massenopposition gegen die korrupte Elite, die Armut und den endlosen Konflikt im Osten der Ukraine beruhte. Der neue Präsident kündigte an, die Friedensgespräche mit den Separatisten, die im Osten gegen die ukrainischen Streitkräfte kämpfen, “neu zu starten”, aber er fügte sich bald der Agenda der westlichen Mächte.
Die ukrainischen Regierungen haben Donezk und Luhansk seit 2014 mit militärischen Angriffen überzogen. Bei den Kämpfen zwischen den beiden Seiten sind mehr als 14.000 Menschen ums Leben gekommen. Putin hat den Beschuss von Donezk und Luhansk durch die ukrainische Armee und die Nato-Osterweiterung als Gründe für seinen Befehl an die russische Armee angeführt, die Enklaven zu “befreien” und die Ukraine zu “entmilitarisieren” und zu “entnazifizieren”.
Das CWI unterstützt das Recht der Menschen in diesen Gebieten, sich von der ukrainischen Herrschaft und auch von der Herrschaft des Putin-Regimes zu befreien. Sie sollten über ihre eigene Zukunft entscheiden dürfen.
Aber eine echte Selbstbestimmung – unabhängig zu sein oder sich Russland anzuschließen – kann nicht in freier und fairer Weise im Schatten russischer Panzer und Kanonen zum Ausdruck gebracht werden. Alles, was Putin der Masse der ethnischen Russ*innen im Donbas anbieten kann, ist eine Fortsetzung der Verarmung und eine endlose Konfrontation mit feindlichen Streitkräften.
Die Invasion der Ukraine wird nur dazu dienen, die russische und die ukrainische Arbeiter*innenklasse weiter zu spalten. Es liegt auf der Hand, dass das ukrainische Volk nicht über seine Zukunft bestimmen kann, solange russische Truppen einmarschieren und das Land besetzen. Die internationale Arbeiter*innenbewegung muss ein sofortiges Ende der Invasion und den Abzug aller russischen Streitkräfte aus der Ukraine fordern.
Aber “Selbstbestimmung” für die Ukraine unter der Schirmherrschaft der westlichen kapitalistischen Mächte, des bewaffneten imperialistischen Bündnisses der Nato und der EU der Bosse, ist illusorisch.
Dreißig Jahre nach der Unabhängigkeit der Ukraine haben sich alle Versprechungen der kapitalistischen Politiker*innen von Wohlstand und Frieden auf der Grundlage des Profitsystems in ihr Gegenteil verkehrt. Das ukrainische Volk ist Spielball der Rivalität und des Konflikts zwischen den imperialistischen Großmächten der Nato und den regionalen imperialistischen Ambitionen Russlands.
Es liegt an den arbeitenden Menschen der Ukraine und Russlands, die Herrschaft der Oligarchen und reaktionären Regierungen in ihren Ländern zu beenden und das Gift rechtsextremer, nationalistischer und faschistischer Elemente zu entfernen.
Der Krieg in der Ukraine unterstreicht, dass nur die Beseitigung des Kapitalismus und die Schaffung einer sozialistischen Konföderation der Ukraine und der Region die ethnischen und nationalen Auseinandersetzungen beenden können.
Putin verleumdet Lenins Werk und die westlichen kapitalistischen Mächte verabscheuen den Führer des ersten Arbeiter*innenstaates, aber für die Arbeiter*innenklasse kann nur eine Wiederbelebung des sozialistischen Internationalismus von Lenin einen Weg nach vorn weisen.
Marxist*innen rufen zum vereinten Handeln der Arbeiter*innenklasse über alle ethnischen und nationalen Grenzen hinweg und zum Aufbau von Arbeiter*innenmassenparteien auf, die sich die garantierten Rechte von Minderheiten und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen auf ihre Fahnen schreiben müssen.